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Druckansicht07.12.2012
Schweden kulinarisch betrachtet
In den vergangenen zehn Jahren hat Schweden bei der Esskultur grosse Fortschritte gemacht. Mitte Oktober 2012 wurde das schwedische Koch-Nationalteam an der Koch-Olympiade sogar Weltmeister. Die Schwedische Küche ist währschaft und verwendet viel Seafood und Wild.


Kreation des schwedischen Nationalkochteams mit Rentier-Entrecôte


Die schwedische Küche zeichnet sich dadurch aus, dass sie viele lagerfähige Lebensmittel nutzt. Die Vegetationsperiode, während der Obst und Gemüse geerntet werden kann, ist in Schweden kurz, weshalb im Sommer vieles für die kalten Monate haltbar gemacht wird. Schwedische Rezepte beinhalten währschafte Hausmannskost mit viel Lachs, Randen, Kartoffeln und Zwiebeln. Eine Besonderheit ist Rentier- und Elchfleisch.

Wenn in Schweden gefeiert wird, darf das Schwedenbuffet Smörgåsbord nicht fehlen (wörtlich übersetzt Butterbrot-Tisch). Es besteht aus kalten und warmen Speisen und beginnt mit Graved Lachs, Rauchlachs, eingelegtem Hering und geräuchertem Aal.

Zum Hauptgang werden warme Gerichte angeboten wie Köttbullar, Rippchen, Würste, Gratiniertes und Omeletts. Dazu gibt es Bratkartoffeln und Sauce sowie kalten Aufschnitt und variierende Knäckebrot- und Frischbrotsorten mit Butter. Zum Schluss werden Käse und Cracker serviert sowie ein Dessertbuffet mit Früchten und Kuchen.



Lachs am Smörgåsbord im Zürcher Restaurant Au Premier


Apropos Knäckebrot: dies ist ein erfolgreiches schwedisches Exportprodukt. In Europa bekannt ist die Marke WASA sowie die Schwedenbrötchen von Pagen, knusprig durchgetoastete Kleinbrote, bei uns oft als brotiger Notvorrat verwendet. In Schweden mit seinem feuchten Klima ist es wie in England üblich, Brot zu toasten.

Schwedisches Wild für Gourmets

Rentier- und Elchfleisch zeichnet sich wie alles Fleisch von Wildtieren durch einen geringen Fettanteil aus. Dank der Lebensweise in der freien Natur und der abwechslungsreichen Nahrung besitzt es Wohlgeschmack. Das zarte Rentierfleisch mit seinem dezenten Wildgeschmack zählt zu den weltbesten Wildarten, vor allem Filets und Racks. Es ist dunkel, feinfaserig und mit 1 bis 4 % Fett mager.



Währschaftes Schwedisches Gericht mit Rentierfleisch


In Schweden wird Elch vor allem in ländlichen Regionen und im Herbst/Winter konsumiert, dann ist das Fleisch frisch zu einem höheren Preis erhältlich, ganzjährig sonst gefroren und preislich mit Rindfleisch vergleichbar. Rentier dagegen ist in Wildrestaurants und Gourmetshops üblich und wird sogar günstig im Supermarkt verkauft. In Nordschwedischen Familien ist es alltäglich, im Süden eher bei festlichen Anlässen und touristischen Aktivitäten. Im Herbst/Winter kommt das Fleisch frisch auf den Markt. Auch reinsortige Elch- bzw Rentier-Wurstwaren werden hergestellt.

Schwedisches Wild in der Schweiz

Elch und Rentier wird seit Jahren auch in der Schweiz verkauft und vor allem in der gehobenen Gastronomie angeboten. Beide Tiere haben bei den Konsumenten einen Sympathiebonus (ebenso wie Wild im Allgemeinen dank seiner natürlichen Lebensweise). Das Rentier ist bekannt als Zugtier für den fliegenden Schlitten des Weihnachtsmannes, und der Elch ist das Maskottchen von IKEA.

Ein Schwedenwild-Importeur ist Casic, die Comestibles-Einkaufsgenossenschaft. Die Casic-Mitglieder beliefern Metzgereien und Gastronomen. Michel Comestibles beispielweise bezieht Rentier und Elch vom Schwedischen Produzent Polaris. Es ist ganzjährig gefroren im Angebot und von Oktober bis Januar auch frisch. Vom Rentier gibt es Filet, Entrecôte, Schlegel, Schulter und Schnitzel, vom Elch Filet und Entrecôte. Bei verarbeiteten Produkten steht geräucherter gekochter TK-Rentierschinken im Angebot.

Rentierschinken und Elchburger

Bei Delicarna ist vom Elch Entrecôte, Filet und Bäggli im Angebot, vom Rentier Rücken, Racks, Schlegel, Schnitzel und Entrecôte. Dies ebenfalls ganzjährig TK und von Oktober bis Dezember frisch. Auch in Schweden geräucherter Rentierschinken ist erhältlich. Delicarna beliefert die Gastronomie via Grosshandel.



