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Druckansicht17.07.2010
Macher und ihre Produkte in Graubünden
In der Schweiz gibt es viele traditionelle regionale Spezialitäten und auch Innovationen – Produkte, mit denen findige Hersteller Schweizer Rohstoffe in den Mittelpunkt setzen. Beispiele aus Graubünden: Bergkäse, Capricornbrot und Fleisch/Wurstwaren, letztere von Ex-Mister Schweiz Renzo Blumenthal.


Zahlreiche Besucher durften in sechs Käsereien der Sortenorganisation Bündnerkäse einen Blick hinter die Kulissen des Bergkäsereihandwerkes werfen. Die Besucher erhielten in den Käsereien in Bever, Brigels, Lumbrein, Müstair, Vals und Vicosoprano einen Einblick in das Leben der Käsereifamilien sowie in die Käseproduktion. Neben den Käsereiführungen boten die Sennereien den Besuchern Brunchs und Apéros an.


An zehn Standorten bringen in diesen Tagen Bündner Käsereien den Besuchern die einzigartige Käsereitradition des Bündnerlandes näher. Alle 13 Käsereien der Sortenorganisation Bündnerkäse liegen auf über 1‘000 Höhenmetern. Auf dieser Höhe ist das Käsen extensiv, meist Sache eines Klein- oder Familienbetriebs. Der Alltag in der Bergkäserei ist arbeitsintensiv, vor allem in den Winter- und Frühlingsmonaten, wo saisonbedingt die grösste Milchmenge anfällt. Die handwerkliche Produktion geschieht in enger Verbundenheit mit der Natur. Eng sind auch die Beziehungen zu den Milchbauern in den verschiedenen Bündner Tälern, die ihre Milch den Käsereien liefern.



Martin Bienerth, Affineur der mehrfach national und international prämierten Käserei Andeer GR mit seinem Andeerer Rustico. Notabene: Er bezahlt mehr für die Milch von nicht enthornten Kühen.



Wertschätzung der alpinen Spezialitäten erhöhen

Das Bergprodukte-Programm alpinavera sieht in Anlässen wie dem Tag der offenen Bergkäserei eine Chance, um Produkte aus dem Berggebiet bei den Konsumenten sichtbar und erlebbar zu machen. Ziel ist es, dass sie die gesamte, aufwändige Käseherstellung, sprich die Milchproduktion bei den Bauern und Landwirten sowie die handwerkliche Verarbeitung und Lagerung in den Bergkäsereien nach traditionellem Rezept kennen und schätzen lernen.

Die Konsumenten werden darauf sensibilisiert, dass die Aufrechterhaltung des Bündner Käsereihandwerks Arbeitsplätze sichert und damit die regionale Wirtschaft stärkt. Zudem soll aufgezeigt werden, welchen Beitrag Bauernfamilien und sonstige Produzenten im Berggebiet zum Erhalt der alpinen Kulturlandschaft beitragen, was wiederum die Wertschätzung der alpinen Spezialitäten erhöht.
(Text: alpinavera)

Der Bündner Bergkäse mit dem Steinbock im Label ist das Produkt der Sortenorganisation Bündnerkäse (SOBK) mit Sitz in Chur, des genossenschaftlichen Zusammenschlusses verschiedener Bergmilchproduzenten und -verarbeiter aus Graubünden.

Die Sortenorganisation Bündnerkäse vertritt die Interessen ihrer Mitglieder, die sich aus Milchproduzenten, Käsereien und Händlern zusammensetzt. Sie sorgt für die Vermarktung und ein faires Preisgefüge unter den Mitgliedern. Die Mitglieder der SOBK verwenden für Bündner Bergkäse nur Bündner Berg-Milch, die den Bio-Kriterien entspricht (und teilweise biozertifiziert ist). www.buendnerkaese.ch

Beispiel 2: Ende 2007 gründete Renzo Blumenthal, Ex-Mister Schweiz und Biobauer in Vella GR, sein eigenes nach ihm benanntes Label. Als erstes Produkt lancierte er Bio-Trockenwürste: Andutgel und Schwarzwurst, mit Knoblauch oder Krauseminze ohne E-Nummern. Es folgten weitere wie Rohschinken, Speck, Renzo Bier (herb mit Caramelnote), Blumenthaler Bio-Bergkäse oder Konfitüre mit Bio Knospe sowie die Salatsauce „Heublumen Duft“. Bestellen kann man sie auch in seinem Webshop renzo-blumenthal.ch.


