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Blut- und Leberwurst mit eigenem Fanclub
Blut- und Leberwurst sind eine Traum-Mariage. Beide sind Sonderfälle in unserer Wurstlandschaft. Und sie besitzen einen traditionellen Förderverein, der Qualitätsprämierungen durchführt.


Blut- und Leberwrust sind mehrfache Sonderfälle in unserer Wurstlandschaft, sowohl sensorisch als auch in der Machart.


Von der jahrhundertealten Tradition der heute seltenen Haus-Metzgete, dem Schlachten eines Schweins im Spätherbst oder Winter, zeugt noch immer die Saisonalität von Blut- und Leberwurst: Sie werden in der Schweiz fast nur im Spätherbst und Winter konsumiert, obschon heutige Kühltechniken eine Ganzjahresproduktion erlauben. Das Wurstpaar ist eine Deutschschweizer Spezialität. In der Romandie sind Leberwürste weniger verbreitet im Gegensatz zur Blutwurst, die auch dort sehr beliebt ist. Auch im Tessin ist Leberwurst sogar praktisch unbekannt (dafür aber Lebermortadella).

Bei den Konsumenten wirken Blut- und Leberwürste etwas polarisierend angesichts der namengebenden Zutaten und der speziellen Sensorik: die Einen freuen sich auf die «Metzgete» in den Restaurants, andere verzichten gezielt auf Metzgereiprodukte mit Innereien und bevorzugen Steaks oder eine dezente Kalbsbratwurst, die keine Assoziation zum Tierischen weckt.


Schlachtplatte mit Blutwurst, Leberwurst, Speck und Rippli


Blut- und Leberwürste sind auch Besonderheiten in ihrer Machart. Beide gelten als Kochwurst, d.h. eine Wurst aus vorgekochten Zutaten. Gemeint ist das Kochen der Zutaten vor der Brätherstellung (für Brüh- und Rohwürste werden rohe Zutaten gekuttert). Dies stimmt allerdings nur bei der Leberwurst, welche vorgekochtes Fleisch, Leber und Gemüse enthält. Bei der Blutwurst werden nur die Zwiebeln vorgekocht. Das Blut wird handwarm aber roh dazugemischt.

Dies muss auch so sein, damit die Masse nach dem Abfüllen in den Darm und dem Kochprozess schnittfähig wird. Die Blutproteine bilden dabei ein zartes Gel, da sie in der Hülle ohne Bewegung koagulieren und somit ein Netzwerk aufbauen können, vergleichbar mit dem Eiklar im Schalenei, wenn man es als ganzes kocht. Das Ergebnis gleicht in der Konsistenz einem zartschmelzenden Pudding. Verwendet man Rahm statt Milch für das Brät, entsteht ausserdem ein noch cremigeres Mundgefühl.


Die Leberwurstmasse besitzt rheologisch gesprochen keine Fliessgrenze.


Eher mit dem Rührei vergleichbar ist dagegen die Leberwurst. Beim Rühren koagulieren die Proteine auch, aber das Gel wird laufend zerrissen. Zwar wird die Leberwurst nach dem Abfüllen der vorgekochen Zutaten in den Darm nochmals erhitzt, aber die Proteine kogaulieren schon beim Vorkochen. Die Zutaten werden im Wolf zerkleinert und nach dem »Stossen» in den Darm nochmals gekocht, aber sie können kein zweites Mal ein kompaktes Gel bilden. Zum Vergleich: Wer ein gekochtes Hühnerei hackt und nachher nochmals kocht, erhält auch kein festes Ganzes mehr. Die Leberwurstmasse auf dem Teller ist daher nur noch pastös, sie besitzt rheologisch gesprochen keine Fliessgrenze.

Schmeckt Blutwurst nach Blut?

Geschmacklich gibt es auch Besonderheiten: Leber verleiht der Leberwurst in der Tat den typischen Geschmack und zwar schon im üblichen geringen Anteil von 15%. Zuviel Leber ergäbe eine Bitternote. Bei der Blutwurst dominieren jedoch die Gewürze, sie besitzt zwar die blutrote Farbe aber keinen typischen Blutgeschmack. Wie schmeckt Blut eigentlich? Dies erkennt man am besten, wenn man sich einen blutenden Finger abschleckt. Natürlich stiftet auch das Fett einen dezenten Grundgeschmack und vor allem ein cremiges Mundgefühl.

Nicht zuletzt ist zu erwähnen, dass beide Wurstsorten in der Regel keine der sonst für Würste typischen Geschmacksnoten aufweisen wie Speck, Rauch, Pökel- und Röstaroma. Und auch nicht die normale weissliche oder – in gepökelten Produkten - rötliche Farbe. Die graubraune Farbe der Leberwurst entsteht zum Einen durch Zugabe von Leber aber vor allem ist dies die typische Farbe von ungepökeltem gekochtem Fleisch wie man es am ebenfalls graubraunen Siedfleisch gut erkennt.



