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TREND: Was und wie wir in Zukunft essen werden

Food Trends sind keine statischen Phänomene, sie befinden sich in einer permanenten Evolutionsschleife. Sie verstärken oder präzisieren sich, stagnieren oder werden schwächer. Sie differenzieren sich aus oder sie fusionieren zu neuen Trends, in denen andere Merkmale an zentraler Bedeutung gewinnen. Angestossen durch technische Innovationen, soziale und kulturelle Impulse können sie zudem eine gänzlich neue Dynamik entwickeln. Food Trends lassen sich als eine Suchbewegung in unserer Esskultur verstehen. Sie spiegeln sowohl die Sehnsüchte der Konsument:innen als auch den für Landwirtschaft, Lebensmittelproduktion, Handel und Gastronomie relevanten Wertewandel wider.

Plant-based und Cultured-Meat Produkte

Der Hype um pflanzliche Produkte scheint nachzulassen, doch die Branche steht eigentlich erst am Anfang. Während einige Pioniere wie Beyond Meat Rückschläge erlitten, haben sich andere wie Redefine Meat gut etabliert. Durch eine verbesserte Technologie kommen pflanzliche Alternativen dem Original immer näher. Insbesondere hochpreisige Markenprodukte überzeugen durch Qualität, sind aber oft zu teuer für viele Konsumenten. Für diese Zielgruppen drängen günstigere Eigenmarken grosser Lebensmittelunternehmen in den Markt – dies wiederum bremst Innovationen aus und schränkt die Produktvielfalt ein. Die sensorisch minderwertigen und zusatzstoffreichen Produkte könnten Konsumenten abschrecken und das Marktpotenzial einschränken.

Pflanzlichen Fleischersatzprodukten erwächst in Zukunft noch von einer weiteren Seite Konkurrenz: Cultured Meat als Food Trend. Trotz vielversprechender Zulassungen für diesen Bereich stehen Unternehmen vor Herausforderungen wie der Kommerzialisierung und hohen Produktionskosten. Der Energieaufwand und seine klimatischen Vorteile konnten bislang nicht ausführlich nachgewiesen werden.

Der Trend zu pflanzlichen Fleischalternativen löst freilich auch Gegentrends aus. Carneficionados und Vegourmets meiden Fleisch aus standardisierter, industrieller Produktion ebenso wie Plant-based Food. Was bei pflanzlich orientierten Gourmet-Restaurants heute auf den Teller kommt, hat so gut wie nichts mit veganen Ersatzprodukten zu tun. Spitzenköchen geht es nicht darum, mit ihren Gerichten den Geschmack von Fleisch zu imitieren, vielmehr kreieren sie aus Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchten und Kräutern originäre Speisen, bei deren Genuss niemand das Tierische vermisst.

Von Re-use Food über Zero Waste bis Circular Food

Lebensmittelverschwendung und Food Waste sind zentrale Themen für nachhaltige und klimafreundliche Praktiken im Ernährungssystem. Der Re-use Food Trend betont die kreative Verwertung von Essensresten und die Aufklärung über Mindesthaltbarkeitsdaten, während der Zero-Waste-Trend die gesamte Lebensmittelproduktionskette ins Visier nimmt. Unverpackt-Initiativen im Einzelhandel und der Einkauf direkt ab Hof oder auf Märkten fördern bedarfsgerechten Einkauf und reduzieren Verpackungsmüll. Diese Ansätze bieten inspirierende Lösungen für eine nachhaltigere Ernährung.

In Deutschland wird auch heute noch mehr als ein Drittel der produzierten Lebensmittel vernichtet. Das EU-Ziel, diese Menge bis 2030 um die Hälfte zu reduzieren, ist ohne schärfere gesetzliche Regulierungen kaum zu erreichen, befürchten Umweltverbände. Die Corona-Pandemie zusammen mit den durch den Krieg in der Ukraine und die extreme Trockenheit in Südeuropa ausgelösten Lieferprobleme sowie die steigende Inflation haben das Problem noch dringlicher gemacht.

Appelle an die Verbraucher werden angesichts dieser Entwicklung nicht ausreichen. Gefordert sind die Lebensmittelwirtschaft und auch die Politik. Gerade die Politik darf nicht verdrängen, dass die Produktion von Nahrungsmitteln, die nicht konsumiert werden, den Klimawandel beschleunigt, weil sie zu unnötigen CO₂-Emissionen, Land- und Wasserverbrauch sowie zu Biodiversitätsverlust führt. Sie hat in der Folge dieser Effekte auch negative wirtschaftliche und soziale Auswirkungen.

Der Fokus des anfänglichen Re-use Food Trends lag eher bei den Konsumierenden, die in der Küche auch aus Resten attraktive Speisen zubereiten sollten. Nose-to-tail und Leafe-to-root wurden zu Motti der ambitionierten, meist im Fine-Dining-Bereich angesiedelten Gastronomie. In Supermärkte hielten innovative Unverpackt-Konzepte Einzug; ein Zeichen dafür, dass ein wachsender Teil der Konsumierenden deren Sinnhaftigkeit versteht und bereit ist, auf Kosten der Bequemlichkeit auf ein nachhaltigeres Einkaufsverhalten umzuschwenken. Dass es aber nicht reichen wird, den Zero-Waste-Job allein den Kunden zu überlassen, wissen natürlich längst auch Big Food und Big Retail.

