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Freitag, 25. April 2025
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.METZGEREI: Studie zur Emotionsarbeit im Schlachthof
Wie das routinierte Töten von Tieren und die „emotionale Neutralität“ im Schlachthof funktioniert

Schlachthöfe sind wesentlicher Bestandteil der Fleischproduktion, doch die Arbeit dort ist weit entfernt von der Alltagsrealität der meisten Menschen. Während Fleisch für viele ein Produkt im Kühlregal ist, stehen die Beschäftigten in den Schlachthöfen vor einer besonderen Herausforderung: Sie müssen täglich Tiere töten, ohne sich dabei von Emotionen wie Mitleid oder Bedauern beeinflussen zu lassen. Doch wie gelingt ihnen diese „emotionale Neutralität“? Eine Studie des Soziologen Dr. Marcel Sebastian von der TU Dortmund gibt Einblicke in die Innenwelt der Schlachthofarbeit – und zeigt, mit welchen Strategien die Beschäftigten ihre Gefühle kontrollieren, um das Töten zur Routine zu machen.
Bild: Elektrobetäubungszange


Für die Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Agriculture & Human Values“ erschienen ist, wurden erstmals 13 Mitarbeiter in deutschen Schlachthöfen zu ihren Emotionen beim Töten von Tieren befragt. Durch eine qualitative Inhaltsanalyse der Interviews konnte Dr. Sebastian verschiedene Techniken der Emotionsarbeit identifizieren, die den Beschäftigten helfen, eine „emotionale Neutralität“ gegenüber dem Schlachten von Tieren zu gewährleisten.

Dazu gehörte insbesondere die emotionale Distanzierung von den Schlachttieren: Diese erreichten die befragten Schlachter, indem sie den Aufbau persönlicher Beziehungen zu einzelnen Tieren vermieden und ihre Aufmerksamkeit auf emotional weniger belastende Aspekte der Arbeit lenkten. Darüber hinaus trugen auch berufstypische Formen des „Framings“ zur Herstellung emotionaler Neutralität bei: Schlachttiere wurden als „Ressourcen“ betrachtet, und das Töten wurde dadurch legitimiert, dass die Tiere im Schlachthof aus Sicht der Interviewten „tierschutzgerecht“ behandelt würden.




Der Soziologe nutzte aktuelle Ansätze der Emotionssoziologie zur vertiefenden Analyse und konnte zeigen, dass die Praktiken der Emotionsarbeit nur selten bewusst wahrgenommen werden. „Vielmehr laufen sie weitgehend unterhalb der Alltagswahrnehmung als sogenannte Hintergrund-Emotionsarbeit ab“, erklärt Dr. Sebastian. Die Internalisierung dieser Emotionsarbeitstechniken zu einem routinierten emotionalen Habitus habe bei allen Befragten bereits in der Kindheit oder Jugend begonnen, da sie schon in jungen Jahren zum ersten Mal bei einer Schlachtung dabei waren oder geholfen haben.

Die Studie zeigt einerseits, wie es den interviewten Schlachtern gelungen ist, dauerhaft und täglich Tiere in grosser Zahl zu töten. Andererseits wird aber auch deutlich, dass sie nicht grundsätzlich emotionslos waren. Um diese These zu überprüfen, analysierte Dr. Sebastian insbesondere solche Episoden in den Interviews, in denen „disruptive Emotionen“ auftraten, die die Gefühlsarbeit aus dem Hintergrund in den Vordergrund zwangen. Diese Episoden waren selten, zeigten aber die Relevanz der kontinuierlichen Emotionsarbeit im Hintergrund. Sie betrafen zum Beispiel die Tötung von Jungtieren oder Phasen ungewöhnlicher Massenschlachtungen wie im Zuge der BSE-Krise.

Insgesamt trägt die Studie dazu bei, relevante Forschungslücken zur Innenwelt der Fleischproduktion zu schliessen. „Diese findet zumeist jenseits der öffentlichen und wissenschaftlichen Aufmerksamkeit statt, ist aber angesichts zunehmender Kontroversen um Tier-, Klima-, Gesundheits- und Arbeitsschutz von wachsender gesellschaftlicher und politischer Relevanz“, sagt der Soziologe. „Umso wichtiger ist es, die Perspektive auch auf diejenigen zu richten, die direkt und täglich am Fliessband stehen.“ (Technische Universität Dortmund)
(gb)

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