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FORSCHUNG: Folgen der Trinkwasserinitiative-Annahme

Studien des Forschungsinstituts Agroscope zeichnen ein düsteres Bild bei Annahme der Trinkwasser-Initiative. Die ökologischen Auswirkungen dürften vor allem wegen Importen negativ sein. Die Initianten kritisieren die Studien, Agroscope weist die Kritik vehement zurück.

Die Trinkwasserinitiative hat zum Ziel die Umwelt und das Trinkwasser besser schützen. So sollen Direktzahlungen nur noch an Landwirtschaftsbetriebe ausbezahlt werden, welche die Gesundheit und die Umwelt nicht gefährden und das Trinkwasser nicht verschmutzen. Subventionen soll es nur noch für Betriebe geben, die auf den Einsatz von Pestiziden, auf vorbeugend oder systematisch verabreichte Antibiotika und auf zugekauftes Futter verzichten. Auch die landwirtschaftliche Forschung und Ausbildung soll nur noch unter diesen Bedingungen Geld vom Bund erhalten.

In mehreren Studien haben Forschende vom eidgenössisch landwirtschaftlichen Forschungsinstitut Agroscope aufgezeigt, wie sich die Annahme der Trinkwasserinitiative auswirken würde. 2019 haben die Forschenden eine Studie verfasst, die anhand von 18 Szenarien mögliche Auswirkungen der Trinkwasserinitiative für die Schweizer Landwirtschaft abschätzte. Die Studie ging davon aus, dass durch eine Annahme der Initiative die produktivsten Landwirte aus dem ökologischen Leistungsnachweis (ÖLN) aussteigen und ihre Produktion intensivieren würden.

2020 haben die Agroscope-Forschenden die bereits vorliegende Studie vertieft und ausgebaut: Diesmal berücksichtigten die Forschenden nicht nur die landwirtschaftliche Produktion, sondern unter anderem auch deren Vorketten wie beispielsweise die Herstellung von Düngern, Pestiziden oder Maschinen, die Änderungen von Landnutzung und Produktionspraxis innerhalb der Schweiz sowie die Wirkung von sich ändernden Import- und Exportmengen.

Die Studie kam zum Schluss, dass die Trinkwasserinitiative die Belastung von Gewässern in der Schweiz mit Pestiziden und Nährstoffen reduzieren und die Biodiversität leicht verbessern könnte. Allerdings würde im Gegenzug die Umweltbelastung im Ausland stark zunehmen – unter anderem wegen steigenden Nahrungsmittelimporten. Die Verbesserung der Wasserqualität in der Schweiz müsste also laut Studie mit teilweise deutlichen Trade-Offs in den Herkunftsländern der Importe erkauft werden.

Wie schlimm sind Importe?

Nach den zwei ersten Studien haben sich Agroscope-Forschende der Materie erneut angenommen. In der neuesten Studie hat sich Agroscope zwar nicht explizit den Auswirkungen der Trinkwasserinitiative gewidmet, sondern den Einfluss von Importprodukten detaillierter untersucht. Negative Umweltwirkungen von landwirtschaftlichen Importprodukten könnten mit einer Reihe von Ansatzpunkten mit Hebelwirkung vermindert werden. Die Forschenden haben unter anderem auch aufbauend auf Szenarien aus den vorangegangenen Studien zwei solche Hebel genauer untersucht: Zum einen wurde der Einfluss der Wahl von Import-Herkunftsländern und zum anderen der Einfluss der Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten genauer unter die Lupe genommen.

Tatsächlich hätten die beiden untersuchten Hebel einen nicht unerheblichen Einfluss auf «die Umweltwirkungen des Schweizer Warenkorbes landwirtschaftlicher Produkte»: Diese könnten die Verschlechterung der Ökologie in der Schweiz durch Importprodukte insofern positiv beeinflussen, indem man beispielsweise ausschliesslich Produkte aus landwirtschaftlich umweltfreundlich produzierenden Ländern importiere und Nahrungsmittelverluste und -abfälle vollends vermeide.

Die Untersuchungen zeigen: Mit der idealen Wahl der Import-Herkunftsländer könnte die Umweltbelastung von Importware um fast 30 Prozent vermindert werden. Bei der tierischen Nahrungsmittelproduktion seien aber das Produktionssystem und die Produktionsintensität ausschlaggebend – hier habe die Wahl der Import-Herkunftsländer einen weniger hohen Einfluss auf den ökologischen Fussabdruck oder er variiere stark.

Eine bessere und vor allem pauschal wirkende Massnahme wäre die Vermeidung von Nahrungsmittelverlusten. Diese würde alle negativen Umweltwirkungen vermindern und dies ohne unerwünschte Nebenwirkungen. Dabei gebe es Unterschiede zwischen den Nahrungsmittelgruppen: Das Vermeiden von Nahrungsmittelverlusten tierischen Ursprungs wie zum Beispiel Fleisch reduziere die Umweltwirkungen stärker als bei pflanzlichen Nahrungsmitteln. Ausserdem habe sich gezeigt, dass Nahrungsmittelverluste am Ende der Wertschöpfungskette ein höheres Einsparpotenzial aufweisen würden als noch am Anfang, weil sich die Umweltwirkungen entlang der Kette akkumuliere.

