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Pflanzlicher Milchersatz: umweltschonend aber nährwertärmer

In den vergangenen Jahren haben pflanzliche Alternativen zu Milch und Milchprodukten einen regelrechten Boom erlebt. So sind Milchersatzprodukte wie Soja-, Mandel- oder Haferdrinks längst zu einem festen Bestandteil des Lebensmittelmarktes geworden und werden oft als gesunde, nachhaltige Alternative zur Kuhmilch beworben. Während sie in ökologischer Hinsicht tatsächlich auch oft punkten können, sind ihre ernährungsphysiologische Qualität aber kritisch zu hinterfragen.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Agroscope und der Universität Bern im Auftrag der Stiftung TA-Swiss (siehe Textbox) wirft einen differenzierten Blick auf die Auswirkungen unter anderem von Milchersatzprodukten auf Gesundheit und Umwelt sowie auf die Wahrnehmung der Konsumentinnen und Konsumenten.

Dabei wird klar: Die pflanzlichen Alternativen bieten viele Vorteile, bergen aber auch Herausforderungen, die besonders im Bereich der Nährstoffzusammensetzung und des Umweltverbrauchs deutlich werden. So zeigt die Studie, dass Milchersatzprodukte zwar bei Umweltbelastungen wie Treibhausgasemissionen und Landnutzung klare Vorteile haben, jedoch in Bezug auf essentielle Nährstoffe oft hinter Kuhmilch zurückbleiben.

Mehr Nachhaltigkeit, aber mit Einschränkungen

Ein zentraler Befund der Studie zeigt, dass pflanzliche Alternativen zu Milchprodukten in vielerlei Hinsicht eine umweltfreundlichere Option darstellen. Wie die Studie zeigt, verursachen Sojadrinks beispielsweise deutlich weniger Treibhausgasemissionen und beanspruchen weniger Land als Kuhmilch. Auch der Wasserverbrauch ist bei Sojaprodukten geringer, was diese Alternative zu einer der ökologischsten Optionen macht.



Milchprodukte schneiden verglichen mit ihren veganen Alternativen zwar teilweise schlechter ab, sind aber weniger stark verarbeitet und «purer»


Jedoch zeigt sich bei anderen pflanzlichen Alternativen, dass die Umweltvorteile nicht immer so eindeutig sind. Mandeldrinks beispielsweise, die in den letzten Jahren zunehmend beliebt geworden sind, haben einen extrem hohen Wasserverbrauch. Auch Haferdrinks, eine in Europa zunehmend populäre Alternative, haben im Vergleich zu Soja- und Kuhmilch einen höheren Wasserverbrauch, wenn auch in geringerem Ausmass als Mandeldrinks. Diese Unterschiede verdeutlichen, dass die Wahl des Milchersatzprodukts in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit eine kritische Entscheidung ist und nicht jede pflanzliche Alternative per se umweltfreundlicher ist. Zudem ist zu beachten, dass auf vielen Flächen in der Schweiz nur mit Nutztieren wie Kühen Nahrungsmittel produziert werden können.

Nährstoffgehalte: Schwachstelle der Milchersatzprodukte

Während die ökologischen Vorteile von Milchersatzprodukten gut dokumentiert sind, stellt ihre ernährungsphysiologische Zusammensetzung eine der grössten Herausforderungen dar. So widmet sich die Studie neben den Umweltaspekten auch ausführlich den gesundheitlichen Auswirkungen von Milchersatzprodukten. Hier wird deutlich, dass pflanzliche Alternativen in Bezug auf bestimmte Nährstoffe nicht immer mit Kuhmilch konkurrieren können: Die Studie betont, dass pflanzliche Alternativen in ihrer natürlichen Form oft nicht den Nährwert von Kuhmilch erreichen.

Besonders der Mangel an wichtigen Mikronährstoffen wie Calcium, Jod und Vitamin B12 fällt ins Gewicht. Diese Nährstoffe sind in Kuhmilch von Natur aus reichlich vorhanden und spielen eine Schlüsselrolle in der menschlichen Ernährung – insbesondere für die Knochengesundheit, die Blutbildung und die Schilddrüsenfunktion. In vielen pflanzlichen Alternativen sind diese Stoffe allerdings entweder gar nicht oder nur in geringen Mengen enthalten und müssen häufig künstlich zugefügt werden, um ähnliche gesundheitliche Vorteile zu bieten wie Kuhmilch.

So wird Vitamin B12, das fast ausschliesslich in tierischen Produkten vorkommt und für die Bildung roter Blutkörperchen und die neuronale Funktion von Bedeutung ist, in vielen pflanzlichen Produkten ergänzt. Auch Calcium und Jod, die für die Knochendichte und die Schilddrüsenfunktion wichtig sind, fehlen in pflanzlichen Milchersatzprodukten oft, wenn sie nicht angereichert werden.

Auf der anderen Seite zeigen die Untersuchungen auch, dass pflanzliche Milchersatzprodukte oft weniger gesättigte Fettsäuren enthalten, was sie im Vergleich zu herkömmlicher Milch gesünder macht, denn der Verzicht auf tierische Fette kann das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen verringern.

Eine Frage der Information

Zuletzt spielt auch die Wahrnehmung der Konsumentinnen und Konsumenten eine zentrale Rolle im Hinblick auf Milchersatzprodukte: Zwar werden pflanzliche Alternativen oft als «natürlicher» und gesünder wahrgenommen, doch das Hinzufügen von synthetischen Nährstoffen widerspricht diesem Image. Zudem gibt es Bedenken, dass die Bioverfügbarkeit dieser zugesetzten Nährstoffe und die Fähigkeit des Körpers, diese effektiv aufzunehmen, geringer sind als bei natürlichen Quellen.

Laut den Ergebnissen der Untersuchung können viele Verbraucherinnen und Verbraucher ausserdem die gesundheitlichen und ökologischen Vorteile und Risiken von Milchersatzprodukten nicht richtig einschätzen. Dies liegt unter anderem an fehlenden klaren Informationen und dem oft irreführenden Marketing, das pflanzliche Alternativen grundsätzlich als gesünder und umweltfreundlicher darstellt. So zeigt die Studie auch, dass eine transparente Kennzeichnung von Nährstoffgehalten und Umweltwirkungen den Konsumentinnen und Konsumenten helfen würde, fundierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Während viele Konsumentinnen und Konsumenten aber aus ethischen oder ökologischen Gründen auf pflanzliche Produkte umsteigen, zeigen die Auswertungen der Studie auch, dass nur eine Minderheit tatsächlich auf eine exakte Nachahmung von Kuhmilch Wert legt und diese zunehmend als eigenständige Produkte, die sich von ihrem tierischen Pendant unterscheiden sollten, wahrnimmt. Dies könnte bedeuten, dass sich der Markt für Milchersatzprodukte weiter diversifiziert und weniger als Imitation, sondern vielmehr als originäres Lebensmittel verstanden wird. (Text und erstes Bild: LID)
(gb)

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