Die Waadt ist für den Autor Paul Imhof das kulinarische Herz der Schweiz. Bild: Waadtländer Fleischpastetchen
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Das kulinarische Erbe der Schweiz ist ein Schlaraffenland von Tradition und Innovation. Nun gibt es dieses Inventar, gerafft in kurzweiligen Texten von Paul Imhof und illustriert auch als komplette Buchreihe. Kürzlich erschien der letzte Band, Nummer 5 im Echtzeit Verlag, www.echtzeit.ch: 364 Seiten, 34 Franken.
Das Projekt «Das kulinarische Erbe der Schweiz» begann im Jahr 2000 mit einem Postulat des damaligen Nationalrats Josef Zisyadis. Ein Verein «Kulinarisches Erbe der Schweiz», der im 2004 von Fachleuten aus Landwirtschaft und Ernährung dafür gegründet wurde, erarbeitete ein Konzept und betreute Historiker und Ethnologen, die das Inventar erstellten. Zu den Gründungsmitgliedern des Vereins gehören vier Organisationen inklusive Slowfood Schweiz. Der Verein will der Schweizer Bevölkerung ihre eigene kulinarische Kultur näherbringen. Autor Paul Imhof ist Vorstandsmitglied.
In der Schweiz, im Herzen Europas, ist durch das Zusammentreffen verschiedener Kulturen eine beeindruckende Vielfalt an kulinarischen Produkten entstanden. Ein Beispiel: Raclette (Bild) kennt man im Wallis seit 1574. Aber die erste schriftliche Erwähnung ist in mittelalterlichen Klosterhandschriften aus Unterwalden zu finden, wo von Bratkäse als besonders nahrhaften Speise der Alphirten berichtet wird (im 15.Jh). Unterwaldner Bratkäse ist auch heute noch eine Alternative zum Walliser Raclette.
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Die erklärten Ziele des Vereins:
•Wir bringen der Schweizer Bevölkerung ihre kulinarische Kultur näher.
•Wir geben den traditionellen Schweizer Nahrungsprodukten ein Gesicht.
•Wir verankern die Produkte in ihrem räumlichen, zeitlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Kontext.
•Wir beantworten Fragen zur Entstehung, Herstellung, zu Inhaltsstoffen, Essgewohnheiten sowie Brauchtum und regionalen Unterschieden. Wir erzählen damit auch ein Stück weit die Geschichte der Schweiz.
•Mit allen spannenden Details zu den Produkten möchten wir auch ihr Vermarktungspotential enthüllen und ihren Absatz fördern.
Das Inventar des kulinarischen Erbes der Schweiz erforscht Nahrungsmittel, die für die Menschen einer Region, eines Kantons oder der ganzen Schweiz eine besondere Bedeutung haben, mindestens eine Generation weitergegeben wurden (über 40 Jahre alt sind) und die heute konsumiert und produziert werden. Rezepte waren nicht Gegenstand des Inventars, weshalb man im Register beispielsweise Raclette findet aber nicht Fondue.
Die Finanzierung mit Steuergeldern reichte, um rund 400 Produkte des kulinarischen Erbes zu beschreiben und in der Landessprache, in der sie geschrieben wurden, online zu schalten: www.patrimoineculinaire.ch. Einzelne Produkttexte wurden später übersetzt.
Alle Bände im Überblick:
Band 1: Aargau, Luzern, Obwalden, Nidwalden, Schwyz, Zug und Zürich.
Band 2: Bern, Jura, Solothurn, Basel-Landschaft und Basel-Stadt.
Band 3: Appenzell Ausserrhoden und Innerrhoden, St. Gallen, Schaffhausen und Thurgau.
Band 4: Glarus, Graubünden mit Grigoni italiano, Ticino und Uri.
Band 5: Freiburg, Genève, Neuchâtel, Vaud und Wallis
Zum letzten Band: Paul Imhof (Bild) ortet das kulinarische Herz der Schweiz im Waadtland, da in der Romandie das Bewusstsein für das Essen in der Bevölkerung stärker verankert sei:
«Ich kenne neben dem Restaurant de l`Hôtel de Ville in Crissier kein anderes Schweizer Lokal, in dem jemals vier Küchenchefs hintereinander mit drei Sternen ausgezeichnet wurden. Und ich vergesse nie, wie sich die Wirtin eines Dorfrestaurants in Bursins weigerte, mir zu ihren Malakoff einen Rot- statt einen Weisswein zu servieren».
www.delikatessenschweiz.ch bietet eine Leseprobe des 5. Bandes über die Walliser Traditionsprodukte Lamm- und Geissen-Lidji, luftgetrocknete Fleischstücke: Die parierten, im Normalfall (90 Prozent) entbeinten Schaf-, Lamm- und Ziegenstücke von Schulter oder Keule werden mit der
hauseigenen Salz- und Gewürzmischung eingerieben; mit oder ohne
Pökelsalz bzw. Salpeter. Je nach Volumen lässt man die Stücke in einer
Stande aus Plastik oder Edelstahl ziehen, das Salz zieht Saft, es bildet
sich eine würzige Lake; der Metzger schichtet die Stücke ein Mal
oder häufiger um. Man kann ein Gewicht auf die Stücke legen oder
etwas Wein in die Lake giessen - die Methoden sind im Prinzip dieselben, die Details nicht zwingend.
Walliser Lamm-Lidji. Lamm- oder Geisslidji schneidet man kalt in Tranchen oder in
Würfel bzw. Stäbchen und isst das Fleisch mit Roggenbrot und Wein.
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Nach zwei bis vier Wochen etwa zieht man Netze über die
Stücke oder auch nicht und hängt sie in den Trocknungsraum. Temperatur und Luftfeuchtigkeit lassen sich dank Klimaanlage steuern; die
frische Bergluft wird von draussen angesaugt. Das Fleisch darf nicht
zu rasch trocknen, sonst verkrustet die Oberfläche, was Trocknen
bis in den Kern verhindert; das Fleisch verdirbt. Mit der Zeit bildet
sich eine Schicht von weissem Edelschimmel.
Nach ein bis zwei Monaten oder später, wenn es rund 50 rozent seines Frischgewichts
verloren hat, ist das Fleisch fertig. Private lassen es so lange in ihren
hölzernen Speichern hängen, bis sie es brauchen – und es steinhart
geworden ist. Im Wallis leben gut 50 000 Schafe (2015), aber bedeutend weniger Ziegen. Geisslidjis sind deshalb selten.
(gb)