Foodfachzeitung im Internet
Donnerstag, 26. Dezember 2024
Report
Druckansicht05.04.2008
Schweizer Biowein: vom Stiefkind zum Vorzeigeobjekt
Lange hatten Bio-Weine keinen guten Ruf. Doch das ist Vergangenheit. Heute produzieren einige Bio-Weinbauern Spitzenweine. Ein Beispiel aus der Zürcherischen Weingemeinde Erlenbach, wo es nur Biorebbau gibt.



Anfang April 2008.Riesling-Sylvaner Spätlese 2007 vom Turmgut Erlenbach ZH. Abgefüllt

Vor 20 Jahren begann eine Hand voll Winzer ihre Rebberge naturnah zu pflegen. Heute produzieren Bio-Weinbauern Spitzenweine. Ein Beispiel: Markus und Barbara Weber vom «Turmgut» in Erlenbach/ZH erhielten im letzten Jahr für Ihren Riesling-Sylvaner 2006 eine hohe Auszeichnung des Grand Prix du Vin Suisse: Ihr Wein wurde in seiner Kategorie mit dem 2. Preis ausgezeichnet und zählt damit zu den besten Schweizer Weinen überhaupt. Zusätzlich erhielt derselbe Wein das Prädikat «Bester Bio-Wein der Schweiz».

Wie wurde aus einem belächelten Stiefkind ein preisgekröntes Vorzeigeprodukt? «Das Qualitätsbewusstsein aller Schweizer Winzer ist in den letzten 20 Jahren stark gestiegen», sagt Markus Weber. «Eine neue Generation Rebbauern hat sich das technische Rüstzeug im In- und Ausland geholt. Dazu kommt, dass Konsumentinnen und Konsumenten einheimische, ehrliche Weine wieder mehr schätzen als designte Produkte aus Übersee».

Ein ehrlicher Wein fängt bei Markus Weber (Bild) selbstverständlich im Rebberg an. Sorgfältigste Pflege rund ums Jahr ist das A und O für eine optimale Qualität. Im Winter werden die Reben zu 90 Prozent zurück geschnitten und in Bögen an Drähten aufgebunden. Der Rebschnitt ist eine hohe Kunst, und jede einzelne Rebe muss individuell geschnitten werden. Der zweite Schnitt im Mai beeinflusst die Qualität des späteren Weines stark. Den ganzen Sommer über ist der Bio-Weinbauer mit dem so genannten Auslauben beschäftigt. Von den Rebstöcken werden so viele Blätter wie möglich entfernt, denn die wachsenden Trauben brauchen viel Sonnenlicht. Die bessere Belüftung durch den Wind schützt die empfindliche Traube vor Pilzbefall. Im Hochsommer ist die nächste beherzte Tat gefragt: das grosszügige Herausschneiden der Trauben, die so genannte Grünlese. Die richtige Menge Trauben und ihre optimale Reife, auch dies gehört zum Erfolgsrezept für einen Bio-Wein der Spitzenklasse.


Nach der Wümmet, der Weinernte im Herbst, ist das technische Know-how von Markus und Barbara Weber gefragt. Der Gärprozess vom Traubensaft zum Wein muss sorgfältig überwacht werden. Während des Gärprozesses darf dem künftigen Bio-Wein bei Bedarf nur Sauerstoff beigefügt werden, sonst nichts. Deshalb steigt Markus Weber während dieser Zeit jeden Tag auf seine Fässer, um mit der Nase aus nächster Nähe die fortschreitende Gärung zu überwachen. Danach wird der Wein in Stahltanks, im Holzfass oder im Barrique (Bild) bis zu einem Jahr ausgebaut, bevor er in Flaschen abgefüllt wird.

Was macht einen Bio-Wein so besonders?

Die Umsetzung des biologischen Grundsatzes verlangt eine sanfte Bewirtschaftung des Bodens unter Berücksichtigung der natürlichen Standortgegebenheiten wie Klima, Eigenheiten des Geländes und Bodenart. Durch die Förderung von biologischen Lebensgemeinschaften im Weinberg baut sich oberirdisch und im Wurzelbereich ein selbst regulierendes Ökosystem auf. Um das natürliche biologische Gleichgewicht nicht zu schädigen, werden im Bio-Rebbau keine leichtlöslichen Dünger eingesetzt. Durch Einsaaten zwischen den Reihen oder Dauerbegrünung (Wiese) wird eine vielfältige Flora gefördert, die auch dem Erosionsschutz dient.

Der Pflanzenschutz ist im Bio-Weinbau ein wichtiges Thema. Von Frühling bis Ende des Sommers werden die Trauben mit Netzschwefel vor Echtem Mehltau geschützt. Gegen den Falschen Mehltau setzen Bio-Winzer Tonerdepräparate und das Spurenelement Kupfer ein. Im Bio-Weinbau dürfen pro Jahr und Hektare maximal vier Kilogramm Kupfer benutzt werden, also eine sehr geringe Menge. Ein Vorteil von Kupfer ist, dass der Pilz keine Resistenzen bildet.

