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Edel sei der Kakao – und auch die Milch
Der Trend geht bei Schokoladen weiterhin zu herkunftsreinen Edelkakaosorten, aber es gibt auch neue Herstellprozesse für sensorische und sogar gesundheitliche Verbesserungen.

Neben Konsumkakao, der an der Börse gehandelt wird, gibt es Edelkakao. Dieser zeichnet sich durch seinen Geschmack aus, der fruchtige, holzige, nussige, blumige und andere komplexe Noten enthält. Dieser Kakao wird meist für Premium-Schokoladen verwendet. Über die Jahrzehnte ging der Anteil von Spezialitätenkakao am Gesamtmarkt zurück, nach Schätzungen der International Cocoa Organization (ICCO) beträgt er noch 5%. Dies berichtete die NZZ am 7.1.2017. Als Grund gibt die Organisation den Trend zu gefüllten Schokoladen an – die dominierenden Geschmacksnoten kommen dabei von Nüssen, Früchten oder zugesetzten Aromen und weniger vom Kakao selber. Allerdings gibt es in den vergangenen Jahren auch einen Gegentrend zu hochwertigen und hochpreisigen Schokoladen.



«Edel sei der Kakao, hilfreich und gut» (frei nach Goethe – nicht die Person auf dem Bild)


Im Gegensatz zu Konsumkakao wird Edelkakao nicht an Börsen gehandelt; die Schokoladenproduzenten sichern sich ihren Nachschub, der häufig auf ein entsprechendes Rezept abgestimmt ist, direkt bei den Produzenten. Verschiedene Schokoladenhersteller versuchen generell ihren Kakao direkt von den Produzenten statt über die anonyme Börse zu beziehen. Mit direkten Beziehungen können sie sich nicht nur ihre benötigten Mengen in der gewünschten Qualität sichern. Auch haben sie eine bessere Kontrolle darüber, ob Auflagen, wie zum Beispiel betreffend Kinderarbeit, in ihrer Lieferkette eingehalten werden.


Kakaos haben nicht nur Terroir-Aromen sondern auch gesunde Gerbstoffe, die man bereits bei der Fermentation der frischen Samen im Anbauland steuern kann.


Während Jahren bestand die Innovationen bei Schokoladen und Couverturen vor allem in neuen Produkten aus herkunftsreinen Kakaos (pure Origins). Dies im Gegensatz zum früheren Konzept, mehrere Provenienzen zu mischen, um einen ausgewogenen, standardisierten Geschmack zu erzielen möglichst ohne Rohstoff-bedingte Schwankungen. Dass Kakaos ähnlich wie Kaffees oder Weintrauben Terroir-Charakter haben und Konsumenten diesen wie beim Wein attraktiv finden können, entdeckten die Marketingstrategen erst später.

Herkunftsreine Kakaos wurden bei Premiumschokolade zum Erfolgsfaktor, weil die Unterschiede in der Tat gross sein können, wie man an den sensorischen Beschreibungen des Pure Origin-Couverture-Spezialisten Max Felchlin auf seiner Website www.felchlin.com sieht. Doch nun sind die Anbaugebiete weitgehend ausgeschöpft und andere Innovationen gefragt. Auch Zucker und Milchpulver sind wichtige Schokoladerohstoffe und bieten ein Suchfeld für innovative Neuheiten. Ferner gibt es technologische Innovationen, bei denen einzelne Prozessschritte stark verbessert werden, sei es bei Rohstoffen oder in der Schokoladeherstellung.

Ein prominentes Beispiel war vor vier Jahren die neue «blonde» Schokolade des französischen Edelcouvertureherstellers Valrhona. Diese «Dulcey» (Bild) ist zwar nicht wirklich blond nach Coiffeur-Massstäben aber beige-hellbraun und deutlich unterscheidbar von einer hellen Milchschokolade. Damit entstand eine neue Sorte neben weissen, Milch- und dunklen Schokoladen. Der Geschmack weist eine dezente Caramelnote auf und ist gemäss Werbung «biscuitartig, cremig und dezent in der Süsse».

Dulcey besitzt 32% Kakaobestandteile (ausschliesslich Kakaobutter, keine Kakaomasse) und einen Anteil Butter, der für die Cremigkeit sorgt. Deklaratorisch ist es somit eine weisse Schokolade. Farbe und Geschmack stammen von caramelisiertem Milchpulver und das Attribut «blond» von einem talentierten Werbetexter.

Das innovative daran ist die neue Farbe ohne Zusatz von Farbstoff, und ein neuer Geschmack ohne Zusatz von Aroma - nur dank der Maillardreaktion im Milchpulver. Diese von Patiswiss in der Schweiz vertriebene Neuheit wurde schnell imitiert. Camille Bloch bietet heute analoge Produkte an, und bei CARMA / Barry Callebaut steht die ähnliche «Gold Quintin»-Couverture im Angebot, welche jedoch eine intensivere Caramel-Note aufweist und gemäss Corinne Spoerli, Trade Marketing von Carma nicht «blond» sondern «gold-farbig» ist.

