Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) veröffentlicht neu in regelmässigen Abständen das "Schweizer Ernährungsbulletin". Die Online-Publikation löst den Schweizerischen Ernährungsbericht ab, der bislang alle sieben Jahre erschienen ist.
Sie informiert über die Ernährungsgewohnheiten und die Nährstoffversorgung der Schweizer Bevölkerung. (LID 3.1.2019)
Im vorliegenden BLV-Bericht wird die Entwicklung des Verbrauchs
einzelner Nahrungsmittel für den Zeitraum von 2007 bis 2016
analysiert. Es zeigt sich, dass der Gesamtverbrauch zwar zugenommen hat, der Pro-Kopf-Verbrauch aufgrund der zunehmenden Bevölkerung jedoch rückläufig ist. Die Gründe dafür
sind vielschichtig und nicht zuletzt auf das Einkaufs- und Essverhalten der Bevölkerung zurückzuführen. Ein besonders
deutlicher Rückgang lässt sich beim Pro-Kopf-Verbrauch von
Schweinefleisch, Konsummilch, Hartkäse, Getreide, Zucker und
alkoholhaltigen Getränken beobachten. Zugenommen hat hingegen der Verbrauch von Geflügelfleisch, Dauermilchwaren,
Rapsöl, Hülsenfrüchten sowie einigen Früchten. Ebenfalls manifestiert sich eine Zunahme bei einzelnen Trendprodukten wie
z. B. Avocados, verschiedenen Nüssen oder Quinoa.
Seit 2007 ist ein stärkerer Rückgang des Pro-Kopf-Verbrauchs von tierischen Produkten im Vergleich zu pflanzlichen Produkten zu beobachten. Dies war nicht immer so: Erst ab Ende der Achtzigerjahre nimmt der Pro-Kopf-Verbrauch der tierischen Lebensmittel so stark ab. Nimmt man 1990 als
Basis, hat er bis 2016 um 25 Prozent abgenommen. Tierische Nahrungsmittel sind wichtige Lieferanten von hochwertigem Protein. Ausser in spezifischen Bevölkerungsgruppen (z. B. ältere Erwachsene) stellt
die Proteinversorgung in der Schweiz jedoch kaum ein Problem dar (Schmid
et al. 2012).
Milchprodukte und Fleisch sind aber auch substanzielle Quellen
für verschiedenste Vitamine und Mineralstoffe. Hervorzuheben ist Vitamin
B12, das sich fast ausschliesslich in tierischen Lebensmitteln findet (Gille und
Schmid 2015), weshalb sich ein Rückgang in deren Verbrauch auch auf die
Versorgung mit diesem Vitamin auswirken wird. Schweinefleisch ist eine
wertvolle Quelle für Vitamin B1. Da auch die andere wichtige Quelle dieses
Vitamins (Getreide) rückläufig ist, sollte bei Weiterbestehen beider Trends die
Vitamin B1-Versorgung im Auge behalten werden, denn der Verbrauch liegt
laut 6. Schweizerischem Ernährungsbericht (Schmid et al. 2012) nicht weit
über der gewichteten empfohlenen Zufuhr.
Milchprodukte sind in der Schweiz
die Hauptquelle für Kalzium. Sollte sich der Trend zur Verbrauchsabnahme
verstärken, ist mit einem Rückgang der Kalziumversorgung zu rechnen.
Diese Überlegungen geben Hinweise auf mögliche Veränderungen in
der Nährstoffversorgung, wenn die aktuellen Verbrauchtrends weiterbestehen. Eine Einschätzung des Versorgungszustandes der Bevölkerung mit den
bestehenden Daten ist jedoch schwierig, vor allem, weil die Nahrungsmittel
zunehmend mit Vitaminen und Spurenelementen versetzt werden (Functional Food) und sich ein grosser Teil der Bevölkerung mit zusätzlichen Vitaminen und Spurenelementen aus Nahrungsergänzungsmitteln versorgt.
Einkaufstourismus vermehrt bei tierischen Produkten
Die Abnahme des Verbrauchs von tierischen Nahrungsmitteln kann
wohl zu einem grossen Teil durch Auslandeinkäufe erklärt werden.
Die Mengen
der im Ausland gekauften Nahrungsmittel können in der Nahrungsmittelbilanz nicht erfasst werden und fehlen daher in den Verbrauchszahlen. Die
grosse Spanne zwischen Nahrungsmittelpreisen in der Schweiz und in den
Nachbarländern lässt den Einkaufstourismus gerade bei den relativ teuren
tierischen Produkten stärker zu Buche schlagen als bei den pflanzlichen Produkten.
Die Abnahme des Schweinefleischverbrauchs bei gleichzeitiger Zunahme des Geflügelfleischverbrauchs deutet jedoch darauf hin, dass auch andere Faktoren eine Rolle spielen könnten. Denkbar wäre, dass die ausländische Bevölkerungsgruppe, die ab 2008 verhältnismässig stark zugenommen hat, ein anderes Einkaufsverhalten bzw. andere Essgewohnheiten aufweist. Z. B. decken Wochenaufenthalter, die aus angrenzenden Ländern stammen, ihren Nahrungsmittelbedarf weitgehend in ihrem
Herkunftsland ab. Ausserdem vermeiden Bevölkerungsgruppen diverser Länder den Verzehr von Schweinefleisch.
Gesundheits- und Convenince-Trends
Ebenso lässt sich vermuten, dass sich
auch der Lebensstil der heutigen Gesellschaft (oder zumindest eines Teils
davon) in den Verbrauchsmengen einzelner Nahrungsmittel niederschlägt.
Auf der einen Seite erkennt man die Zunahme des Verzehrs von hochverarbeiteten Nahrungsmitteln (Fast und Convenience Food), was sich in einem
zunehmenden Import von Verarbeitungsprodukten widerspiegelt (AGRISTAT
2017/10). Auf der anderen Seite verbreitet sich eine gesundheits- und trendbewusste Ernährung (z. B. Vollwert- und Diätkost, vegane Ernährung oder
Superfood), die auch einen fixen Platz in der Medienwelt in Anspruch nimmt.
So ergab eine Umfrage bei Schweizern im Alter über
fünfzig Jahren unter anderem, dass Geflügelfleisch im Vergleich zu Schweinefleisch als «gesünder» eingestuft wird (Schmid et al. 2017). Solche Ansichten
in Verbindung mit dem Trend zur gesundheitsbewussten Ernährung können
den Nahrungsmittelverbrauch beeinflussen. Die gesundheits- und trendbewusste Ernährung lässt sich auch in den
Details der Verbrauchszahlen erkennen. Eine deutliche Zunahme weisen z. B.
Linsen, Kichererbsen, verschiedene Nüsse (z. B. Cashew), Dinkel oder einige
Fruchtarten. Rapsöl hat ebenfalls zugelegt, wobei bei
diesem – nebst dem vermutlich gesundheitlichen Aspekt – auch die neuen
hitzeresistenten Sorten zu einer Verbrauchszunahme geführt haben könnten. (BLV)
(gb) |