Die Blutwurst ist rot und schnittfest, schmeckt aber nicht nach Blut.


In der Schweiz werden Blut- und Leberwürste nur gekocht serviert, so dass ihre Zutaten und Gewürze in reiner Form zum Tragen kommen. In andern Ländern wird Blutwurst auch gebraten und entwickelt Röstaromen. Und bei den Gewürzen fällt auf, dass nebst den normalen Wurstgewürzen wie Majoran und Muskatnuss beide Sorten einen Hauch von Zimt erhalten.

Eigenfertigung in der Gastronomie

Für die Herstellung von Blut- und Leberwürsten reicht ein Fleischwolf und ein hochtouriger Mixer – beides sind übliche Maschinen in der Gastronomie im Gegensatz zum Kutter bei der Herstellung von Brühwurst, der fast nur in Metzgereien verwendet wird. Daher können auch Gastroköche beide Wurstsorten selbst herstellen, und einige wenige tun dies in der Tat. Entweder engagieren die Köche einen Störmetzger oder sie wursten selber.



Kochen der Zutaten für die Leberwurst in Kleinmengen


Um diese traditionsreichen Gastwirtschaften zu ehren und die Qualität von Blut- und Leberwurst zu pflegen gründeten Studenten im 1968 den «Verein zur Förderung des Ansehens der Blut- und Leberwürste» (VBL). Er zählt heute neunzig Mitglieder aus allen Berufen und Altersklassen darunter zwei Metzger, zwei Köche, viele Gourmets und rund 40 Prozent Frauen. «Wir sind professionelle Laien», sagt VBL-Präsident Peter Bolliger.

Jedes Jahr prüft der Verein sechs bis acht Gastwirtschaften oder Bauernhöfe mit Hofmetzgerei und Restaurantion und verleiht Noten für die Qualität der Blut- und Leberwürste aber auch für Bratwürste und Beilagen bis zum Ambiente des Lokals und dem Tierwohl. Die Audits erfolgen gemäss einer Checkliste, die auf der Vereinswebsite einsehbar ist: www.vbl.org.

Die Auswahl der zu prüfenden Lokale trifft der jährlich wechselnde Tafelmajor des VBL. Im Gegensatz zu den Testessern des Gastroführers Gault Millau melden sich die VBL-Prüfer aber vorher an und kommen in kleinen oder grossen Gruppen. «Rund 20% der Testbetriebe machen die Würste selbst», so Bolliger, «diese sind ideal». Die meisten kaufen sie bei gewerblichen Metzgereien.


Blutwurst im Krausdarm mit Leberwurst im rustikalen Stil. Gebunden, nicht geclippt hätte James Bond gesagt.


Anhand der Noten prämiert der Verein jedes Jahr einen Betrieb. Diesen Vereinspreis gewann im 2014 die Hof-Wirtschaft zum Löwen in Bangerten BE mit einer Durchschnittsnote von 5.4. Der Vater der Inhaberfamilie Pfäffli ist Metzger, eine der Töchter ist die Wirtin und die andere Landwirtin, welche die Schweine hält (www.loewen-bangerten.ch). Die meisten getesteten Betriebe liegen im Bereich 4.5 bis 5, aber schon beim Rekognoszieren (dieses geschehe anonym) werden Favoriten vorsortiert.

Früher veranstaltete der Verein in einer eigenen «Akademie» Wurstsensorikkurse aber heute nicht mehr. Der tierische Ernst steht nicht im Vordergrund, «es geht uns um den Genuss aber auch eine Prise Humor ist wichtig», so Bolliger. Der Respekt vor den Tieren und nicht zuletzt das Konzept der Metzgete, das Tier möglichst restlos für die menschliche Ernährung zu verwerten, haben den VBL gemäss Bolliger bisher vor Anfeindungen durch Fleischgegner bewahrt.


Chantzet, eine traditionelle Freiburger Wurst und ein Zwitter aus Blutwurst und Kabis-Saucisson – sieht so aus und schmeckt auch so. Sie ist ein Presidio-Produkt von Slowfood, das vom Verschwinden bedroht ist und daher von Slow Food gefördert wird. Hier von der Metzgerei Buchs in Château d’Oex VD.