Renzo Blumenthal präsentiert in der Zürcher Älplibar
seine Labelprodukte, wo sie auch verkauft werden.

Verarbeiter für seine Biowürste ist Heinis Metzg in Ilanz GR. Ausserdem arbeitet er mit der Lenzburger Grossmetzgerei Traitafina zusammen, welche mit seinem Fleisch die Renzowurst herstellt und nach seinem Rezept die Salatsauce.


Bündner Sonntagswurst Andutgel, Marke «Renzo Blumenthal».


Der Brot gewordene Stolz des Bündner Wappentiers.

Beispiel 3: Fragt man den Churer Zuckerbäcker Arthur Bühler was die Kundschaft beim "Paun Capricorn" am meisten anspricht, dann muss er nicht lange überlegen: "Es ist die Form. Die meisten Leute finden das Horn originell." Und das sagt er nicht nur, weil er die Form erfunden hat. Sondern weil es stimmt: Wo auch immer man dieses Brot auftischt, stets wird es zum Blickfang. Bühler zeigt mit flinken Bewegungen wie der Teig zum Horn wird: Zuerst formt er ein spitzes Dreieck, es folgen neun Einschnitte mit der Schere, und dann biegt und drückt er, bis alles passt. Oblate drauf, mit Mehl bestäuben und fertig ist das Horn.


Paun Capricorn, Steinbockbrot, bockstark aber nicht steinhart. Capricorn ist das rätoromanische Wort für Steinbock. Das Brot ist eine im 2008 lancierte Innovation des Berg-Regionalprogramms alpinavera: Mehlmischung aus Bio-Berggetreide, handwerklich produziert in der Form eines Steinbockhorns.


Es sieht schön aus. Und genau das ist das Risiko, wie Jasmin Said Bucher, die Geschäftsführerin der Vermarktungsorganisation Alpinavera erzählt: "Kurz nachdem wir das erste Brot präsentiert hatten, kamen Leute in Bühlers Laden und fragten, ob er für sie auch so etwas machen könnte." Da klingelten bei Said Bucher die Alarmglocken. Noch am selben Tag liess sie es beim Eidgenössischen Institut für geistiges Eigentum läuten und beantragte "Designschutz". Wer das symbolisierte Horn, egal ob nach rechts- oder nach links gebogen, aus Brotteig, Zuckerwatte, Wurst oder welchem Lebensmittel auch immer, nachahmen will, der wird sich noch 25 Jahre gedulden müssen.

Die Idee zur Form mag Bühler wie der Blitz gekommen sein. Bis zum fertigen Brot dauerte es jedoch ein wenig länger. Eineinhalb Jahre hat Alpinavera getüftelt, geprobt und geforscht, bevor erstmals ein Brot in der speziell breiten Tüte über den Ladentisch wanderte. Denn mit der Form allein war es nicht getan. Said Bucher: "Die Form weckt auch Erwartungen. Und die muss der Geschmack erfüllen." Von Anfang an war klar, dass es kein Spezialbrot werden sollte, sondern ein Alltagsbrot; aber eines, das nicht alltäglich daherkommt.


Bühler backt nur Hörner, die nach rechts gebogen sind: "Das ergibt eine positive Richtung. Ich kann einfach nicht anders." Irgendwann fiel ihm dann ein, dass der Steinbock nach links schaut, wenn das Horn nach rechts zeigt. Das machte ihn nachdenklich, allerdings nur kurz. Denn er weiss, dass die Richtung beim Steinbockbrot so oder so stimmt. (Bild von Martin Bienerth).


Zusammen mit dem Bündner Bäckermeisterverband wurde eine Mehlmischung entwickelt die kräftig schmeckt, aber nicht allzu kernig ist. Im Mai 2009 folgten dann zehn Tage Markttest: An der Bündner Messe HIGA konnte das neue Brot getestet werden. Mehr als tausend Besucherinnen und Besucher fanden das Brot bockstark: Das Charakterbrot schmeckte ihnen nicht nur, sondern es begeisterte.

