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Banane – Naturprodukt aber Wunder der Logistik
Zwei Wissenschaftlerinnen beschreiben die Frucht, so wie sie hierzulande zu kaufen ist, als ein Wunder der Logistik. Der Handel aber inszeniert sie für die Verbraucher als reines Naturprodukt.

Weshalb ist es möglich, ein so leicht verderbliches Gut wie die Banane unbeschadet um den Globus zu schicken? „Weil die Banane nach den Wünschen des Menschen technisch gestaltete Natur ist, ein Biofakt“, antwortet die Wissenschaftlerin Linda Hering. Die Banane hat zwar noch einen lebendigen, biologischen Anteil, aber der überwiegende Teil von dem, was unsere Super- und Biomarkt-Banane ausmacht, ist vom Menschen gemacht. Das hat zur Folge, dass in die Banane enorm viel technisches Wissen eingeschrieben ist unter anderem darüber, wie sie über den Atlantik transportiert werden muss, damit sie nicht verfault“, so Hering.

Die technische Gestaltung ist bei der Vermarktung der Banane jedoch nicht förderlich. Deshalb kommt ganz viel „Erntefrische“ beim Verkauf ins Spiel. Was es damit auf sich hat, dazu später. Aber auch ökologische und soziale Erwartungen wie die an einen nachhaltigen Anbau und faire Arbeitsbedingungen wirken auf die Frucht.

„Dass aus der Banane ein Biofakt wurde, ist das Ergebnis der vielfachen technischen Einflussnahme des Menschen an vielen unterschiedlichen Orten. Der Anbauort, der EU-Binnenmarkt mit seinen Verordnungen, die Anforderungen der Logistik und der Handel formen die Banane in ihrer Beschaffenheit, ihrer Materialität“, sagt Linda Hering, die am Sonderforschungsbereich „Re-Figuration von Räumen“ forscht. Zusammen mit ihrer Kollegin, der Geografin Julia Fülling von der Humboldt-Universität zu Berlin, untersuchte sie die karibische Banane im deutschen Lebensmitteleinzelhandel und definierte sie als ein Ergebnis des Wissens und Handelns verschiedener Akteure in verschiedenen Räumen.

Eine einzige Sorte dominiert den Markt

„Die in Europa angebotenen Bananen wachsen in Mittelamerika und in der Karibik, also vom Verkaufsort etwa 8000 Kilometer entfernt, da sie in Europa – abgesehen von Ausnahmen wie der Inseln Madeira und den Kanaren – nicht zu kultivieren sind. Damit das leicht verderbliche Obst in den Supermärkten Europas verkauft werden kann, sind viele Voraussetzungen zu erfüllen: Gesetzliche wie privatwirtschaftliche Standards der Samenproduzenten und der Einzelhandelsunternehmen vor allem aus dem globalen Norden geben vor, welche Sorte auf den Plantagen des globalen Südens am besten für den langen Transport und die Lagerung geeignet ist.


Bananenplantage in Ecuador


Aber auch dem Anbau als Monokultur muss die Bananensorte gewachsen sein. Denn Monokulturen sind für Schädlings- und Krankheitsbefall anfällig. Resistenz sowie Transport- und Lagerfähigkeit bestimmen also die Sortenauswahl wesentlich. „Allein diese drei Anforderungen haben dazu geführt, dass auf den Plantagen weltweit die Sorte Cavendish dominiert und es in Deutschland zum grössten Teil nur noch diese Standard-Sorte zu kaufen gibt“, sagt Linda Hering.

Die Cavendish-Banane trat Anfang der 1970er-Jahre die Nachfolge der Bananensorte Gros Michel an, die durch eine Pilzerkrankung nahezu vollständig vernichtet worden war. Die Cavendish ist eine gegen den Bodenpilz Fusarium oxysporum resistente Züchtung des Menschen.

Aber auch EU-Regelungen wie die Verordnung (EG) Nr. 2257/94 stellen Anforderungen an die Banane und bestimmen somit, welche Bananensorten auf den Plantagen in Kolumbien, Costa Rica, Ecuador und der Dominikanischen Republik angebaut werden. So muss laut dieser Verordnung eine in die EU eingeführte Banane mindestens 14 Zentimeter lang und mindestens 2,7 Zentimeter dick sein.

Günstig, makellos und immer verfügbar

Hinzu kommen die Erwartungen eines Teils der Verbraucher hierzulande. So wird zunehmend darauf Wert gelegt, dass beim Anbau und der Produktion soziale Standards eingehalten werden, die Plantagenarbeiter unter anderem fair bezahlt werden, der Anbau umweltschonend erfolgt und die Banane überhaupt das Produkt eines fairen Handels ist. Gleichzeitig haben sich die deutschen Verbraucher über die Jahre daran gewöhnt, dass die Banane günstig zu haben, makellos in ihrem Äusseren und immer verfügbar ist. „Auch diesem Spagat zwischen Ansprüchen an ein Massenprodukt und sich immer mehr individualisierenden Wünschen muss das Produkt Banane gerecht werden“, sagt Linda Hering.

