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Druckansicht23.03.2019
.GASTRONOMIE: Spitzenkoch setzt voll auf Swissness
Fast nur einheimische und saisonale Zutaten: Das Kräuterhotel Edelweiss auf der Rigi setzt dieses Konzept konsequent um, kauft bei 50 Bauernbetrieben aus der Region ein mit 80% Bioanteil und verwendet Kräuter statt Pfeffer oder Muskatnuss.


Küchenchef Benjamin Just vor dem Restaurant Regina Montium auf der Rigi


In grossen Lettern prangt unübersehbar "Kräuterhotel Edelweiss" an der Aussenwand des kleinen Hotel. Es liegt unmittelbar neben der Bahnstation Rigi Staffelhöhe der Rigibahn, die Ausflügler und Touristen von Vitznau her gemächlich auf die "Königin der Berge" bringt. Hier wirkt Küchenchef Benjamin Just (32) im Restaurant Regina Montium seit zwei Jahren. Mit Erfolg. "Mittlerweile kommen die Leute nicht mehr bloss vorbei, um einen Ausflug auf die Rigi zu machen, sondern um bei uns zu essen", sagt er. Und das will etwas heissen am Touristenhotspot Rigi.

Küchenchef Just kommt ursprünglich aus der gehobenen Gastronomie und hat in der Luxushotellerie gearbeitet - zuletzt im Parkhotel Vitznau. Dann lernte er das Ehepaar Gabriela Egger Vörös und Gregor Vorös kennen, die Besitzer des kleinen Kräuterhotels Edelweiss. "Schon damals hatte der Betrieb einen Kräutergarten mit rund 100 Kräutern. Wir fachsimpelten über deren Eigenschaften und sie staunten über mein Fachwissen", erinnert sich Just.

Heute zieht seine Küchencrew im Sommer rund 400 Kräuter und verwendet diese in den Gerichten. Zu erwähnen sind zum Beispiel 24 verschiedene Sorten von Thymian. Auch für die kalte Jahreszeit hat man vorgesorgt. Im Winter werden die Aromapflanzen getrocknet oder eingelegt verwendet. Der Küchenchef setzt konsequent auf Rohstoffe aus der Schweiz. "Wir lassen sogar den Pfeffer und die Muskatnuss weg", sagt er. Man beschränkt sich also. "Einzig auf den Kaffee, der nicht hier wächst, können wir nicht verzichten. Dafür haben ihn die Gäste und auch das Personal zu gerne", lacht er.

Direkt vom Bauernhof

Für die Rohstoffe seiner Küche arbeitet das Kräuterhotel direkt mit kleinen und kleinsten Landwirten aus dem Rigi-Gebiet und der Umgebung zusammen. Der Gastronomiebetrieb lässt damit den Zwischenhandel aus. Die Lebensmittelwertschöpfungskette geht so vom Acker bis auf den Teller. "Je kürzer und solider diese Kette, desto persönlicher die Beziehung und einfacher die Qualitätssicherung", sagt der Küchenchef. 54 Schweizer Lieferanten hat das Hotel mittlerweile, die Benjamin Just von Hand ausgesucht hat und kennt. "Die Akquise war sehr viel Arbeit." Er schätzt den Bioanteil der Lebensmittel auf 80 Prozent.



Benjamin Just


Ist es nicht das Ideal jedes Kochs die landwirtschaftlichen Produkte auf einem Markt oder direkt beim Produzenten - so nah und frisch wie möglich - zu beziehen? "Es ist zwiespältig", sagt Just, "jeder Koch, der in die Lehre geht, denkt, am Ende seiner Lehrzeit wisse er mehr über die Produkte. Doch letzlich erfüllt sich das leider nicht immer. Wir haben uns in gewisser Weise von den Lieferanten entmündigen lassen."

Die Kochzunft habe deshalb heute teilweise zu wenig Grundkenntnisse über Produkte, wie diese im Stall oder auf dem Acker entstehen - und wie diese allenfalls verändert oder verbessert werden könnten. "Das funktioniert eben nicht über einen Zwischenhändler, sondern nur im direktem Kontakt und Austausch mit dem Produzenten ", merkt Just kritisch an.

