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Report
Druckansicht16.12.2021
Kunst des Milch-Schäumens
Experten aus Wissenschaft und Praxis erklären die richtigen Methoden und welche Milchsorte sich am besten eignet. Milchschaum ist sogar ein Forschungsthema.


Früher studierten die Technologen, wie man das Schäumen der Milch vermeidet. Dann kam die Cappuccino-Welle, und sie wurden sich bewusst, dass die «Schaumschlägerei» bei der Milch auf andern Mechanismen beruht als jene des besser erforschten Schlagrahms. Dass der Proteingehalt die Schaumbildung fördert, wissen die Forscher seit langem, auch dass Fettzugabe den Schaum brechen kann (bestes Beispiel: Eigelb-Reste im Eiweiss-Schnee). Das Protein reichert sich an der Grenzfläche zwischen Flüssigkeit und Luftbläschen an, entfaltet sich und verhindert, dass die Luft entweicht. Diese Wirkung ist mit einem Emulgator vergleichbar, der die Feinverteilung von Ölen in Wasser stabilisiert.

Aber welche Rolle spielt das Milchfett? Schäumt UHT-Milch schlechter? Und welches ist die beste Aufschlagmethode? In Deutschland studierte die Bundesanstalt für Milchforschung in Kiel BAFM das Schäumen von Milch. Die Forscher in Kiel expermentierten und kamen zu Schlüssen, die sich mit einigen Praxiserfahrungen decken.

Cremig sei der Schaum

Die Gastronomie stellt hohe Ansprüche an die Qualität des Milchschaums. Er soll cremig und gleichmässig sein. Cremig ist er, wenn er nebst Luft den richtigen Anteil flüssiger Milch enthält. Ohne Flüssiganteil wird er trocken, sehr leicht, besitzt kaum Geschmack und ist zu steif für «Milk-Art»-Zeichnungen (erstes Bild).

Gemäss Erfahrungen des Milchfoamer-Herstellers Thermoplan ist ein 50:50-Verhältnis von Schaum und Milch ideal. Bezieht man Schaum von einem Schäumergerät und lässt ihn einige Sekunden stehen, trennt er sich etwa hälftig in Milch und Schaum. Dies geschieht auch nach dem manuellen Schäumen an der Dampfdüse.



Wie man einen cremigen Schaum an der Dampfdüse herstellt, beschreibt Kaffee-Experte Ingo Rogalla (Bild) in seinem Buch «Kaffee, Espresso & Barista». Dabei gibt es Nuancen, erklärt Rogalla: «Espresso Macchiato benötigt den kompaktesten, stabilsten Schaumtyp, Cappuccino einen etwas weniger festen, und für Caffe Latte verwendet man den feinsten, leicht flüssigen Schaum». Der festere Teil des Schaums fliesst beim Ausgiessen aus der Kanne zuerst aus.


Unerklärbarer Milchfett-Effekt

Mehr wissenschaftlich packten die Forscher von Kiel das Thema an und experimentierten mit Voll-, teilentrahmter und Magermilch. Sie stellten fest, dass «Magermilch das grösste Schaumvolumen ergibt, Vollmilch ein mittleres und teilentrahmte Milch überraschenderweise das kleinste. Auf die Stabilität hat der Fettgehalt aber keinen Einfluss».

Gastronomen bevorzugen teilentrahmten Milchdrink, aber laut Rogalla ist «Vollfett-, Halbfett- oder entrahmte Milch für die Konsistenz des Schaumes ohne Bedeutung. Selbst Sojamilch lässt sich schäumen. Natürlich unterscheiden sich die Milchsorten geschmacklich und die Entscheidung hängt von der persönlichen Vorliebe ab». Nicht das grösste Volumen ist für Kaffeegetränke erwünscht, sondern ein mittleres - eben der cremige Schaumtyp. Mit Magermilch wird der Schaum weniger cremig (da zu voluminös), dafür stabiler. Nur wenige Betriebe wie etwa Heime verwenden Magermilch aus Gründen der Ernährungspolitik.

UHT-Milch ist konstanter

Ob man UHT- oder Pastmilch verwendet, spielt gemäss den deutschen Forschern keine Rolle bei der Schaumbildung, aber die pasteurisierte weist je nach Molkerei Schwankungen auf. Pastmilch besitzt zwei weitere Nachteile: Sie wird rascher sauer, wenn man sie aus der Kühlkette herausnimmt oder sogar lauwarm auf der Theke stehen lässt. Und ihr Alter beeinflusst die Schaumbildung, fanden die Wissenschafter heraus: «Mit gelagerter Pastmilch entstand mehr Schaumvolumen, mit frischer dagegen stabilerer Schaum».


Nebst den Milchsorten testeten sie verschiedene Aufschlagmethoden und stellten fest, dass mit dem Schwingbesen ein stabiler und kompakter Schaum entsteht, jedoch mit einem Batterie-getriebenen Spiralrührer (Aerolatte) das grösste Schaumvolumen. Beide Methoden sind allerdings eher im Haushalt üblich und nicht mit den Techniken der Gastronomie vergleichbar. Profi-Geräte wie der Foamer von Thermoplan schäumen entweder warm gehaltene Milch mit Druckluft (Bild: Foamino). Oder die meisten Kaffeemaschinen schäumen kalte Milch mit Dampf bzw einem Gemisch von Dampf und Luft.

Luft schäumt besser

Schäumen mit Luft ist wirksamer ist als mit Dampf, denn Dampf kondensiert zu Wasser im Gegensatz zur Luft. Die Luft-Methode setzt aber voraus, dass die Milch heiss ist. Andererseits verdünnt man die Milch zwangsläufig beim manuellen Schäumen mit Wasserdampf im Gegensatz zur Luft-Methode um rund zehn Prozent laut Tests von Rogalla.

Ähnlich ist dies bei Kaffeemaschinen mit Cappuccino-Automatik. Nicht von ungefähr muss man dampfgeschäumte Milch im Verkauf als solche deklarieren. Und man darf maximal einen halben Liter auf einmal schäumen und dieselbe Milch nicht mehrmals. Geräte, welche die Milch bei 73 Grad warmhalten und mit Luft schäumen, beeinträchtigen zwar die Schaumbildung nicht, aber nach einigen Stunden wird die Milch elfenbein-farbig und nimmt Kochgeschmack an.

Das Temperatur-Dilemma

Die Forscher beschränkten sich nicht auf die Frage «warm oder kalt?» sondern ermittelten, welches die ideale Schäum-Temperatur ist. Ihre Studie zeigte, dass sowohl Volumen wie auch Stabilität des Schaums bei 50 Grad leicht höher sind als bei 70 Grad. Zuviel Hitze lässt die Proteine denaturieren und den Schaum zusammenfallen. Ab 75 Grad verklumpen gewisse Milchproteine, und es bildet sich eine Haut. Bild: Schäumen mit dem modernen Kaffeehalbautomaten Dalla Corte.


Rogalla empfiehlt daher 62 bis 65 Grad. Im Foamer von Thermoplan wird die Milch auf 73 Grad gewärmt. Bei Thermoplan begründet man dies mit einem Kompromiss: Man muss auch die hygienische Sicherheit beachten, und die geschäumte Milch darf den Kaffee nicht zu stark abkühlen. (GB)
(gb)

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