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Samstag, 21. Dezember 2024
Report
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Angst vor Nahrungs-Cholesterin meist unbegründet
Nahrungs-Cholesterin beeinflusst Herzkranheiten kaum gemäss Ernährungsexperten



Das Cholesterin in der Nahrung wird heute bei 80 Prozent der Bevölkerung als vernachlässigbar für koronare Herzkrankheiten angesehen.


Cholesterin spukt noch immer als Schreckgespenst in Sachen Herzinfarkt durch die Köpfe der meisten Menschen, anstatt es als das zu sehen, was es tatsächlich ist: ein lebensnotwendiger Bestandteil jeder Zelle und Ausgangssubstanz für viele Wirkstoffe im Körper.

Die nach wie vor verbreitete Cholesterinhysterie beruht auf der einfachen und einleuchtenden Theorie, dass das Cholesterin in der Nahrung den Cholesterinspiegel im Blut erhöht, wodurch die Arteriosklerose gefördert wird, welche Ursache der koronaren Herzkrankheiten (KHK) ist. Bei der Arteriosklerose kommt es zu Ablagerungen (Plaques) an der Gefässwand, die durch Wucherungen des Bindegewebes zu einer Verdickung und einer geringeren Elastizität der Arterien führen.

Wenn eine solche Plaque instabil wird und aufplatzt, können die entstehenden Blutgerinnsel einen Herzinfarkt oder Schlaganfall verursachen, je nachdem, in welchem Blutgefäss dies geschieht. Untersuchungen dieser Arterienverdickungen haben Cholesterin- und Fetteinlagerungen zutage gebracht, weshalb diese rasch als Verursacher der Plaques hervorgehoben wurden.

Unterdessen haben sich die Kenntnisse über die Entwicklung der Plaques jedoch erweitert. Die Mechanismen haben sich als viel komplexer, als ursprünglich angenommen, herausgestellt und die Cholesterineinlagerungen sind möglicherweise nicht die Ursache von allem, sondern eine Folge von Schutzreaktionen des Körpers. Die Risikofaktoren für Arteriosklerose sind vielseitig: Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Infektionskrankheiten, genetische Veranlagung, Fettstoffwechselstörungen, Bewegungsmangel, Übergewicht, Rauchen und andere.

Dem Gesamtcholesterinspiegel wird heute keine grosse Bedeutung mehr beigemessen, dagegen wird das Augenmerk auf die unterschiedlichen Cholesterin-Fraktionen im Blut gerichtet. Eine geringe HDL-Fraktion (high density lipoprotein) («gutes Cholesterin») sowie eine hohe LDLFraktion (low density lipoprotein) («böses Cholesterin») wird als Indikator für ein erhöhtes Risiko angesehen. Beide Fraktionen werden jedoch nur in sehr geringem Masse vom Nahrungscholesterin beeinflusst.

So haben verschiedene Studien übereinstimmend gezeigt, dass bei einer Reduktion der Cholesterinaufnahme mit der Nahrung um 100 mg eine Abnahme des Gesamtcholesterins im Blutserum um 0,056 mmol/l (2,2 mg/dl) zu erwarten ist. Das entspricht in etwa einem Prozent der Zielcholesterinkonzentration von 5,0 mmol/l. Das LDL wird dabei durchschnittlich um 0,05 mmol/l reduziert und das HDL um 0,008 mmol/l. Studien über Cholesterin- senkende Medikamente haben ergeben, dass für ein um 20% reduziertes KHK-Risiko eine LDL-Senkung um 0,5 mmol/l über mindestens sechs Jahre notwendig ist.

Wenn man sich nun vor Augen führt, dass dafür theoretisch eine Reduktion des Nahrungscholesterins um etwa 1000 mg pro Tag nötig wäre, in der Schweiz der Cholesterinverbrauch durchschnittlich jedoch nur bei 363 mg pro Person und Tag liegt, so ist klar erkennbar, dass dies auch bei Weglassen aller cholesterinhaltigen Lebensmittel nicht machbar ist. Eine kleinere Nahrungscholesterinreduktion hat eine dementsprechend geringere Wirkung zur Folge.



Alexandra Schmid, Ernährungsexpertin der Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP in Bern: «Es macht keinen Sinn, Nahrungsmittel tierischer Herkunft wegen ihres Cholesteringehalts aus der Ernährung zu streichen.


Das Cholesterin in der Nahrung wird daher als eine zu vernachlässigende Grösse im Zusammenhang mit koronaren Herzkrankheiten angesehen. Zu diesem Schluss kommen auch die Experten der eidgenössischen Ernährungskommission, nachzulesen in ihrem Bericht «Fett in der Ernährung».

Der Grund, weshalb Nahrungscholesterin beim gesunden Menschen keinen Einfluss auf den Blutcholesterinspiegel hat, liegt darin, dass der Körper durch Anpassung der Absorption im Darm und durch Eigenproduktion von Cholesterin dessen Konzentration im Körper auf einem bestimmten Niveau hält. Der Körper produziert täglich zwischen 500 und 1500 mg Cholesterin. Das ist ein Vielfaches dessen, was aus der Nahrung aufgenommen wird (bis etwa 500 mg).

Bei einem Mehrverzehr an Nahrungscholesterin wird die Eigenproduktion gedrosselt und bei einem Minderverzehr angekurbelt, so dass dem Körper immer etwa gleich viel Cholesterin zur Verfügung steht. Bei etwa 20% der Bevölkerung ist dieser Regelmechanismus jedoch eingeschränkt.

Dass der Körper sich nicht alleine auf die Cholesterinzufuhr mit der Nahrung verlassen möchte, ist verständlich, schliesslich ist Cholesterin Ausgangsstoff für viele wichtige Substanzen im Organismus (z. B. Vitamin D, Sexual- und Stresshormone, Gallensäuren). Es ist ausserdem auch ein unverzichtbarer Bestandteil von Hirn, Nerven und Zellmembranen und beeinflusst das Immunsystem.

Der vom 5. Schweizerischen Ernährungsbericht ausgewiesene durchschnittliche Verbrauch von 363 mg Cholesterin pro Person und Tag beruht zu 30% (109 mg) auf dem Verbrauch von Eiern. Fleisch und Fleischprodukte liefern weitere 99 mg (27%) und Milch und Milchprodukte 94 mg (26%). Diese wertvollen Nahrungsmittel tierischer Herkunft wegen ihres Cholesteringehalts aus unserer Ernährung zu streichen, ist im Licht obiger Tatsachen somit überhaupt sinnlos. Eine Einschränkung des Nahrungscholesterins zur Senkung des Risikos für Herz-Kreislauf-Krankheiten wird heute definitiv als überholt angesehen.
(Text: Alexandra Schmid, Forschungsanstalt Agroscope Liebefeld-Posieux ALP, Bern)

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(gb)

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