Foodfachzeitung im Internet
Donnerstag, 21. November 2024
Report
Druckansicht31.07.2024
Ein Hoch auf Schweizer Bier
Die Brauwirtschaft in der Schweiz hat in den letzten 15 Jahren eine unglaubliche Entwicklung erlebt: Die Biervielfalt ist geradezu explodiert. Bierbrauen ist in der Schweiz sehr beliebt.

Die Auflösung des Schweizer Bierkartells im Jahr 1991 bedeutete eine Initialzündung für die hiesige Braubranche: Der Fall des Kartells kurbelte den aufkommenden Craft-Bier-Trend an und die Schweizer Brauereien erlebten eine nie dagewesene Entwicklung. In der Folge stieg die Zahl der Brauereien und Mikrobrauereien rasant an: Ein Jahr vor der Auflösung des Bierkartells waren in der Schweiz 32 Brauereien registriert – heute sind es über 1’500 registrierte Brauereien, wobei vor allem die kleineren bis mittelgrossen boomen. So hat die Schweiz mit 146 Brauereien pro Million Einwohner die grösste Brauereidichte in Europa.

Der Internationale Tag des Bieres findet jährlich am ersten Freitag im August statt – dieses Jahr also am 2. August 2024. Der Internationale Tag des Bieres wurde erstmals im August 2008 gefeiert und wurde in den darauffolgenden Jahren zunehmend populärer. An diesem Tag sollen Bierliebhaberinnen und Bierliebhaber auf der ganzen Welt die Männer und Frauen ehren, welche das Bier brauen und servieren. Auch der Bierkonsum ist ungebrochen: Zwischen 1997 und 2017 hat der Bierkonsum im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken um knapp 20 Prozent zugenommen. In den letzten Jahren wurden in der Schweiz pro Jahr 4,7 Millionen Hektoliter Bier konsumiert – rund 53 Liter pro Person.

Biervielfalt lohnt sich

Der Bierbrautrend hat zu einer unglaublich grossen Auswahl geführt und diese zunehmende Biervielfalt und neuen Geschmackserlebnisse dürften der Branche auch neue Konsumentinnen und Konsumenten gebracht haben. Erhebungen des Bundeamts für Statistik im Rahmen der Schweizerischen Gesundheitsbefragung zeigen beispielsweise, dass Bier auch bei Frauen immer beliebter wird.

Ausserdem beweist die Branche mit Blick auf die sich ändernden Konsumentenbedürfnisse durchaus Fingerspitzengefühl: So wird viel an speziellen Aromen und Mischungen getüftelt, um beispielsweise der zunehmenden Nachfrage nach Biermischgetränken gerecht zu werden oder Konsumentinnen und Konsumenten mit einer Glutenunverträglichkeit abzuholen. In den letzten zehn Jahren hat sich ausserdem die Nachfrage nach alkoholfreiem Bier verdoppelt und auch dies zeigt sich in den Regalen der Detailhändler.

Eines aber ist über alle Bierstile hinweg zu beobachten: Der Trend zu lokalen Bieren ist unverkennbar. Und das hat auch Auswirkungen auf den hiesigen Anbau von Hopfen und Braugerste. Hopfen und Malz sind nebst Wasser und Hefe die wichtigsten Zutaten für Bier. Malz, gekeimtes Getreide, liefert dem Bier die Stärke, während ihm der Hopfen sein Aroma verleiht. Doch Malz und Hopfen für die Schweizer Bierproduktion werden grösstenteils importiert.

Hopfen

Für 100 Liter Bier sind etwa 100 bis 150 Gramm Hopfendolden notwendig. Bei der Qualität unterscheidet man grundsätzlich zwischen Aroma- und Bitterhopfen. Aromahopfen enthalten mehr ätherische Öle. Diese sind für das feine Hopfenaroma im Bier verantwortlich.

Bitterhopfen haben einen höheren Gehalt an Bittersäuren, die dem Bier den angenehm bitteren Geschmack verleihen. Die Aromahopfen sind tendenziell teurer als die Bitterhopfen.

Wildhopfen kommt ursprünglich aus feuchten Bergtälern Südwestasiens. Heute wird Hopfen in über 50 Ländern kultiviert und weltweit existieren über hundert Hopfensorten. Hopfen gedeiht allerdings nur zwischen dem 35. und 55. Breitengrad, weil hier die langen Tage im Sommer die Voraussetzungen für die Blüte erfüllen. Der Hopfen wächst bis zu 30 Zentimeter innerhalb 24 Stunden und erreicht eine Höhe von sieben Metern oder mehr. Die Pflanzen wachsen immer rechtswindig.

Weltweit wird auf einer Fläche von über 62’000 Hektaren Hopfen angebaut. Mit einer Fläche von gut 25’000 Hektaren befinden sich die grössten Hopfenanbaugebiete in den USA, knapp dahinter folgen die Anbaugebiete in Deutschland. So ist die Hallertau in Bayern das grösste zusammenhängende Hopfenanbaugebiet der Welt. Dagegen fällt der Anbau in der Schweiz mit knapp 20 Hektaren sehr bescheiden aus. Anbauflächen befinden sich unter anderem im zürcherischen Stammertal, im aargauischen Fricktal sowie in den Kantonen Solothurn und Thurgau.

Aufgrund der begrenzten Mengen importieren die Schweizer Brauereien 90 Prozent des Hopfenbedarfs – ausserdem ist der Hopfen aus dem Ausland bedeutend günstiger. Mit dem Aufwind und der Entwicklung in der hiesigen Brauszene, gekoppelt mit dem zunehmenden Trend von regionalen Produkten, setzen Brauereien aber vermehrt auch auf hiesigen Hopfen. Unter anderem für das «Quöllfrisch» der Brauerei Locher oder das «Eidgenoss» der Brauerei Falken wird Hopfen aus Schweizer Anbau verwendet.

