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Fleisch «gabelzart» garen
Metzgermeister und Kochbuchautor Wener Wirth hat eine neue Version seines Bestseller-Buches «Gabelzart» geschrieben. Leseproben über Fleischreifung und ein Rezept für pochierte Pouletminifilets.

Metzgermeister und Kochbuchautor Wener Wirth (Bild) hat altbewährte Theorien auf den Kopf gestellt und die Niedrigtemperatur-Methode revolutioniert: Das Fleisch kommt zuerst in den Ofen und dann auf den Herd. Mit seiner Zubereitungsmethode bleibt der Saft wirklich im Fleisch und es wird so zart, dass man es mit der Gabel zerteilen kann.

Sein neues Buch ist kürzlich im Verlag Weltbild erschienen, beschreibt eine muskelgerechte Behandlung des Fleisches und verspricht weniger Gewichtsverlust, Energie- und Reinigungsaufwand, viel zarteres Fleisch, und die wertvollen Vitamine bleiben erhalten. (Text: Weltbild. Erstes Bild von Arthur Rossetti)

«delikatessenschweiz» präsentiert drei Leseproben. 1. Ein von Prof. Dr. Karl-Otto Honikel geschriebenes Kapitel über die Fleischreifung:

Die Muskelfasern verdichten sich nach der Schlachtung und machen das Fleisch hart. Man nennt das Totenstarre. Erst mit der Zeit lösen sich die Eiweisse des Muskels wieder und werden weich. Es ist wichtig, dass zartes Fleisch zum Schnellgaren gut gereift - auch abgehangen genannt - in die Pfanne oder auf den Grill kommt. Suppenfleisch kann dagegen bereits wenige Tage nach der Schlachtung zubereitet werden. Die Reifung des Fleisches ist für den Geschmack und die Zartheit ausserordentlich wichtig. Am Ende des Reifungsprozesses steht der Verderb. Je kürzer vor dem Verderb Sie Fleisch à la minute zubereiten, desto grösser sein Genuss!

Die Dauer der Reifung des Fleisches hängt einerseits von der Umgebungstemperatur und der Verarbeitungshygiene, andererseits aber auch von der Grösse des Muskels und vom Verwendungszweck ab. Hackfleisch ist ganz fein zerkleinert und hat daher eine extrem grosse Oberfläche. Deshalb verdirbt es innerhalb weniger Stunden. Ein grösseres Bratenstück ist hingegen bei 2 °C problemlos für eine Lagerzeit von einigen Wochen dankbar.

Durch den Reifeprozess verändert sich auch das Fleischaroma. Bei vakuumverpacktem Fleisch entwickelt sich ein Milchsäurearoma, das beim Suppenfleisch nicht erwünscht ist. Deshalb sollte Fleisch zum Sieden nicht länger als eine Woche gelagert werden. Ein feines Entrecôte macht hingegen erst nach drei bis fünf Wochen richtig Freude.


Fleischreifung im Vakuumbeutel


Wild, das mehrere Stunden tot im Fell im ungekühlten Zustand verbleibt, kann weniger lang gelagert werden als ein sofort gekühltes und ausgeweidetes Tier. Dieses Verfahren (Faisandage) macht den speziellen Geschmack, der zartes Fleisch garantiert. Leider wird Fleisch besonders für den Verkauf in Selbstbedienungsläden viel zu kurz gereift. Ideal sind etwa vier Wochen bei Kurzbratstücken von Rind und Kalb und circa eine Woche bei Schweinefleisch.

Aber der Reifung des Fleisches vor dem Verkauf sind (enge) Grenzen gesetzt. Nicht umsonst stellte Professor Honikel bei einem Vortrag an der Universität Bern fest: „Was der Anbieter während fünf Wochen vor dem Verkauf in der Kühlung macht, hat viel mit Stapelung und wenig mit Reifung zu tun.“

Enzyme reifen das Fleisch

Enzyme sind natürliche, fleischeigene Proteine, die für die Zartheit des Fleisches verantwortlich sind. Sie funktionieren ähnlich wie Bakterien: Bei tiefen Temperaturen sind sie stillgelegt und arbeiten nicht, bei hohen Temperaturen werden sie schnell deaktiviert. Der Gesetzgeberverlangt für die Fleischlagerung Temperaturen von 0 bis 2 °C. Bei diesen tiefen Temperaturen können die Enzyme nur wenig wirken, und die Reifezeit dauert dadurch sehr lang. Deshalb ist es wichtig, dass Sie Fleisch früher einkaufen und ihm vor dem eigentlichen Garen Wärme schenken.