Kein echter Lappe sondern ein Schweizer Comestibler in Lappentracht mit einem Teller schwedischer Spezialitäten.


«Viele Gastronomen setzen heute Exotisches auf die Speisekarte», so Delicarna-Chef Werni Tschannen. «Schwedisches Wild ist ein Nischenprodukt aber mit stabiler Nachfrage». Elch schmecke ein wenig kräftiger, und die Zubereitung entspreche unserem Wild. Übrigens plant Delicarna die Lancierung von Moschusochs-Fleisch, ein Wild des hohen Nordens aber kein Rind sondern zur Familie der Ziegenartigen gehörend. «Es schmeckt intensiv aber nicht aufdringlich, ist sehr schmackhaft und zart», so Tschannen.

Auch bei Traitafina steht schwedisches Wild ganzjährig gefroren im Angebot: Elchfilet sowie vom Rentier Racks, Entrecôtes, Filet, Schnitzel, Geschnetzeltes und Gulasch. Im Herbst stellt Traitafina auch Elchburger her. Besonders zur Grillzeit und im Herbst beliefert Traitafina damit die Gastronomie.


Kreation des schwedischen Nationalkochteams mit Elchsteak


Schweden hat Mitte Oktober an der Koch-Olympiade IKA in Deutschland fast alle Titel gewonnen. Das schwedische Koch-Nationalteam lag in den vergangenen zehn Jahren weltweit in Führung in der Mannschafts-Gastronomie mit vielen Goldmedaillen von der Olympiade der Köche und der Koch-WM. Als Vorreiter für das kulinarische Schweden setzt das Team ausschliesslich auf heimische und im kleinen Rahmen produzierte Rohstoffe.

Wissenswertes über Rentier und Elch

Eine Besonderheit der Rentiere ist ihre Resistenz gegenüber dem arktischen Winter, wenn die Temperaturen bis auf -30 Grad sinken. Dank ihrem dichten Fell trotzen sie der Kälte, und mit ihren gespreizten Hufen können sie durch hohen Schnee laufen und nach Futter unter der Schneedecke graben. Es sind genügsame Tiere, ohne die der Mensch in den Wintern nördlich des Polarkreises kaum überleben könnte.

Rentiere machen auf der Futtersuche lange Wanderungen, die Herden leben aber heute teilweise halbwild. Sie werden nicht gefüttert aber gelten als Privatbesitz. Von den Samen, einem Stamm der Lappen in Nordskandinavien werden Rentiere traditionellerweise wie Haustiere gehalten. Von den in Schweden lebenden 300.000 Tieren werden jährlich 90.000 geschlachtet. Einen Teil verzehren die Lappen selbst und rund 2700 Tonnen werden in Schweden konsumiert oder in den Rest der Welt exportiert. Durch die steigende Nachfrage gibt es jährlich Lieferengpässe.

Nach der Rückkehr von ihrer Wanderung in die Dörfer der Besitzer im Frühling und Sommer werden sie in den Schlachthof getrieben. Zunächst schlachtet man im September die weiblichen Tiere. Bei den männlichen wartet man das Ende der Brunftzeit ab, da die Brunft-Hormone die Fleisch-Qualität beeinträchtigen. Von Mitte Dezember bis Februar werden die Ren-Böcke geschlachtet. Die Tiere werden durch Nacken-Schuss betäubt und wie bei uns im Schlachthof üblich geschlachtet. Der Tierkörper wird im Kühraum mehrere Tage abgehängt und dann zerlegt. Danach wird das Fleisch meistens gefrostet. Aufgrund des niedrigen Fettgehaltes kann Rentier-Fleisch bis zu zwei Jahren gefroren gelagert werden.

Elch dagegen ist echtes Wild und wird vom Jäger geschossen. Die Elchjagd hat in vielen Regionen Tradition, und vor der Erfindung des Gewehrs war sie riskant. Die traditionelle Jagdzeit fiel in die Brunftzeit, während der erregte Elche auch Menschen angriffen. Während ein Jäger sich gegenüber einem Bär im Notfall mit dem Dolch wehren kann, ist diese Waffe bei einem Elch, der mit wuchtigen Hufschlägen angreift, wirkungslos. Die Hufe haben sehr scharfe Vorderkanten. Da den Elchen in Schweden die natürlichen Fressfeinde wie Wolf und Bär heute zum grossen Teil fehlen, richten die 300.000 Tiere schwere Schäden im Wald an. Deshalb werden allein in Schweden jedes Jahr bis zu 90.000 Tiere geschossen. (Text: GB, Nils und Lena Åsheim, Mikael Akerhielm, Schwedisches Kochnationalteam)
(gb)

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