Braugerste und Malz

Auch der Anbau von Braugerste wurde schon vor Jahrzehnten aus der Schweiz verdrängt und lange Zeit bauten die Schweizer Bäuerinnen und Bauern nur noch sehr wenig Braugerste an. So wurde auch das aus der Braugerste gewonnene Malz zum Bierbrauen grösstenteils importiert. Seit gut 10 Jahren widmen sich aber wieder ein paar Landwirtinnen und Landwirte mehr dem Anbau der anspruchsvollen Kultur und zuletzt hat der Anbau von Braugerste eine Fläche von über 250 Hektaren erreicht. Die Mehrheit des Getreides musste für das Vermälzen jedoch aus- und wieder eingeführt werden, denn dieser für das Bierbrauen so wichtige Schritt, passierte nach wie vor hauptsächlich im Ausland.

Die Gerste verleiht dem Bier Geschmack und Farbe. Für Braugerste eignen sich nur zweizeilige Sommergersten. Gute Sorten sollen ertragreich sein und müssen weitere wichtige Kriterien erfüllen. Neben der Sorte spielen Düngung und Pflanzenschutz wichtige Rollen für die Eignung der Gerste zum Bierbrauen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise der optimale Proteingehalt, der unter anderem für die Schaumqualität des Bieres verantwortlich ist: Erhält die Gerste Stickstoff zur falschen Zeit, bildet sie vermehrt Eiweiss und zu viel Eiweiss ist für helle, schlanke und süffige Biere ungeeignet. Auch die Qualität muss stimmen, denn die Kriterien nicht erfüllt sind, kann kein gutes Bier gebraut werden und die Gerste wird zu Futtergerste deklassiert.

Die Braugerste wird dann zu Braumalz weiterverarbeitet. Malz ist nichts anderes als Getreide, meist eben Gerste, das kurz zum Keimen gebracht und wieder getrocknet wurde. Mit diesem Vorgang wird die im Korn enthaltene Stärke in Malzzucker umgewandelt und für die spätere Gärung zu Alkohol verfügbar gemacht. Für einen Hektoliter Lagerbier sind etwa 21 Kilogramm Gerste beziehungsweise 17 Kilogramm Malz notwendig.

Bei den Brauereien steigerte sich zuletzt aber nicht nur die Nachfrage nach hiesigem Hopfen, sondern auch nach regionaler Braugerste, die in der Schweiz verarbeitet wird. So baute die Schweizer Mälzerei AG mit Unterstützung der IG Mittellandmalz in Möriken-Wildegg im Kanton Aargau eine Produktionsanlage und seit Anfang 2022 wird dort nun Braugerste vermälzt. Die Produktionsanlage in Möriken-Wildegg ist mit einer Mälzungsanlage ausgestattet, die über drei 10-Tonnen-Trommeln verfügt und jährlich rund 1’500 Tonnen Malz produzieren soll.

Die Schweiz benötigt mehr als 70’000 Tonnen Braumalz jährlich – rund 98 Prozent stammen also nach wie vor aus dem Ausland. Die IG Mittellandmalz strebt den Ausbau dieser regionalen Wertschöpfungskette an und hat sich zum Ziel gesetzt, dass Anteil an Schweizer Malz dereinst auf rund zehn Prozent zu erhöhen. Schweizer Malz kostet im Moment aber noch bis zu dreimal so viel wie importiertes Malz. Nichtsdestotrotz garantiert der Trend zur Regionalität die Nachfrage nach heimischem Malz. (LID)
(gb)

Report – die neuesten Beiträge
18.11.2024
dWelche Backwaren gesund sind und warum
10.11.2024
dSchokoladen und Branchli im Kassensturz-Test
01.11.2024
d Edle Kulturpilze: Teil 1
25.10.2024
dMarkt und Wettbewerb der Alpenprodukte in Stans
18.10.2024
dMehr Nüsse essen
11.10.2024dSwiss Cheese Awards: Schweizer Käsemeister gekürt
06.10.2024dWeihnachtsgebäck schon im Oktober?
25.09.2024dDie offiziell besten Metzgereien 2024
19.09.2024dPflanzlicher Milchersatz: umweltschonend aber nährwertärmer
08.09.2024dSchokoladeimitationen ohne Kakao im Trend
01.09.2024d Warme Schärfe dank Wasabi und Ingwer
21.08.2024dBrombeeren – wilde schmecken intensiver
14.08.2024dGlacesorten, -macharten und -trends
07.08.2024dFeige: Eine der ältesten Früchte der Welt
31.07.2024dEin Hoch auf Schweizer Bier
24.07.2024dJetzt hochwertige Beeren richtig verarbeiten
17.07.2024dFleisch kontra Ersatzprodukte - gesundheitlich betrachtet
10.07.2024dJetzt Aprikosen verarbeiten: Frische Vielfalt
03.07.2024dWie wird selbst gemachte Glace cremig?
26.06.2024dBio und Fleischersatz stossen an Grenzen
19.06.2024dMultitalente Blumenkohl und Romanesco
12.06.2024dNeuartige Kaffeealternative mit regionalen Rohstoffen
05.06.2024dHochverarbeitetes oft ungesund aber nicht immer
29.05.2024dGelungene Beefsteak-Imitation von Planted
22.05.2024d Food-Handwerker mit wissenschaftlichen Ambitionen
15.05.2024d(Un)sinn von Süssstoffen zum Abspecken
08.05.2024dZartes Fleisch – wissenschaftlich erklärt
01.05.2024dBackhefe: mehr als ein Triebmittel
24.04.2024dSchweizer Bierkultur im Wandel
17.04.2024dExotische Würzsaucen zu Grilladen
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland