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Report
Druckansicht29.03.2019
Wieviel und welche Convenience in Restaurants?
Die diesjährige Hochgenuss-Tagung von Gastrosuisse hat sich dem Thema Convenience gewidmet (zugekaufte Halb- und Fertigfabrikate). Mehrere hochkarätige Referenten gaben den 150 Teilnehmern Kommentare ab und Tipps.


«Das Essen in der Gastronomie soll besser sein als zuhause», forderte Buchautor und Food-Historiker Dominik Flammer in seinem Referat.


Gastronomen sprechen kaum über die Verwendung von Convenienceprodukten. Aber Gastrosuisse machte sie zum Tagungsthema. Die diesjährige Hochgenuss-Tagung am 18.3.2019 in der Kartause Ittingen behandelte das Thema «Frisch oder Fertig». Fazit: Halbfertig- oder Fertigprodukte haben je nach dem kulinarischen Niveau des Betriebs durchaus ihre Berechtigung. Aber «Umfragen bestätigen den Trend zu hausgemachten Produkten», sagte Daniel Borner, Direktor von Gastrosuisse. «Für die Gastronomie ist es eine grosse Chance, wenn echtes Handwerk wieder mehr geschätzt wird. Doch auch Convenience-Produkte haben ihre Berechtigung.»

Ganz ohne Convenience kommt kaum ein Gastronom aus, man denke an Tomatenkonzentrat, Würzsaucen, Metzgerei- oder Konditoreiprodukte. Werden diese Produkte in hoher Qualität eingekauft, ist dagegen nichts einzuwenden. Von Convenience spricht man, wenn ein Profikoch ein Produkt einkauft, das er gemäss seiner Ausbildung selber herstellen könnte wie etwa Saucen, Teigwaren, Glace oder Burgerpattys. Auch wenn es Betriebe gibt, die sogar selber Würste und Brot herstellen, so sind dies keine Kochlehre-Themen und gelten nicht als Convenience. Ausserdem ist es eine Herausforderung, bei diesen Produktarten gute Metzger oder Bäcker qualitativ zu übertreffen, daher profitieren Gäste meistens mehr, wenn man ihnen eingekaufte Spitzenprodukte auftischt.

Die Gäste werden kritischer und wünschen vermehrt frische, gesunde und spezielle Speisen ohne Zusatzstoffe, die in Convenience teilweise vorkommen, etwa für die Haltbarmachung. Aber es gibt eine oft vernachlässigte Strategie: Der Betrieb kann selber in ruhigeren Zeiten vorproduzieren, d.h. In-house-Convenience herstellen. Er kann niederstufige Convenience selber veredeln oder zumindest abschmecken. Oder er kann bei einem externen Spezialisten Halbfabrikate nach seinem eigenen Rezept produzieren lassen, d.h. kundenspezifische Convenience. Diese muss sich nicht den Vorwurf gefallen lassen, in vielen Restaurants schmecke das Essen gleich. Hausgemachte Convenience ist daher kein Widerspruch. So kam auch der Gastrotechnik-Spezialist Rene Widmer von der Prorest zu Wort und erklärte wie Gastroköche Convenience herstellen und haltbarmachen können.

Prominenter Auftritt der Metzgerei Jenzer

Der 20-jährige Fleischfachmann Raffael Jenzer vom Familienbetrieb in Arlesheim/BL referierte souverän und schwungvoll über seine Maturaarbeit Ende 2016, mit der er den Kommunikationspreis des Schweizer Fleischachverbands SFF gewann: Er entwickelte erfolgreich eine «Coq au Vin»-Pastete aus heute verschmähten Stücken der Legehenne. Er will damit ein Zeichen gegen Foodwaste setzen und zeigen, dass die ausgedienten Legehenne (Suppenhuhn) schmackhaftes Fleisch liefert, und dass Mastpoulets ebenfalls verschmähte Lebern liefern.


Coq au vin Pastete der Metzgerei Jenzer


Raffael Jenzer und sein Lehrkollege Tobias Baumann kreierten aus Legehennenfleisch und Pouletleber die Pastete somit als kulinarisch und ökologisch sinnvolle Spezialität. Auch für den Pastetenteig verwenden sie kein ökologisch umstrittenes Palmöl sondern Schweinefett vom Freilandschwein. Die Farce enthält 41% Legehennenfleisch, 6% Pouletleber, Poulethaut, Weisswein, Äpfel, Steinsalz, Gewürze, Milcheiweiss, Senf, Hefeextrakt und Natriumnitrit und ist veredelt mit Cognac. Der Teig besteht aus Weissmehl, Schweinefett, Butter, Wasser und Kochsalz. Der Verkaufsreis der Pastete ist ähnlich wie jener der Kalbfleischpastete. «Seit 2017 verwertete die Metzgerei Jenzer 9000 Suppenhühner und verkaufte 21000 Pasteten», so Jenzer stolz.

Der Hintergrund dazu: Schweizer Konsumenten verwenden heute gern magere Kurzbratstücke, aber ein Suppenhuhn, welches man während Stunden kochen muss, ist nicht mehr beliebt. In der Schweiz werden von den zwei Millionen Legehennen rund ein Drittel nicht mehr gegessen sondern zu Biogas verarbeitet, obwohl sie schmackhaftes Fleisch liefern. Auch die Pouletleber war früher eine beliebte Beilage zu Salat, heute jedoch schreckt sie viele Konsumenten ab.


Von links: Christoph und Barbara Jenzer, Moderatorin Zita Langenstein, Raffael Jenzer.


Nebst Raffael Jenzer beantworteten auch Vater Christoph und Mutter Barbara Fragen zu ihrem Convenience-Hit auf der Hochgenuss-Bühne. Und beim Mittagessen durften sich die Teilnehmer mit Coq au vin-Pastete verköstigen und weiteren Jenzer-Spezialitäten: Entenleberpastete mit Trüffel, Lachspastete und Hauspastete nach Grossvaters Rezept. Da im Sommer zuwenig Nachfrage nach Leber besteht und sie schon im Schlachthof entsorgt werden muss, verarbeitet sie Jenzer gezielt zu schmackhaften Produkten wie zB Leberknödel, Bauernterrine oder Streichleberwurst.

Suppenhühner haben mehr Aroma

Eine Kundenbroschüre der Arlesheimer Metzgerei erklärt, dass das Suppenhuhn nicht alt oder zäh ist sondern Fleisch von bester Qualität liefert. Kaum ein anderes Fleisch sei so kräftig, fettarm, schmackhaft, hochwertig und dazu so preisgünstig. Ein weiteres Anti-Foodwaste-Produkt von Jenzer, das die Tagungsteilnehmer degustieren durften, sind die neuen Chicken Sticks, als proteinreicher Powerfood beworben: Aus Legehennen-Hackfleisch, verfeinert mit Apfelstücken, Ahornsirup und Chili, zu Sticks geformt und kalt geräuchert. Und Jenzers Currywurst besteht zu 100% aus Legehennenfleisch ohne Schweinefleisch. Sein Pouletbraten ROYAL enthält Legehennenfleisch anstelle von Trute aus Importfleisch. Diese raffinierte Spezialität wird mit Honig überbacken.

Jenzer nutzte auch die Gelegenheit, um die zahlreichen Gastronomen im vollen Tagungssaal zu überzeugen, als Friture für Pommes wieder Rinderfett zu verwenden, wie es früher üblich war. «Belgische Pommes frites gelten als die Besten der Welt, weil sie in geschmolzenem Rindsfett gebacken werden», so Jenzer. Weiderinder, die vor allem Gras statt Kraftfutter fressen, bilden Fett mit hohem Omega-3-Fettsäurengehalt. Und es ist problemlos hocherhitzbar.

Jenzer kritisiert dabei den «3-fachen Wahnsinn: Wir müssen in der Metzgerei heute unsere wertvollen Fettabschnitte verbrennen lassen, was C02-Emissionen verursacht. Bis vor 30 Jahren dagegen wurden Blätter- oder Kuchenteige immer mit Schmalz hergestellt. Durch die Umstellung auf vegetarische Fette entstand ein ökologischer Blödsinn. Zur Produktion von Palmfett wurden riesige Flächen Regenwald abgeholzt. Die Palmölplantagen sind Monokulturen, welche grosse Probleme verursachen». (GB)

Stichworte: .Gastronomie:, .Metzgerei:
(gb)

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