Die Logistik – also der Transport, die Lagerung, die Bereitstellung und Verteilung – ist entscheidend dafür, dass in der Schweiz Bananen gekauft werden können. Angefangen mit dem Verpacken auf den Plantagen, über den Transport von dort zu den Häfen, wo sie mittlerweile hauptsächlich in Kühl-Containern auf Containerschiffe verladen werden, ihre Verschiffung innerhalb von 14 Tagen über den Atlantik in das niederländische Vlissingen, das als Drehscheibe für den Bananenimport in Nordeuropa fungiert, bis zu ihrer Verteilung in die Reifezentren der Länder, wo sie weiterhin in den Kühlcontainern gelagert werden, bis der Gross- oder Einzelhandel eine bestimmte Menge ordert – hinter all dem steht nicht nur ein enormer technischer Aufwand, inklusive der digitalen Kommunikationstechnologien.

Reifung auf Knopfdruck

In dieser gesamten Lieferkette verkörpert sich unter anderem unendlich viel Wissen über die biologischen Stoffwechselprozesse der Banane und über die auf sie Einfluss nehmenden modernen Technologien, die es ermöglichen, sozusagen auf Knopfdruck, das Reifen zu unterbrechen und wieder in Gang zu setzen. Denn damit die schnell verderbliche Banane nicht als brauner Matsch in der Frischeabteilung der Supermärkte liegt, muss sie grasgrün geerntet werden.

„Da sie das Reifegas Ethylen abgibt, wird 90-mal pro Stunde die Luft in den Kühlcontainern gewechselt; die Transporttemperatur liegt bei 13 Grad Celsius", erklärt die Soziologin. "So wird die Reifung während des Transports weitestgehend unterbunden. Sensoren überwachen die Parameter. Erst wenn sie in den Reifezentren angekommen ist und der Gross- oder Einzelhandel eine bestimmte Menge bestellt, wird exakt die bestellte Menge von einem Reifemeister angegast durch die Zugabe von Ethylen“. Ihre Reifung wird dadurch wieder angeschoben, und sie landet halbwegs gereift beziehungsweise angereift im Supermarkt.



Essfertig gereift


„Anstatt aber nun die Banane im Supermarkt als ein ‚Logistikwunder‘ zu präsentieren, preist sie der Handel, der dritte Akteur, von dem sie geschaffen wird, als ‚erntefrisch‘ an“, so Linda Hering. Dieses Adjektiv suggeriert Natürlichkeit. Die Banane wird als naturbelassenes Produkt inszeniert, obwohl sie genau das nicht mehr ist, sondern ein – wie beschrieben – durch viele Akteure am Anbauort und durch die Logistik erschaffenes Produkt. Aber diese Informationen bleiben verborgen.

„Bei unseren Untersuchungen stellten wir fest, dass der Handel bestimmte Informationen zum Anbau liefert, aber andere nicht. Informationen zur Logistik gibt es gar nicht. Sie werden offenbar nicht als etwas erachtet, was als verkaufsfördernd in Szene gesetzt werden könnte, obwohl die logistischen Abläufe für die Warenzirkulation essentiell sind“, sagt Linda Hering. Über einen QR-Code erhält der Kunde, wenn er möchte, Informationen über den Anbauort, einen Arbeiter und seinen Arbeitstag, ein Trinkwasserprojekt und einen geförderten Fussballverein, die beide aus einem der Supermarktkette eigenen Bananenfonds finanziert werden – umrahmt von Bildern weisser Strände und lateinamerikanischer Musik.

Doch der Ort des Trinkwasserprojektes und des Fussballvereins haben mit dem Anbauort der Banane, und ihr selbst, gar nichts zu tun. Über verwendete Pestizide und die angegaste Banane erfährt der Kunde nichts. Es würde die als erntefrisch gepriesene Banane und ihre Natürlichkeit ad absurdum führen. „Was wir anhand der Banane zudem herausarbeiten konnten, ist, dass die Räume – Anbauort, Logistik als Transitraum, und der Einkaufsort –, in denen die Banane erschaffen wird, aufeinander wirken und sich gegenseitig bedingen“, erklärt Linda Hering.

Dass die Banane verderblich ist, wirkt sich auf die Logistik aus (Beispiel angasen). Und die Tortur des Transportes und der Lagerung wirkt wiederum auf das Produkt und damit auf den Anbauort zurück, denn „um den globalen Handel im industriellen Massstab zu ermöglichen, werden die meisten Produkte, darunter auch Frischwaren wie Obst und Gemüse, im Hinblick auf ihre Sortenvielfalt, Form und Grösse stark homogenisiert, um sie so für die aufwändigen Logistikprozesse handhabbar zu machen und am Ort des Verkaufes Produkte in immer gleicher Menge und Qualität anbieten zu können“, schreiben Hering und Fülling.

Das wiederum zementiert die Monokulturen in den Anbauorten Mittelamerikas und in der Karibik, lässt Biodiversität schwinden, beschädigt Ökosysteme, läuft den Erwartungen an eine nachhaltige Produktion zuwider und macht Gütesiegel zu Animateuren des Verkaufens. (Humboldt-Universität Berlin)
(gb)

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