Protagonisten, die im Circular Food Trend die besseren beziehungsweise umfassenderen Antworten auf das Problem der Lebensmittelverluste sehen, gehen noch einen Schritt weiter. In diesem Trend fusionieren gleichsam die beiden vorangegangenen Trends: Es geht nicht mehr um die Reduzierung oder Vermeidung von Abfällen, sondern um einen ganz neuen Blick auf Lebensmittel. In der Produktion wird nicht mehr zwischen Haupt- und Nebenlinien unterschieden. Bestandteile von Ausgangsprodukten, die bei der Verarbeitung bestimmter Lebensmittel keine Verwendung finden (wie Schalen, Kerne, Trester usw.), werden als wertvolle Ressource wahrgenommen und wieder in den biologischen Kreislauf zurückgeführt. Es entstehen immer mehr Ideen, wie man Reste nicht nur für Tierfutter oder zur Herstellung von Biogas verwenden, sondern zu neuen Lebensmitteln verarbeiten kann.

Regenerative Food

Regenerative Food legt den Fokus auf den Ackerboden, der als entscheidender Schlüssel für ein gesundes Ökosystem klar benannt wird. Somit rückt die Art, wie wir Lebensmittel produzieren, um den Einfluss der Landwirtschaft auf den Klimawandel zu minimieren und die Biodiversität zu fördern, ins Zentrum der Überlegungen.

Regenerative Landwirtschaft setzt auf organische statt synthetische Düngung, auf eine Fruchtfolge, die Biodiversität fördert, sowie auf Bodendeckung und Verwurzelung. Denn bei all dem handelt es sich um Massnahmen, die den ausgelaugten Böden Regeneration, sprich Erholung verschaffen. Gleichzeitig erhöhen sie deren Kapazität, Kohlenstoff zu speichern. Allerdings fehlen bislang Standards, um die Umweltvorteile der Regenerativen Landwirtschaft tatsächlich zu messen.

Zahlreiche Organisationen und Unternehmen haben sich inzwischen auf internationaler Ebene in der Regenerative Organic Alliance zusammengeschlossen, um gemeinsam sinnvolle und zugleich regional angepasste Standards zu entwickeln. Auch Grossunternehmen wie Nestlé, General Mills oder Unilever investieren bereits in Regenerative Landwirtschaft, weil zu befürchten ist, dass die Bodenerosion bis 2050 zu einem Verlust von zehn Prozent bei der globalen Pflanzenproduktion führen könnte, so die Einschätzung der FAO (Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen).

Nicht zuletzt aufgrund fehlender staatlicher Unterstützung wächst die weltweite Nutzfläche, auf der regenerative Verfahren angewandt werden, derzeit jedoch noch (zu) langsam. Das Interesse an regenerativen Praktiken ist indessen auch in Europas Landwirtschaftsbetrieben deutlich gestiegen. In der Schweiz etwa übersteigt gemäss der Abteilung Pflanzenproduktion und Biodiversität der Berner Fachhochschule die Nachfrage nach Informationen das aktuell verfügbare Beratungsangebot bei Weitem. Hier setzen Informationsplattformen wie Regenerative Schweiz oder Soilify an. Sie vernetzen Akteure und bieten Informationen und Kurse auch für die breite Öffentlichkeit an.

Vor allem der Anbau von Hülsenfrüchten kann künftig für die dringende Regeneration der Äcker sorgen. Leguminosen gehen mit ihren Wurzelknöllchen eine Symbiose mit Bakterien ein, die Stickstoff fixieren. Die Pflanzen sind deshalb in der Lage, ihren Stickstoffbedarf selbst zu decken. Hand in Hand mit einem diversen Fruchtwechsel kann so der Düngemittelbedarf deutlich reduziert werden.

Und auch wenn es veganen Grundsätzen widerspricht: Die Rinderhaltung stellt ebenfalls eine kleine Säule der Regenerativen Landwirtschaft dar. Sie kann in bestimmten Regionen, etwa in den Alpen, einen Beitrag zur Reduktion der Treibhausgase leisten und synthetischen Dünger einsparen. Vorausgesetzt es handelt sich um eine extensive Viehzucht, die ausschliesslich auf Weiden stattfindet und dem Grundsatz Feed no Food folgt. Denn Grasland speichert mehr CO₂ als Wälder, und durch ein gutes Herdenmanagement wird das Pflanzenwachstum der Weide angeregt. So kann eine reduzierte Weidehaltung einen Beitrag zum Erhalt und zur Förderung resilienter und regenerativer Ökosysteme leisten. (Auszug aus dem Food Report 2025 von Hanni Rützler. www.zukunftsinstitut.de)
(gb)

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