Schneeweiss und rabenschwarz

Die Farbe von Couverturen war auch an der FBK 2017 ein Thema: Carma lancierte «Black Zabuye», die ihre rabenschwarze Farbe alkalisiertem Kakaopulver verdankt, und natürlich dem hohen Kakaogehalt von 83%. Durch Alkalisieren mit Carbonatsalz kann man die Kakaofarbe von rötlich bis schwarz stark verändern, allerdings neutralisiert man dabei auch die angenehmen Frucht- und Gärungssäuren und der Terroircharakter des Kakaos geht verloren, ähnlich wie wenn man einen Grand cru zu Glühwein verkocht.

Die «Black Zabuye» enthält neben dem alkalisierten Kakaopulver weitere Kakao-Komponenten, welche gemäss Spoerli «zu einem eindrucksvollen positiv überraschenden Geschmackserlebnis führen». Insbesondere die Farbnote ist beeindruckend und eignet sich für attraktive Dekors. Carma offeriert auch das Gegenstück dazu, die schneeweisse Couverture «White Nuit Blanche» aus Schweizer Rahm- und Milchpulver.


Von goldgelb bis rabenschwarz: die Farbe von Couverturen wird zum Suchfeld für Innovationen.


Innovationen sind auch bei andern Schokoladerohstoffen möglich, sei es durch einen neuartigen Rohstoff oder innovative Varianten bei bestehenden wie Zucker und Milchpulver. Patiswiss AG stellte an der FBK 2017 die neue Fruchtcouverture Inspiration Mandel von Valrhona vor, bei der ein Teil des Zuckers und des Kakaobutters durch Mandelmasse ersetzt ist und vor allem ohne Milchpulver. Sie enthält wie weisse Couverture keine Kakaomasse und besteht aus 30% Kakaobutter, 31% rohen Mandeln und 38% Zucker. Der Gesamtfettgehalt (Kakao- und Mandelfett liegt bei 41%). Die Farbe ist hellbraun-beige. Sie eignet sich gut für Cremen und Ganache und könne wie Schokolade verarbeitet werden. Im Herbst ist gemäss Julia Stuber von Patiswiss AG eine weitere Innovation von Valrhona in der Kollektion „Inspiration“ geplant, die «Fruchtcouverture Erdbeere aus 100% natürlichen Zutaten».

Bereits bei der Lancierung einer doppelt fermentierten Couverture definierte Valrhona neue Grenzen für Schokolade. Nachdem die erste Kakao-Fermentierung abgeschlossen und die Schokoladearoma-Vorläufer im Kakao gebildet sind, wird ein weiterer Rohstoff hinzugegeben, um eine zweite Fermentationsphase einzuleiten. Die Experten von Valrhona hatten die Idee, zuckerreiches Fruchtmark (Passionsfrucht, Banane, Orange) zu verwenden. Dieses verleiht dem Kakao und den daraus hergestellten Couverturen einen neuen aromatischen Charakter.

Emotionaler Mehrwert

Generell sind Neuheiten nicht immer sensorisch fokussiert sondern bieten einen funktionellen oder emotionalen Mehrwert, Stichworte: gesund, naturrein, ohne Zusatzstoffe (Clean Label) und ohne Allergene. Diese «Free from»-Produkte für Personen mit Allergien oder Lebensmittelunverträglichkeiten stehen im Trend und werden immer mehr angeboten, auch bei Süsswaren.

Zwei Beispiele von Barry Callebaut, dem Mutterkonzern von Carma: Die Firma stellt eine lactosefreie Alternative zu Milchschokolade her aus Magermilchpulver mit dem «marktweit niedrigsten Lactosegehalt», was einen höheren Milchpulveranteil in der Rezeptur ermöglicht. Und Barry Callebaut lancierte im 2011 eine Schokolade der Marke «Sweet by Fruits», deren Süsse allein aus Äpfeln und Trauben stammt (ohne Zusatz von raffiniertem Zucker).

Bei der Milch geht der Trend zu hochwertigem Milchpulver aus Heumilch. Gras bzw Heu ist das natürliche Urfutter für Kühe und verleiht der Milch einen gesundheitlichen Mehrwert. Heumilch wird ohne vergorenes «Silofutter» produziert. Heumilchkühe fressen im Sommer Gras und im Winter Heu sowie Getreideschrot. «Dies wirkt sich auf die Milchqualität aus. Bei der Rohmilch ist die Veränderung im Geschmack entsprechend dem Futter im Wandel der Jahreszeiten deutlich zu erkennen. Zudem verfügt Heumilch über einen hohen Anteil an gesunden Omega 3-Fettsäuren», informiert der im 2016 gegründete Verein Heumilch: «Denn je höher der Artenreichtum der Futterkräuter, umso besser das Aroma und die Qualität der Rohmilch».

