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KOMMENTAR: Chancen für Laborfleisch und veganen Fleischersatz

Haben zelluläres Fleisch und pflanzliche Alternativen eine Chance bei den Schweizer Konsumentinnen und Konsumenten? Kommentar von Christine Schäfer, Senior Researcherin und Referentin am Gottlieb Duttweiler Institut GDI.

Konsumenten essen nach wie vor gerne Fleisch. Die pflanzlichen Ersatzprodukte, von denen ich das Gefühl habe, dass sie eigentlich schon sehr weit verbreitet sind, werden von vielen skeptisch betrachtet, obwohl sie mittlerweile schon dazugehören und in Restaurants auch angeboten werden. Viele der Befragten sagten, dass sie es nicht einmal probieren wollten. Zellkultiviertes Fleisch ist für viele noch sehr fremd. Ich möchte anfügen, dass es für Konsumentinnen und Konsumenten sehr schwierig ist, ein Produkt zu bewerten, das sie gar nicht kennen können, weil es schlichtweg noch nicht auf dem Markt ist.

Sollte die regulatorische Zulassung für zellkultiviertes Fleisch einmal kommen, wird es wahrscheinlich über die Gastronomie zu den Konsumentinnen kommen. Am Anfang vielleicht noch teuer, aber später, wenn die Produktionskosten sinken, wird es über Fast-Food-Ketten die breite Bevölkerung erreichen. Also letztlich die gleiche Entwicklung, die wir bei pflanzlichen Alternativen gesehen haben. Zuerst hat man mit der Sterneküche zusammengearbeitet. Dann haben Fast-Food-Ketten wie McDonald’s und Burger King die Produkte in ihr Sortiment aufgenommen.

Dies stimmt für die Schweiz und Europa aber wie sieht es global aus? So konkret haben wir das am GDI nicht erhoben. Aber letztendlich leben wir in einer globalisierten Welt, wo sich die Bedürfnisse und Trends ein Stück weit angleichen. Klar, wenn man jetzt irgendwo auf der Welt lebt, wo man erst mal schauen muss, dass man genügend Kalorien und frisches Trinkwasser hat, dann haben wir natürlich ganz andere Themen, die uns beschäftigen. Bei uns geht es um Selbstoptimierung, Datenanalyse und Klimaschutz. Wir versuchen auch zu schauen, was auf globaler Ebene passiert. Im letzten European Food Trends Report haben wir Themen wie Agrarökologie, Kreislaufwirtschaft, True Cost of Food und Ernährungssouveränität behandelt.

Das sind alles Themen, die auch in Entwicklungs- und Schwellenländern sehr wichtig sind. Gerade in diesen Ländern geht es darum, nicht zu abhängig von grossen Agrarunternehmen und dem globalisierten Welthandel zu werden. Die Elfenbeinküste beispielsweise ist eines der wichtigsten Produktions- und Exportländer für Kaffee und Kakao. Um den Bedarf der eigenen Bevölkerung zu decken, müssen Grundnahrungsmittel wie Reis oder Weizen importiert werden. Fällt diese Importmöglichkeit weg, wie zum Beispiel die Weizenimporte aus der Ukraine, ist die Ernährungssicherheit in der Elfenbeinküste gefährdet.

Langfristige Trends

Gerade im Bereich Fleisch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass es in Zukunft verstärkt eine Zweiteilung des Marktes geben wird. Man wird weiterhin tierische Produkte kaufen können. Gerade auch, weil wir in der Schweiz landwirtschaftliche Flächen haben wie unsere Berggebiete, die nicht anders genutzt werden können als für die Viehwirtschaft. Dieses Fleisch wird dann aber teurer, zum wahren Preis, erhältlich sein. Das heisst, Fleisch wird eher zu einem hochpreisigen Nischen- bis Luxusprodukt. Dafür werden aber auch die allerhöchsten Qualitäts- und Tierwohlstandards erfüllt. Der Massenmarkt – was heute industriell produziertes Fleisch ist – wird hingegen mehrheitlich durch Alternativen gedeckt.

Durch fortschreitende Entwicklungen und Innovationen im Bereich der Fleischalternativen wird es in Zukunft wahrscheinlich auch immer schwieriger zwischen tierischem Fleisch, welches heute von vielen Konsumentinnen und Konsumenten als natürlich, und dem Ersatzprodukt, welches als unnatürlich wahrgenommen wird, zu unterscheiden. Wenn dann Geschmack, Konsistenz und Preislevel von tierischem Fleisch und Alternative fast deckungsgleich sind, wird es wahrscheinlich richtig schwierig zu rechtfertigen, dass man Tiere für das Fleisch töten muss.

Ich glaube, dass wir dann an einen Punkt kommen, wo der breite Massenmarkt durch Alternativen gedeckt wird, und dass es weiterhin noch Fleisch gibt, aber, wie bereits erwähnt, dass es nur noch ein sehr kleiner Nischenmarkt ist. Und das bedingt dann natürlich auch eine Umstellung der Landwirtschaft, zu weniger Tierhaltung und mehr Anbau von Nahrungsalternativen. Je nach Perspektive, also aus welchem Sektor man kommt, ist das eine mögliche Zukunftsvision, eine Utopie oder eine Dystopie. Aber ja, ich denke, schlussendlich geht es wieder zurück zu dem, was unsere Grosseltern-Generation gekannt hat: Einen Sonntagsbraten und unter der Woche fleischlos. (LID / Christine Schäfer, Senior Researcherin und Referentin am Gottlieb Duttweiler Institut GDI)
(gb)

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