Auch Massnahmen gleichen Umweltbelastung nicht aus

Die dritte und neueste Studie von Agroscope relativiert die ganz düsteren Schlussfolgerungen der beiden ersten Untersuchungen zu den Auswirkungen der Trinkwasserinitiative zwar mit geeigneten flankierenden Massnahmen etwas – das Resultat bleibt aber das gleiche: Landwirtschaftliche Importprodukte ausschliesslich aus umweltfreundlich produzierenden Ländern und die Vermeidung von Foodwaste würden die durch die importierten Produkte verursachte Umweltbelastung nur minimieren und nicht ausgleichen. Daraus lässt sich schliessen, dass die Trinkwasserinitiative auch bei optimiertem Import und bei der vollständigen Vermeidung von Foodwaste nach wie vor mehr negative Auswirkungen auf die Ökologie hätte als positive.

Das Initiativkomitee und die Befürworter der Trinkwasserinitiative stören sich an den Schlussfolgerungen der Studien und bemängeln diese. «Die Szenarien sind so gewählt, dass sie nach Verfassungsrecht gar nicht zulässig wären», moniert die Initiantin Franziska Herren. 2017 habe das Volk habe einen Ernährungsartikel angenommen, der nachhaltige Importe fordere: «Alle importierten Lebensmittel müssten also sowieso nachhaltig produziert sein und der von Agroscope vorausgesagte negative Effekt der Trinkwasserinitiative im Ausland kann damit gar nicht eintreten.» Ausserdem widerspreche die Publikation einer solchen Studie dem Auftrag einer öffentlich-rechtlichen Institution wie Agroscope, politisch neutral und sachgemäss zu informieren: «Agroscope macht mit Steuergelder Politik», enerviert sich Franziska Herren.

Auch Martin Würsten – diplomierter ETH-Ingenieur, ehemaliger Chef des solothurnischen Amts für Umwelt und Mitglied der Interessengemeinschaft 4aqua – kann den Studien nicht viel Gutes abgewinnen: «In den Modellierungsstudien wurden aus unserer Sicht derart ungünstige und in keiner Weise der Realität entsprechende Annahmen getroffen, dass gar kein positives Resultat möglich gewesen ist.» Er verweist zudem darauf, dass bei weniger Foodwaste auch der Importbedarf der Schweiz sinken würde, was nicht berücksichtigt worden sei.

Während die Trinkwasser-Befürworter also die Befunde der Studien anzweifeln, sehen sich die Gegner der Initiative bestätigt. Das Resultat passe einfach nicht in die Argumentation der Initianten, sagt Sandra Helfenstein vom Schweizer Bauernverband, im Gegenteil: «Ein grosser Mangel der Trinkwasserinitiative ist, dass sie den Konsum überhaupt nicht miteinbezieht.» Bereits heute hätten es die Konsumenten in der Hand, eine noch nachhaltigere Landwirtschaft durch einen entsprechenden Einkauf zu fördern.

Ein weiterer Schwachpunkt sei, dass die Initiative gerade bei den Importen keinerlei Auflagen mache und damit bewusst die Verlagerung des konsumbedingten Umweltabdrucks ins Ausland fördere. Gerade die neueste Studie unterstreiche weiter, dass auch Optimierungen bei den Importen und bei Foodwaste die negativen Auswirkungen der Trinkwasserinitiative auf die Umwelt nicht negieren könnten, meint Sandra Helfenstein weiter: «Ganz abgesehen davon, dass die Initiative selbst keinen Einfluss darauf hat, dass die Importe nachhaltiger sind und weniger Foodwaste anfällt.»

Fakten nicht nur akzeptieren, wenn sie eigene Meinung bestätigen

Seit der Veröffentlichung der Studien nutzten die Initianten jede Gelegenheit, die Forschung von Agroscope öffentlich zu diskreditieren, wehrt sich auch das Forschungsinstitut. Agroscope forsche unabhängig und kommuniziere nach wissenschaftlichen Standards erarbeitete Studienergebnisse. Dass die Studien politisch motiviert seien, weist Agroscope vehement zurück. Verwaltung, Politik, Branchen, NGOs und die Bevölkerung könnten ihre Entscheidungen danach ausrichten oder sie ignorieren. «Die Initianten sollten die Courage haben, Fakten nicht nur dann zu akzeptieren, wenn sie die eigene Meinung bestätigen», sagt Marc Andrey, Kommunikationsleiter von Agroscope. Dasselbe gelte für alle Interessenvertretenden.

Auch Agroscope bestreite nicht, dass sich Importe und Konsumverhalten zukünftig ändern könnten – die Trinkwasserinitiative mache aber keine Vorgaben dazu. Und die Ziele des Bundesrates für den Klimaschutz oder gegen Nahrungsmittelabfälle würden unabhängig von der Initiative bestehen: «Folglich untersuchten wir mögliche Auswirkungen unter sonst stabilen Bedingungen.» Wenn sich Bedingungen, unabhängig von dem Untersuchungsobjekt änderten, dann änderten sie sich sowohl für den Untersuchungsgegenstand als auch die Referenzsituation, erklärt Marc Andrey. «Das bedeutet, dass zum Beispiel die Reduktion von Nahrungsmittelabfällen sowohl in einer Welt mit Trinkwasserinitiative und einer Welt ohne Initiative einen positiven Effekt auf die Umweltwirkung hätte.» (LID)
(gb)

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