Fliessender Übergang zu Marketinginnovation

Einer der Couverturehersteller, der diese Heumilch verwendet ist Max Felchlin und schreibt dazu auf seiner Website www.felchlin.com: «In Zusammenarbeit mit der UNESCO Biosphäre Entlebuch beziehen wir die hochwertige Heumilch aus dem Biosphäre-Gebiet exklusiv für die Herstellung dieser edlen Heumilch-Couverturen». Die weisse Bergheumilch-Couverture «Opus Blanc Lait de Terroir 35%» von Felchlin sei eine Grand Cru Couverture mit Heumilch aus der Biosphäre Entlebuch und Kakaobutter aus der Dominikanischen Republik. Und seine Milchcouverture «Opus Lait de Terroir 38%» sei eine Grand Cru Couverture mit Edelkakao aus Sambirano / Madagascar und ebenfalls Heumilch aus dem Entlebuch.


Heumilch ist die Grand cru der Milchsorten aber schmeckt man die Kräuter noch nach der Verarbeitung zu Schokolade?


«Der Milchgeschmack ist deutlich näher bei Rohmilch», sagt Felchlin-Chef Christian Aschwanden über die Heumilch. Auch wenn sie Aromaverluste erleidet beim Verarbeiten zu Milchpulver, darf diese Neuheit als Rohstoff-Innovation mit Marketingwirkung gelten. Aber besonders wenn sie für kakaohaltige Couverturen verwendet wird, benötigen die Konsumenten einen feinen Gaumen, um die Heunoten neben dem dominanten Kakao herauszuschmecken.

Und der Zusammenhang zwischen Futter und Omega-3-Fettsäuren ist multifaktoriell: «Studien zeigen, dass der Omega-3-Gehalt zunimmt, wenn die Kuh viel Futter von artenreichen Wiesen frisst oder der Kraftfutteranteil stark reduziert ist», sagt Andreas Bosshard von der Agrarvereinigung «Vision Landwirtschaft». Ob auch der Verzicht auf Silofutter einen positiven Einfluss auf den Omega-3-Fettsäurengehalt der Milch hat, ist umstritten, aber man vermeidet dabei Fehlaromen.

Gesündere Schokolade?

Omega-3-Fettsäuren sind unbestritten gesund, auch wenn wohl kein Ernährungsberater empfiehlt, den Bedarf mit Schokolade zu decken. Aber es gibt andere gesunde Stoffe in Schokolade: Polyphenole bzw Gerbstoffe, die im Kakao vorkommen und somit besonders reichlich in hochprozentiger dunkler Schokolade (mit hohem Kakaoanteil). Diese ist zwar im Trend aber die Mehrheit der Konsumenten bevorzugt nach wie vor die mildere Milchschokolade mit einem kleinen Kakaoanteil.


Gerbstoffe des Kakaos sind gesund aber stiften auch einen adstringierenden Geschmack.


Wissenschaftler der North Carolina State University versuchen daher auch Milchschokolade mit diesen sekundären Pflanzenstoffen anzureichern gemäss einem kürzlich erschienenen Bericht des Journals of Food Science. Und zwar so, dass sie nicht bitter wird. Dazu nutzen sie die dünne Haut von Erdnüssen. Sowohl Kakao als auch die Erdnusshaut sind reich an Polyphenolen, die im Körper unter anderem antioxidativ wirken. In einer Degustation mit 80 Probanden war Vollmilchschokolade mit und ohne Erdnusshautextrakt gleich beliebt. Von einer Markteinführung ist diese Labor-Schokolade allerdings weit entfernt. Noch sei nicht geklärt, ob sie tatsächlich einen messbar höheren Gesundheitswert hat. Und ob die Polyphenole der Erdnusshaut phyiologisch ähnlich gut verfügbar sind. Auch das allergieauslösende Potenzial des Extrakts muss getestet werden, schreiben die Forscher.

Neu an diesem Projekt ist, Milchschokolade gesünder zu machen, denn für dunkle gibt es seit 2005 eine ähnliche Methode, die Barry Callebaut entwickelte: Acticoa-Schokolade (Bild) mit einem auf rund 2% Kakao-Flavanole in der Schokolade angereichterten Gehalt. Es ist die erste Schokolade, die mit einem gesundheitsbezogenen Hinweis beworben wird. Seit 2012 darf folgender Health Claim verwendet werden: „Kakao-Flavanole helfen die Elastizität der Blutgefässe zu erhalten, was zu einer normalen Durchblutung beiträgt." (www.acticoa.com).

Acticoa-Schokolade enthält laut Firmenangaben einen Viertel mehr als normale dunkle Schokolade, allerdings ist auch ihr Kakaoanteil mit 72 Prozent sehr hoch. Sie schmeckt daher ziemlich bitter, leicht adstringierend und nur wenig süss – in der Tat fast eine «bittere Medizin». Barry Callebaut erklärt, ein spezielles patentiertes Verfahren entwickelt zu haben zur Verlust-Minimierung der wertvollen Polyphenole. Verluste entstehen vor allem bei der Fermentation der Kakaobohnen. Ein Teil des verwendeten Kakaos ist deshalb unfermentiert – dies erklärt den adstringierenden Beigeschmack. (GB)
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