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Donnerstag, 26. Dezember 2024
Report
Druckansicht26.10.2007
Welcher Wein zu welchem Brot?
Mariages sind im Trend: Kaffee mit Schokolade oder Schokolade mit Edelbrand, Rauchlachs mit Kaviar, Käse mit Wein und Brot und viele mehr. Bei einer Mariage kommt es natürlich drauf an, wer wen heiratet. Kein Walliser Dôle würde einem Bündner Fleisch schöne Augen machen.



Heiraten ist «in», auch bei Lebensmitteln. Gourmets sprechen von «Mariage».

«Wer mit wem» ist weitgehend Sache individueller Vorliebe, und manchmal geht es eher ums bewusste sensorische Erleben eines komplexen Geschmacks. Man beschreibt Weine als blumig, schmalbrüstig oder vollbusig und Olivenöle als fruchtig, grasig oder bitter, um nur ein paar wenige einer Vielzahl von Assoziationen zu erwähnen. Auch Brot, Käse, Rohwurst, Tee und Kaffee haben solche Vokabulare, die jedoch fast nur Experten kennen. Nicht alle Sorten dieser Lebensmittel haben wirklich ein komplexes Aroma sondern vor allem die lange gereiften fermentierten und die Terroir-geprägten (beim Wein kumulieren sich beide Effekte). Aber diese verdienen eine sensorische Inszenierung und eine ausgeklügelte Mariage, oder bei besonders edlem Charakter einen Soloauftritt.

Findige Marketingstrategen aber auch voraus denkende Produzenten erklären ihren Kunden, welche ihrer Produkte zu welchen Partnerprodukten passen und warum. Das sensorisch bewusste Erlebnis einer gelungenen Mariage schafft Mehrwert, und dieser fördert den Verkauf. Ein Beispiel ist die Holzofenbäckerei Lehmann, die mit dem Weinfachmagazin Vinum gemeinsam die Konsumenten für die komplexen Brot- und Weinaromen und deren Harmonie sensibilisieren will. Auch Michael Kleinert, Brotexperte und Dozent an der Hochschule Wädenswil appelliert an die Bäckerschaft, ein komplexes Brotaroma in der Werbung gezielt zu inszenieren.



Holzofenbäckerei Lehmann: Mariage von Wein und Brot. Das dezente Hausbrot aus Weizenruchmehl harmoniert mit einem einem feinen, blumigen, fruchtigen Riesling-Sylvaner oder einem Pinot Noir Salgesch mit Waldbeer- und Feuersteinnote.

Eine Anleitung zum kombinierten Genuss von Andreas Lehmann, INhaber der Holzofen-Biobäckerei

Wie bei allen Verbindungen von Lebensmitteln/Speisen und Wein hängt die Harmonie auch bei Brot & Wein-Paaren von verschiedenen Faktoren ab. Um diese gezielt einsetzen und möglichst oft glückliche Mariagen herbeiführen zu können, braucht es ein wenig Kenntnis der beiden Partner.

Riechen: Als Weinfreund pflegen Sie regelmässig, mal mehr oder weniger intensiv, mal hingebungsvoll oder nur flüchtig, am Wein zu riechen. Machen Sie dasselbe auch beim Brot (oder bei Käse und vielen weiteren Nahrungsmitteln, die Sie mit Wein kombinieren...)! Ähnlichkeiten und Übereinstimmungen im Duft zweier Vermählungspartner können, müssen aber nicht auf eine glückliche Mariage hinweisen.

Immerhin weisen parallel vorhandene, gleichartige Duftkomponenten aber bereits in eine Richtung, die gefühlsmässig in der Regel gut ankommt. Manchmal sind es aber auch gerade Gegensätze, die viel versprechend scheinen. (Zum Beispiel, wenn ein buttrig-opulenter Geruch ausgesprochen frischen, zitrusähnlichen Duftkomponenten gegenübersteht: Hier besteht die Chance, dass der säuregeprägte Wein zum sättigenden Brot genau das Richtige ist.)

Sinnvolle und unpassende Kombinationen in Kürze

Säure + Säure: kumulieren sich = spitzer, säuerlicher Eindruck, oft unschön
Säure + Süsse : je nach Intensität: positive Ergänzung & Ausgleich oder unangenehmer, unvereinbarer Kontrast
Säure + Bitterkeit: herb
Säure + Salz: meistens unproblematisch
Säure + Umami: meistens unproblematisch; pikant-würzige Wirkung (Umami ist der fünfte Geschmack für etwas Bouillonartiges)

Süsse + Süsse: kann, bei ähnlichen Süssegraden, apart sein
Süsse + Bitterkeit: oft sehr interessante, harmonische Verschmelzung, trotz Kontrasten
Süsse + Salz: schwierige, aber nicht unmögliche Verbindung; hängt von den Intensitäten ab
Süsse + Umami: spannende Verbindung möglich, wenn gleichzeitig Säure da ist; ansonsten evtl. platt
Bitterkeit + Bitterkeit: ungeeignet
Bitterkeit + Salz: eher schwierig
Bitterkeit + Umami: bei moderatem Bitterton und gleichzeitigem Vorhandensein von wenig Süsse, evtl. auch Säure und Salz, kein Problem, im Gegenteil
Salz + Salz: Die (geringe) Mineralsalzigkeit, die einigen wenigen Reb- bzw. Weinsorten eigen ist, fällt bei kulinarischen Kombinationen nicht ins Gewicht

Kulinarische Mariagen können zu verschiedenen Resultaten führen:

1. Die Partner passen nicht zusammen: Es entstehen unschöne aromatische und/oder geschmackliche Eindrücke (z.B. Graugeschmack, Bitterkeit etc.); Disharmonie; Dominanz bestimmter Komponenten.

2. Die Partner passen halbwegs zusammen: Die Kombination lässt nichts Neues entstehen; die Partner gehen keine richtige Verbindung ein, bleiben unverändert nebeneinander bestehen. Neutrale, vielleicht etwas nichtssagende Allianz.

3. Die Partner passen gut zusammen: Beides zusammen schmeckt, macht Spass.

4. Die Partner passen sehr gut zusammen: Die Mariage ist perfekt geglückt, es entsteht etwas Neues, eine zusätzliche aromatische und/oder geschmackliche Dimension. Macht enorm Spass.
(gb)

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