Tipps und Kommentare des VBL

Blutwurst:
•Zuviel Rahm verdeckt die Aromen, übermässige Feinheit macht die Wurst langweilig.
•Man kann bei Bedarf Rinderblut zugeben, aber max. die Hälfte. Etwas Rinderblut beeinflusst zwar kaum den Geschmack, ist aber rauher d.h. trockener auf der Zunge. Bei viel Rinderblut braucht es zum Ausgleich mehr Fett in der Wurst, damit sie nicht bitter schmeckt.
•Die Würzung soll wirtstypisch sein, ein stark dominantes Gewürz ist aber der Harmonie abträglich.
•Fettblasen und Zwiebelnester sind höchstens mit Mass an den Zipfeln angebracht. Auch feine Luftblasenfelder können dem Geschmack abträglich sein.
•Beim Anstechen darf die Wurst spritzen aber nicht im Fett baden.
•Schweinedarm und Schnüre (anstatt Metallclips) verdienen besonderes Lob.
•Selbstverständlich muss die Wurst artgerecht präsentiert sein, d.h. z.B. ohne Sprung, richtig temperiert und prall ohne Runzeln.

Leberwurst:
Sie ist das Sorgenkind der Alemannen. Offensichtlich gelingt sie viel seltener als die Blutige. Neben geläufigem Schweinefleisch soll das Fleischgemisch frische, nicht zu grob gehackte Schwarte und Innereien beinhalten: Leber (höchstens 5-10%), Herz und Magen.
•Das Fett der Flamme von der Brust sorgt für Geschmeidigkeit.
•Zur Veredelung ersetzen Feinschmecker den Schweins- durch Kalbskopf.
•Kocht man einen grosszügig ausgebeinten Knochen mit bis sich das Fleisch abgelöst hat, verbessert sich der Geschmack, besonders wenn noch Wirz beigefügt wird.
•Der Lebergeschmack soll präsent aber nicht penetrant sein.
•Ganze Knorpelstücke sind verpönt, ebenso Metallclips.
•Bitte keine Pflüderschläuche!
•Rosinen sind Geschmackssache und ortstypisch. Einige wenige davon setzen manchmal das Tüpfchen auf's i.

VBL-Bewertungskriterien

Notenskala (6 = beste)

Blutwurst: Schnitt, Fett- & Saftkontinenz, Würzung/Geschmack, Homogenität (Bölleverteilung), Oralhaptik, Konfektionierung

Leberwurst: Konsistenz, Fleischgemisch/Körnung, Würzung/Geschmack, Oralhaptik inkl. Munderotik, Konfektionierung

Die offiziell besten Blut- und Leberwürste

Prämierung SFF 2013:

Jenzer Fleisch + Feinkost AG, 4144 Arlesheim
Goldmedaille für Blutwurst, Silber für Leberwurst

Spezialitäten-Metzgerei Ochsen Berneck, 9442 Berneck
Gold für Rahmblutwurst

Metzgerei Jucker AG, 8483 Kollbrunn
Silber für Blutwurst


Prämierte Blut- und Leberwurst der Basler Metzgerei Jenzer (SFF-Medaillen 2013)


VBL Vereinspreise:

2014
Wirtschaft zum Löwen, Bangerten BE

2013
Restaurant Mühle Wunderklingen, 8215 Hallau

2011
Metzgerei zum Bären, 8260 Stein am Rhein

Rezepte der Metzgereifachschule ABZ

Blutwurst-Rezept

43% Schweineblut
43% Milch
9% Schmer (Nierenfett)
5% Frischzwiebeln

Salz/Gewürze je kg Masse
16 g Kochsalz
1.5 g Pfeffer
1 g Muskatnuss
1 g Majoran
0.5g Zimt
1 g Streuwürze

Blut vor der Verarbeitung aufrühren und evtl. durch ein feines Sieb passieren. Schmer ausschmelzen, Zwiebeln zugeben und gelb dünsten. Milch gut vorwärmen. Blut nur handwarm. Gut vermischen, würzen und Fett mit den Zwiebeln zuletzt zugeben.
- Darm: Schweinskrause- oder Rindskranzdarm gut entfettet.
Kochen: In kochendes Wasser geben und anschliessend 30-50 Min. bei 80-85 °C fertig brühen. Kühlen im Wasserbad.


Blut- und Leberwurst in der Metzgerei Kauffmann mit Apfelmus als traditionellem Begleiter.


Leberwurst-Rezept

65% Schweins-, Rindskopf und Sigelfleisch
15% Leber
10% Brühe
4% Schmer (Nierenfett)
3% Frischzwiebeln
3% Kohl

Salz/Gewürze je kg Masse
1 g Pfeffer
20 g Kochsalz
1 g Muskatnuss
1.5 g Majoran
1.5 g Koriander
0.5g Zimt
5 g Rosinen (Weinbeeren)

Schmer ausschmelzen, Zwiebeln zugeben und dünsten. Fleisch, Innereien und Kohl mässig kochen. Leber kurz abbrühen. Alles gut kontrollieren (Knochensplitter) und 3 oder 5 mm scheffeln. Mit den Gewürzen gut mischen, Zwiebelschweize und Brühe zuschütten, alles gut mengen.
Darm: Rindskranzdarm
Kochen: 15-25 Min. bei 75 °C. Kühlen im Wasserbad
(gb)

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