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.LANDWIRTSCHAFT: Kulinarische und agrarische Vorteile der Hülsenfrüchte
Die vielseitigen Hülsenfrüchte können und sollen als klimafreundliche Proteinquelle mehr angebaut werden und auf dem Teller landen.

Jonas Frei ist Stadtökologe, Landschaftsarchitekt, Autor und leidenschaftlicher Verfechter der Hülsenfrucht, die eine klimafreundliche Proteinquelle darstellt, und deren unendliche Vielfalt ihn fasziniert. Im Interview mit «FOOD ZURICH» erklärt er warum:

Die Pflanzenfamilie der Hülsenfrüchtler, die Schmetterlingsblütler oder Fabaceae sind mit rund 20'000 Arten eine der artenreichsten. Natürlich sind nicht alle dieser Arten kulinarisch wertvoll, aber doch viele mehr, als uns im Alltag bewusst ist. Neben den Wildarten gibt es unzählige Kulturformen und Sorten. Viele davon haben in der heutigen Landwirtschaft nur noch wenig Bedeutung und müssen gezielt erhalten werden. Weltweit werden deshalb in Erhaltungsprojekten traditionelle Bohnensorten gerettet.

Beim Anbau von Hülsenfrüchten prallen global betrachtet oft gegensätzliche Extreme aufeinander. Letztlich hängt es in vielen Regionen von den landwirtschaftlichen Systemen ab – und nicht nur von den Kulturen selbst – ob die Produktion zur Nachhaltigkeit beiträgt. Etwa 80 % der globalen Sojaernte landen nicht direkt auf unseren Tellern, sondern werden als Futtermittel in der Fleischproduktion verwendet oder gelangen indirekt in Form von Milch- und Eierprodukten in unsere Ernährung.

Diese Art der Produktion, oft begleitet von langen Transportwegen, Brandrodung von Primärwäldern und dem Einsatz von Totalherbiziden, gehört zu den schädlichsten Einflüssen auf unsere Ökosysteme. Im Gegensatz dazu bietet der direkte Konsum von Hülsenfrüchten – insbesondere aus regionalem Anbau und als Ersatz für übermässigen Fleischkonsum – eine hervorragende Möglichkeit, negative Emissionen zu senken. Global bräuchten wir deutlich weniger von ersterem und viel mehr von letzterem.



Falaffel aus Kichererbsen sind auch hierzulande beliebt und in jedem Supermarkt erhältlich


Auf nationaler Ebene denke ich besonders an die Nischenproduktion: Nur noch selten stammen Dörrbohnen aus der Schweiz, auch Linsen oder Ackerbohnen haben ihren Stellenwert in der hiesigen Landwirtschaft verloren und die oft grossen Import-Distanzen stehen der Nachhaltigkeit im Wege. Dabei sind Hülsenfrüchtler grossartig für die Bodengesundheit und helfen mit, chemischen Dünger zu reduzieren. Schön wäre es auch, wieder häufiger Bohnen in den Hausgärten zu sehen oder auf Balkonen.

Leguminosen haben gegenüber anderen Kulturen den Vorteil mithilfe von Knöllchenbakterien Luftstickstoff binden zu können. Damit tragen sie zur Bodenverbesserung- und Düngung bei und können den Bedarf an energieaufwändig hergestellten Stickstoffdüngern vermindern. Oft werden Hülsenfrüchtler als Zwischenfrüchte eingesät, um den Boden für folgende Kulturen zu verbessern. Kombinierter Anbau ist aber schon lange in der indigenen Landwirtschaft Nord- und Mittelamerikas eine weit verbreitete und wichtige Kulturform. Als «drei Schwestern» werden Bohnen, Mais und Kürbis gemeinsam eingesät.

Wie könnte der vermehrte Anbau und Konsum von Hülsenfrüchten dabei helfen, den CO2-Fussabdruck der Landwirtschaft zu reduzieren?

Erstmal sehe ich ein grosses Potential im Ersatz von industriell hergestelltem Fleisch. Ein Grossteil der angebauten (Soja-)Bohnen geht als Silage direkt in die Fleischproduktion. Wo immer Kühe und Rinder nicht auf der Weide stehen, sondern Grossteils durch Zufütterung vom Acker ernährt werden müssen, zieht dies einen ganzer Rattenschwanz ökologischer Probleme mit sich.

In dieser Logik ist jede Sojabohne die als Edamame oder verarbeitet als Tofu direkt in unseren Mägen landet, ein Schritt in die richtige Richtung.

Hülsenfrüchte sind sehr proteinreich und können daher im Teller eine ähnliche Funktion übernehmen wie klassische Fleischgerichte. Sei dies in traditionellen Bohnen-Gerichten oder verarbeitet als vegane Fleischalternativen. Und weiter tragen, wie schon erwähnt, Hülsenfrüchte zur Reduktion des Stickstoff-Düngermitteleinsatzes bei, der sonst mit grossem Energieaufwand hergestellt werden müsste.

Besonders faszinierend finde ich etwa die Lima-Bohnen, deren Wildformen in den Anden Südamerikas wachsen. Es gibt unzählige Sorten, welche bei uns kaum bekannt sind. Nicht alle lassen sich in unserem Klima kultivieren, aber ihre Vielfalt ist bezaubernd. Oder die Lupinen, deren mehrere Arten nicht nur faszinierende Zierpflanzen sind, sondern auch grossartige Eiweisslieferanten. Grosses Potenzial sehe ich aber auch bei den vergessen gegangen Faba-Bohnen, welche vor der Einfuhr der amerikanischen Gartenbohne die wichtigste Bohnenart Mitteleuropas war. Es ist Zeit, sie auch bei uns kulinarisch wiederzuentdecken!

Heute kommen Linsen als Dal, die Kichererbsen als Hummus und die Bohnen im Chilli mit der internationalen Küche daher. Neben traditionellen Rezepten, die Potential zur Neuinterpretation haben, sehe ich besonders in diesem Wandel der Essgewohnheiten einen wichtigen Wachstumsmarkt für Hülsenfrüchte. Schön wäre es, wenn wir auch diesen Bedarf in Zukunft vermehrt mit regionaler Produktion decken könnten.

Besonders fasziniert mich, wie viele Funktionen Hülsenfrüchtler auf dem Teller einnehmen können. Als vegetarische Proteinquelle, wenn wir etwa an Linsen denken. Als Gemüse, wie etwa die Kefen, als Würze wie die Samen des Bockshornklees oder die aus der Sojabohne fermentierte Sojasauce. Als frische Sprossen, wo oft die Luzerne oder die Mungbohne zum Zug kommt. Als kalorienreicher Brotaufstrich, wie die Erdnussbutter oder «Baked Beans» der englischen und amerikanischen Küche. (Text: FOOD ZURICH)

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(gb)

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