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Freitag, 25. April 2025
Report
Druckansicht22.04.2025
Bierkultur in der Schweiz


Am letzten Freitag im April (25.4.2025) feiert die Schweiz den «Tag des Schweizer Bieres» – eine Hommage an die reiche Brautradition, die beeindruckende Vielfalt und die hohe Qualität des hiesigen Bieres. Doch wie steht es um die aktuelle Schweizer Bierkultur und -produktion?


Die Schweizer Braulandschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Mit dem Ende der Bierkartellkonvention im Jahr 1991 öffnete sich der Markt – mit weitreichenden Folgen. «Mit dem Auslaufen der Konvention kam ab 1991 Bewegung in die Braubranche», sagt Marcel Kreber, Direktor des Schweizer Brauereiverbandes. «Die Craft-Bier-Welle aus den USA schwappte in die Schweiz über, alte Braustile wurden neu entdeckt, und die Zahl der Brauereien wuchs rasch an», erklärt er weiter.

Der «Tag des Schweizer Bieres» bietet die Gelegenheit, die Vielfalt und Qualität des Schweizer Bieres zu entdecken. Brauereien im ganzen Land öffnen ihre Tore und laden die Bevölkerung ein, die Bierkultur hautnah zu erleben. Weitere Informationen und Veranstaltungen zum «Tag des Schweizer Bieres»: www.tagdesbieres.ch



Denkmalgeschützte Braurerei Feldschlösschen in Rheinfelden (Bild: Arthur Rossetti)


Heute zählt die Schweiz über 1’100 registrierte Brauereien – eine der höchsten Brauereidichten weltweit. Dennoch produzieren die rund 50 grössten Brauereien über 98 Prozent des schweizerischen Bierausstosses. Der Pro-Kopf-Konsum von Bier in der Schweiz ist seit den 1990er-Jahren rückläufig. Lag er im Braujahr 1990/91 noch bei 71 Litern, so betrug er 2024 nur noch 49 Liter. Gründe dafür sind ein verändertes Gesundheitsbewusstsein, steigende Lebenshaltungskosten und ein breiteres Angebot an Getränken. Besonders alkoholfreie und leichtere Biere gewinnen an Beliebtheit. «Die bierigen Vorlieben ändern sich stetig – alkoholfreie und leichtere Biere boomen aktuell, Food-Pairing gewinnt an Bedeutung und Bier wird bewusster genossen», betont Marcel Kreber.

Herausforderungen und Chancen

Die letzten Jahre waren für die Branche auch nicht einfach. Die Covidpandemie, der Krieg in der Ukraine, steigende Energiepreise und ein verregneter Sommer 2024 haben ihre Spuren hinterlassen und die Bierbranche steht vor wirtschaftlichen Herausforderungen. «Eine schwächelnde Nachfrage sowie höhere Energie- und Rohstoffkosten fordern die Brauereien – unbestritten», sagt Marcel Kreber. Er sieht aber auch positive Entwicklungen: «Andererseits ist die wachsende Vielfalt auch im Bereich der alkoholfreien Biere schlicht beeindruckend.»

Regionalität ist ein bedeutender Trend in der Lebensmittelbranche. Während aber das Wasser, das bis zu 95 Prozent des Bieres ausmacht, fast immer aus der Region stammt und gemäss Swissnessgesetzgebung auch als wesentliches Kriterium gilt, sieht es bei anderen Rohstoffen anders aus. So kann die Schweiz den Bedarf an Braugerste und Hopfen nicht aus eigener Produktion decken. «Der Anbau ist sehr anspruchsvoll», erklärt Marcel Kreber und ergänzt: «Zudem verfügt die Schweiz weder über die nötigen Anbauflächen noch über die optimalen Klimabedingungen.»

Dennoch gibt es Bestrebungen, die heimische Wertschöpfung zu stärken. Die Mälzerei in Möriken-Wildegg etwa verarbeitet Schweizer Braugerste zu Malz – ein Pionierprojekt. Um den gesamten Bedarf an Braumalz im Inland zu decken, bräuchte es jedoch rund 80 solcher Betriebe. Projekte wie IG Mittellandmalz zeigen aber, dass auch in diesem Bereich ein wachsendes Interesse an regionalen Rohstoffen besteht, sowohl bei den Brauereien als auch bei der Kundschaft.

