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Druckansicht08.05.2009
Produkt-Portrait der Bündner Oberländer Kartoffelwurst


Kartoffelsalsiz der Metzgerei Venzin in Disentis


Die richtige Kartoffelwurst (Liongia da tartuffels) ist eine typische, luftgetrocknete Alltags-, resp. Hauswurst. Neben Rinds-, Schweinefleisch und Rückenspeck, zeichnet sie sich vor allem dadurch aus, dass sie gekochte Kartoffeln und Blut enthält. Letzteres macht sie fast schwarz, sowohl im Brät als auch an der Oberfläche. Der weisse Edelschimmel wird von manchen Produzenten vor dem Verkauf abgebürstet. Sie schmeckt mild nach Fleisch und ist leicht süsslich. Weiter ist ihr Geschmack von Nelke, Muskat, Piment und andern Gewürzen geprägt.

Daneben gibt es noch eine zweite Variante, eine Art Siedwurst, die aus Hackfleisch und gekochten Kartoffeln besteht. Sie wird nicht roh, sondern gesotten gegessen und weist, das sie kein Blut enthält, auch keine dunkle Farbe auf. Sie wird auf Rätoromanisch auch «liongia da truffels» genannt. Die Zutaten: Rindfleisch, Schweinefleisch, teilweise Leber, Rückenspeck, gekochte Kartoffen, Blut und Gewürze wie Nelke, Muskatnuss und Piment.

Die Wurst wird in einen Schweinsdarm gestossen. Die Zusammensetzung der Kartoffelwurst variiert. Gemeinsam ist allen Varianten einzig, dass sie gekochte Kartoffeln enthalten. Das Produktionsepizentrum ist die Region Sursevla und das Val Lumnezia im Bündner Oberland sowie das Engadin.

Wissenswertes zur Geschichte

Die Kartoffelwurst dürfte frühestens im späten 18. Jahrhundert zum ersten Mal hergestellt worden sein. Die Kartoffelwurst war damals ein Produkt der Hausmetzgete. Die Entwicklung der Kartoffelwurst dürfte aber als «Notrezept» verstanden werden. Das teure Fleisch musste mit den billigeren Kartoffeln gestreckt werden. Die Kartoffelwurst galt deshalb bis weit ins 20. Jahrhundert hinein auch als eine Art Barometer für den Wohlstand einer Familie. Je grösser der tatsächliche Muskelfleischanteil in der Wurst, umso wohlhabender die Familie. Es soll auch vorgekommen sein, dass man die Kartoffelwurst praktisch ohne Muskelfleisch produzieren mussten. So entstanden Würste, die neben Kartoffeln und Gewürzen lediglich Fett, Leber und Blut enthielten.


Das Bündner Alphüsli verkauft Kartoffelsalsiz in der ganzen Schweiz


Die Zugabe von Blut hatte vor allem den Zweck, die Kartoffeln dunkel einzufärben, so dass sie vom Fleisch kaum mehr zu unterscheiden waren, und man den Kartoffelanteil in der Wurst so zumindest optisch etwas kaschieren konnte. Die markantesten Unterschiede zwischen der ursprünglichen Hausproduktion und der heutigen, gewerbsmässigen Produktion sind beeinflusst vom veränderten Geschmack der Konsumenten. So enthält die Wurst heute kaum noch Leber. Die Beimengung von Kartoffeln zur Wurstmasse kam nicht nur im Bündnerland vor, sondern auch im Wallis, wo die klimatischen Bedingungen ähnlich sind.

Die Kartoffelwurst wurde früher im Alltag in der Familie gegessen. Gästen wollte man sie nicht auftischen. Für sie und für die Festtage war die bessere Sonntagswurst, die Andutgel bestimmt. Eine edlere Wurst-Version, die nur aus Fleisch und Speck bestand und nicht mit unedlen Zutaten gestreckt wurde. Heute ist die Kartoffelwurst zu einer Spezialität geworden. Heute wie damals isst man sie roh mit Brot zum Frühstück, als Zwischenmahlzeit oder zum Apéro. Sie kann als Fleischbeilage auch Gerichte wie Polenta, Maluns oder eine Suppenmahlzeit begleiten. Die Kartoffelwurst aus Hackfleisch, die gesotten wird, serviert man traditionell zu eingeweichten und erwärmten Dörrfrüchten.

Heute zählt die Kartoffelwurst in der Region Surselva für die einheimischen Metzgereien und Fleischtrocknereien zu den wichtigsten Produkten. In den meisten Geschäften werden sie, teilweise in dreistelliger Stückzahl, wöchentlich frisch hergestellt. Verkauft werden die Würste direkt in den Fleischtrocknereien und Metzgereien, sie sind aber auch in der regionalen Gastronomie und Hotellerie sowie in kleinen Lebensmittelläden oder Spezialitätenläden in der ganzen Schweiz erhältlich. Per Post wird ein nicht unwesentlicher Teil an Privatkunden in der ganzen Schweiz verschickt.

(Text: www.kulinarischeserbe.ch)
(gb)

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