Mit Piwis gegen Krankheiten

Noch besser als Kupfer ist kein Kupfer. Der Biolandbau macht grosse Anstrengungen zur weiteren Reduktion. Spezialisten des Forschungsinstitutes für biologischen Landbau (FiBL) arbeiten international an der Entwicklung von alternativen Pflanzenschutzmitteln (z.B. Pflanzenextrakte). Eine wichtige Rolle spielen aber auch pilzwiderstandsfähige Rebsorten, so genannte Piwis. Dabei handelt es sich um Kreuzungen zwischen Europäerreben und pilzresistenten amerikanischen oder asiatischen Arten. Diese Traubensorten tragen Namen wie Johanniter, Solaris, Saphira, Seyval blanc (Weissweine) und Regent, Léon Millot, Maréchal Foch oder Cabernet Jura (Rotweine). Die Piwis sind gegen die Pilzkrankheiten Echter oder Falscher Mehltau, denen eine ganze Traubenernte zum Opfer fallen kann, praktisch resistent. Auch Markus Weber hat Erfahrungen mit Piwis gesammelt: Es sind langsam wachsende Traubensorten, die sehr aromatische Weine hervorbringen.


Das Turmgut in Erlenbach ZH (Bild)

Zum Turmgut von Markus und Barbara Weber gehören 3,5 Hektar Rebberge in den Zürcher Gemeinden Erlenbach, Herrliberg, Küsnacht und Meilen. An bester Lage mit ausgezeichnetem Mikroklima gedeihen die Traubensorten Riesling-Sylvaner, Räuschling, Pinot noir, Sauvignon blanc, Viognier, Syrah, Schwarzer Erlenbacher, Diolinoir und Carminoir und verschiedene Piwi-Sorten von Valentin Blattner. In Herrliberg wachsen Reben der Piwi-Sorte Cabernet Jura. Markus Weber hat das Weingut 1994 gegründet und die Reben von verschiedenen Eigentümern gepachtet u.a. von den Gemeinden Herrliberg, Erlenbach und Küsnacht. 1999 stellte er den ganzen Betrieb auf biologische Produktion um. Der Betrieb wird als Weingut mit Eigenkelterung bezeichnet, d.h. dass von der Traubenproduktion über die Kelterung bis zur Vermarktung alles auf dem gleichen Betrieb und nach der gleichen Philosophie abläuft. Die Hälfte ihrer Weine verkaufen Markus und Barbara Weber an Privatkunden in der Region, ein Drittel dem Handel, der Rest wird in Restaurants genossen.

Text: Bio Suisse. Bilder: foodaktuell.ch.

Report – die neuesten Beiträge
20.12.2024
dSchweizer Schaumweine: Qualität und Potential
12.12.2024
dJetzt Pasteten und Terrinen auf den Teller
03.12.2024
dEmotional statt industriell: Zukunft von Schweizer Käse
25.11.2024
dEdle Kulturpilze: Teil 2
18.11.2024
dWelche Backwaren gesund sind und warum
10.11.2024dSchokoladen und Branchli im Kassensturz-Test
01.11.2024d Edle Kulturpilze: Teil 1
25.10.2024dMarkt und Wettbewerb der Alpenprodukte in Stans
18.10.2024dMehr Nüsse essen
11.10.2024dSwiss Cheese Awards: Schweizer Käsemeister gekürt
06.10.2024dWeihnachtsgebäck schon im Oktober?
25.09.2024dDie offiziell besten Metzgereien 2024
19.09.2024dPflanzlicher Milchersatz: umweltschonend aber nährwertärmer
08.09.2024dSchokoladeimitationen ohne Kakao im Trend
01.09.2024d Warme Schärfe dank Wasabi und Ingwer
21.08.2024dBrombeeren – wilde schmecken intensiver
14.08.2024dGlacesorten, -macharten und -trends
07.08.2024dFeige: Eine der ältesten Früchte der Welt
31.07.2024dEin Hoch auf Schweizer Bier
24.07.2024dJetzt hochwertige Beeren richtig verarbeiten
17.07.2024dFleisch kontra Ersatzprodukte - gesundheitlich betrachtet
10.07.2024dJetzt Aprikosen verarbeiten: Frische Vielfalt
03.07.2024dWie wird selbst gemachte Glace cremig?
26.06.2024dBio und Fleischersatz stossen an Grenzen
19.06.2024dMultitalente Blumenkohl und Romanesco
12.06.2024dNeuartige Kaffeealternative mit regionalen Rohstoffen
05.06.2024dHochverarbeitetes oft ungesund aber nicht immer
29.05.2024dGelungene Beefsteak-Imitation von Planted
22.05.2024d Food-Handwerker mit wissenschaftlichen Ambitionen
15.05.2024d(Un)sinn von Süssstoffen zum Abspecken
©opyrights ...by ask, ralph kradolfer, switzerland