Braugerste und Malz

Die Gerste verleiht dem Bier Geschmack und Farbe. Für Braugerste eignen sich nur zweizeilige Sommergersten. Gute Sorten sollen ertragreich sein und müssen weitere wichtige Kriterien erfüllen. Neben der Sorte spielen Düngung und Pflanzenschutz wichtige Rollen für die Eignung der Gerste zum Bierbrauen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise der optimale Proteingehalt, der unter anderem für die Schaumqualität des Bieres verantwortlich ist: Erhält die Gerste Stickstoff zur falschen Zeit, bildet sie vermehrt Eiweiss und zu viel Eiweiss ist für helle, schlanke und süffige Biere ungeeignet. Auch die Qualität muss stimmen, denn die Kriterien nicht erfüllt sind, kann kein gutes Bier gebraut werden und die Gerste wird zu Futtergerste deklassiert.

Die Braugerste wird dann zu Braumalz weiterverarbeitet. Malz ist nichts anderes als Getreide, meist eben Gerste, das kurz zum Keimen gebracht und wieder getrocknet wurde. Mit diesem Vorgang wird die im Korn enthaltene Stärke in Malzzucker umgewandelt und für die spätere Gärung zu Alkohol verfügbar gemacht. Für einen Hektoliter Lagerbier sind etwa 21 Kilogramm Gerste beziehungsweise 17 Kilogramm Malz notwendig.

Hopfen

Wildhopfen kommt ursprünglich aus feuchten Bergtälern Südwestasiens. Heute wird Hopfen in über 50 Ländern kultiviert und weltweit existieren über hundert Hopfensorten. Hopfen gedeiht allerdings nur zwischen dem 35. und 55. Breitengrad, weil hier die langen Tage im Sommer die Voraussetzungen für die Blüte erfüllen.

Der Hopfen wächst bis zu 30 Zentimeter innerhalb 24 Stunden und erreicht eine Höhe von sieben Metern oder mehr. Die Pflanzen wachsen immer rechtswindig.

Für 100 Liter Bier sind etwa 100 bis 150 Gramm Hopfendolden notwendig. Bei der Qualität unterscheidet man grundsätzlich zwischen Aroma- und Bitterhopfen. Aromahopfen enthalten mehr ätherische Öle. Diese sind für das feine Hopfenaroma im Bier verantwortlich. Bitterhopfen haben einen höheren Gehalt an Bittersäuren, die dem Bier den angenehm bitteren Geschmack verleihen. Die Aromahopfen sind tendenziell teurer als die Bitterhopfen.

Hanf statt Hopfen

Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften ZHAW hat in einem abgeschlossenen Forschungsprojekt das Potential von Hanf als nachhaltige Alternative zu Hopfen beim Bierbrauen untersucht. Das Forschungsteam rund um Projektleiterin Amandine André vom Institut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation hatte dabei ein besonderes Augenmerk auf Hanfblüten gelegt, die bei der industriellen Hanfproduktion bisher als Abfall anfallen. Da Hanf und Hopfen zur gleichen botanischen Familie gehören, weisen beide eine ähnlich bittere Geschmacksnote auf. Hanf ist zudem widerstandsfähiger gegenüber Hitze und benötigt deutlich weniger Dünger, Pestizide und Wasser – ein klarer Vorteil im Hinblick auf den Klimawandel.

Im Gegensatz zu herkömmlichen «Hanfbieren», bei denen Hanf lediglich zusätzlich zum Hopfen verwendet wird, verfolgte das ZHAW-Team das Ziel, Hopfen ganz oder teilweise durch Hanf zu ersetzen – ohne dabei den typischen Geschmack eines klassischen Biers zu verändern. Erste Versuche zeigten, dass sich bis zu 75 Prozent des Hopfens durch Hanfblüten ersetzen lassen, ohne die gewünschte Bitterkeit zu verlieren. Dafür braucht es jedoch drei- bis viermal mehr Hanf als Hopfen. Auch der Brauprozess musste angepasst werden: Hanfextrakte dürfen erst gegen Ende des Kochvorgangs hinzugefügt werden, um die Bitterintensität zu erhalten. In ersten Blinddegustationen konnten Testpersonen bei einer Rezeptur keinen Unterschied zu herkömmlichem Lagerbier feststellen.

Trotz dieser vielversprechenden Resultate kam das Projekt zum Stillstand. Die eingesetzten Hanfextrakte wurden von den Behörden als sogenanntes «Novel Food» eingestuft. Damit ist eine Anwendung beim Bierbrauen vorerst nicht mehr möglich. «Unsere Versuche mit Hanfextrakten haben sich als geeignete Alternative zu Hopfen erwiesen», sagt Projektleiterin Amandine André auf Anfrage. «Aber bis eine Lösung auf regulatorischer Ebene gefunden wird, können wir die Forschung im Bierbereich nicht weiterverfolgen», ergänzt sie. Die ZHAW setzt ihre Arbeit derzeit in der Grundlagenforschung zu Aromen fort – auf eine praktische Anwendung in der Braupraxis wird man jedoch noch warten müssen. (LID)
(gb)

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