Mittlerweile meldeten sich manche Landwirte bei ihm, die sich auf Experimente einlassen wollten und für ihn "abseits der Komfortzone" etwas Spezielles anbauen wollten. Dafür nimmt ihnen das Restaurant die Produkte ab. "Es gibt tolle einheimische Gemüse neben denjenigen im Discounter", schwärmt der Koch. Er erwähnt den Sauerklee mit seiner sauren stärkehaltigen Knolle. Er bringe Säure in Gerichte und rege den Speichelfluss und den Appetit an. Lobende Worte findet Just auch für die essbare Kapuzinerkresse mit ihren leicht pfeffrigen Geschmack. Oder für das wiederentdeckte alte Gemüse Stachys (auch Knollenziest genannt). Es ist sehr ernteintensiv; der Arbeitsaufwand ist wegen der Handarbeit bei der Ernte enorm hoch.

Einer der wichtigsten Gemüselieferanten des Kräuterhotels ist der Hof Grubisbalm an der Rigi, ein Eingliederungsprojekt mit sozialem Charakter. Der Hof liefert dem Gourmetbetrieb beispielsweise Kartoffeln, Lauch oder Rosenkohl. "Ab 2019 wird er neu für uns Süsskartoffeln, Stachys und die vitaminreichen Josta-Beeren anbauen. Die Testphase haben wir erfolgreich abgeschlossen." Die Frischmilch bezieht das Hotel von einem Biobauern auf der Rigi. Einzig im Winter müssten die Gäste darauf verzichten, wegen eines Transportproblems.

Gekauft werden ganze Tiere

Die Tiere - Rinder, Kälber oder Lämmer - kauft das Kräuterhotel ganz ein und verarbeitet diese vollständig zu allerlei Gerichten "from nose to tail" (auf Englisch: von der Nase bis zum Schwanz; so nennt sich ein Foodtrend, der die gesamte Verwertung des Tiers fördert). Deshalb gibt's in den abends angebotenen Mehrgangmenüs auch Gänge mit Innereien wie Herz, Milz oder Euter.

Die Nähe der Wertschöpfungskette bei seinen Produkten ist für den Küchenchef entscheidender als die Perfektion. Dafür nehme man auch Qualitätseinbussen in Kauf. Also Lagerschäden oder Grössen, die nicht immer "marktkonform" sind. "Mir ist es wichtiger, dass wir der Region einen Teil unserer Wertschöpfung weitergebe als die perfekte Qualität", so der Küchenchef bestimmt. Zur Philosophie des Kräuterhotels gehört es ausserdem, dass die Produkte, die es verarbeitet, "mit möglichst wenig Gewalt" produziert werden, sagt er. Will heissen: die Böden und Pflanzen möglichst sanft bearbeiten und die Tiere auf dem Weg zum Schlachthof nicht unnötig leiden lassen.

Die Gäste schätzen das Konzept. Es sind zu 95 Prozent Schweizer. Es würden sich manche Diskussionen über interessante Produkte entspinnen, meint Just meint. Und er und die Besitzer erhielten viele positive Reaktionen, dass sie den Mut hätten, etwas anderes zu machen. Nicht nur der Gastrobetrieb profitiert von der Wertschöpfung. Auch der Landwirt erzielt einen höheren Preis als beim Zwischenhändler. Und durch die Arbeit des Restaurants erfährt das Naturprodukt eine Aufwertung. Statt Produkte "von der Stange" zu fertigen, fänden manche Gefallen daran, Spezialitäten für die Gastronomie zu produzieren.

Das Restaurant Regina Montium des Kräuterhotels Edelweiss auf der Rigi hat sich auf eine experimentierfreudige Küche mit schweizerischen Terroir-Produkten spezialisiert. Mittags wird in der gemütlichen Gaststube mit viel Holz eine gehobene Ausflugsgastronomie angeboten, abends mehrgängige Gourmetmenüs. Das entging auch nicht den Gastroführern. 2019 haben Benjamin Just und sein Küchenteam für ihre bodenständig-raffinierten Kreationen einen Michelin-Stern bestätigen können und 15 Punkte im Gastroführer Gault-Millau neu verliehen bekommen. (Text und Bilder: LID / Marc Benedetti)
(gb)

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