In Entwicklungsländern, in denen oft Kühleinrichtungen fehlen, läuft dieser normale enzymatische Prozess viel schneller und unkontrollierter ab als bei uns. Dies ist auch der Hauptgrund dafür, dass in solchen Ländern Fleisch sehr frisch verkauft und im Restaurant nur in vollständig durchgegartem Zustand angeboten wird.



Fleisch mit viel Fetteinlage muss man bei mind. 120 Grad Grilltemperatur garen, sonst läuft das Fett nicht aus.



2. Muskelgerechte Behandlung

Optimalen Genuss bekommt man aber nur, wenn auf eine möglichst sanfte Art den unterschiedlichen Bedürfnissen der einzelnen Muskeln Rechnung getragen wird. Was heisst das?

Mageres Fleisch vom Hinterviertel muss beim Garen nur verkleben. Dies geschieht mit einer Kerntemperatur von etwa 50 °C, also genügt eine äusserst sanfte Heizflächentemperatur von 55 °C. Der Saftverlust dabei ist sehr gering.

Fleisch mit viel Fetteinlage (Kalbsbrust, Schweinehals) muss mit 120 °C gegart werden, damit das Fett ausläuft, das Wasser verdunstet und das verbleibende Bindegewebe - ergibt die Grieben - für ultimativen Genuss sorgt.

Fleisch mit Bindegewebe und Sehnen verlangt nach einer Gartemperatur von 70 °C über sehr lange Zeit. So werden Sehnen in Gelatine umgewandelt und sorgen für Genuss.

Röstaroma durch das Anbraten des Fleisches ist sinnvoll und kann nur erzielt werden, wenn eine Fettauflage vorhanden ist. Je später dies im Garprozess erfolgt, desto kleiner der Schaden durch die nötigen hohen Temperaturen.

Je kleiner ein Fleischstück, desto anspruchsvoller die Zubereitung, weil alles so schnell geht. Ein Steak ist viel einfacher und besser zuzubereiten als ein dünnes Stück Schnitzel.



Poulet-Minifilets nach Aargauer Art. In der Rahmsauce pochiert werden sie besonders zart



Rezept für Poulet-Minifilets nach Aargauer Art:

500 g Pouletminifilet
1 EL säurehaltige Marinade
1 EL Sojasauce
1 EL Maisstärke
1/2 Schalotte
Salz
2 EL Olivenöl
250 g Champignons
4 cl Cognac
1/2 Würfel Hühnerbouillon
1 EL Saucenfond-Konzentrat
150 g Kochsahne
Schwarzer Pfeifer
Etwas Zitronensaft

Filet in 1 cm dicke Würfel schneiden. Marinade, Sojasauce und Maisstärke miteinander vermischen, das Fleisch damit gut vermengen, mit Klarsichtfolie abdecken und bei Zimmertemperatur ruhen lassen.

Schalotte schälen und fein hacken. Mit einer Prise Salz in1 EL Olivenöl weich dünsten.

Champignons putzen, in Scheiben schneiden und dazugeben. Cognac, Bouillonwürfel, Saucenfond-Konzentrat und Sahne hinzugeben und alles kurz aufkochen lassen.

Mit Pfeffer, Salz und Zitronensaft abschmecken.

Fleisch in drei Portionen unterteilen, in 1 EL Öl ultrakurz anbraten und die Fleischstücke mit zwei Gabeln voneinander abtrennen. Kurz wenden und in der heissen, aber nicht kochenden Sauce für etwa 3 Minuten ziehen lassen. Der Bratprozess sollte kürzer als 40 Sekunden dauern!

Gut zu wissen: Das Innenfilet ist der zarteste Muskel des Hähnchens und verlangt nach einer besonders sanften und kurzen Garzeit.





Gabelzart
von Werner Wirth
128 Seiten,
Masse: 16 x 22 cm,
Verlag Weltbild www.weltbild.ch
25 einfache Rezepte und schöne grossformatige Bilder.


(gb)

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