Seinen würzigen Geschmack verdankt es seinem Rohstoff der zu hundert Prozent aus Bündner Bio-Berggetreide besteht (ohne Zusatzstoffe). Wieviel Weizen, Gerste, Roggen die Mischung als Mehl, und wieviel als fein gemahlener Schrot enthält, ist geheim. Der Fokus war von Anfang an klar: Es sollte etwas entwickelt werden, das in der Region, aus der Region und für die Region hergestellt wird. Und die Wertschöpfung sollte vollumfänglich dort bleiben, wo der Rohstoff herkommt: Im Bündnerland.

"Paun Capricorn" kommt gut an.

Seit der Lancierung im Dezember letzten Jahres wurden bereits 4'775 kg Mehlmischung und 18'500 Oblaten geliefert, das reicht für 18'500 Brote. Das mittelfristige Ziel, 10 bis 15 Tonnen Mehl pro Jahr auf diesem Weg zu verarbeiten, dürfte schon im ersten Jahr erreicht werden. Denn die Zahl der Bäcker, die mindestens einmal pro Woche dieses Brot anbieten hat sich soeben von 10 auf 16 erhöht. Ideen für weitergehende Absatzkanäle sind zwar vorhanden. So haben z.B. die "Capricörnli", eine Mini-Variante des Capricorns, das Potential in der Gastronomie bei Aperos oder beim Buffet zu brillieren.

Doch alpinavera-Chefin Said Bucher strebt erst einmal eine Konsolidierung des aktuellen Zustands an. "Der Gastrobereich wäre eine völlig andere Dimension." Auch von Seite der Getreideproduzenten will man nicht übertreiben. Maria Egenolf, die Geschäftsführerin von Gran Alpin ist mit der Nachfrage nach dem Capricorn Mehlmischung sehr zufrieden. Bei einem massiven Ausbau könnte sonst der Roggen limitierend werden: "Wir hatten zwei schlechte Jahre bei der Roggenernte und müssen da erst noch Lösungen finden." Bild: Arthur Bühler.

Ob die Lösung im Anbau von winterfesteren Sorten, in der Verwendung alter Sorten oder gar in der Umstellung auf Sommerroggen liegt, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Capricorn ist für Egenolf ein Aufsteller. Denn dank diesem Brot ist sie mit dem Bäckermeisterverband ins Gespräch gekommen, das hat unter anderem dazu geführt, dass die Neukreation der Churer "Alpenstadttorte" nun mit Gran Alpin Weissmehl hergestellt wird.

Der Brotmarkt ist ein spezieller Markt, denn die Vielfalt ist riesig. Zuckerbäcker Bühler schätzt, dass es mehrere hundert Brotsorten in der Schweiz gibt. "Es kommen ständig neue hinzu und verschwinden wieder welche." Auch Bühler produziert nicht nur Brot in Hornform; sein Repertoire umfasst 15 bis 20 Sorten, das variiert je nach Wochentag und Jahreszeit. Doch das Paun Capricorn liegt ihm besonders am Herzen.
(Text: LID / Eveline Dudda)

Delikates aus den Bergen

Der Verein Alpinavera fördert die Vermarktung von Alp- und Bergprodukten mit dem Ziel, die Wertschöpfung zu steigern und Arbeitsplätze im Berggebiet zu sichern. Die Mitglieder sind Lebensmittelhandwerker, Bauern und Bäuerinnen aus den Kantonen Graubünden, Uri und Glarus. Alpinavera hat aktuell rund 250 Partner und vermarktet über 360 zertifizierte Produkte, welche einen Umsatz von 70 Millionen Franken jährlich generieren.

Gran Alpin ist eine Genossenschaft zur Förderung des Biologischen Bergackerbaus in Graubünden. Pro Jahr vermarktet Gran Alpin derzeit rund 400 Tonnen Bio-Berggetreide, davon sind 100 Tonnen Braugerste, von 72 Getreideproduzenten. Das Sortiment umfasst Weizen, Roggen, Dinkel, Gerste, Hafer, Buchweizen und Hirse. Der Anbau auf den meist kleinen Flächen ist aufwändig, der Ertrag stark witterungsabhängig, reich werden die Bauern dabei nicht. Dafür bereichert der Getreidebau das Landschaftsbild. Das Berggetreide ist dank der intensiveren Sonneneinstrahlung nachgewiesenermassen besonders gehaltvoll.
www.alpinavera.ch
www.granalpin.ch
(gb)

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