Aufgrund der regelmässig schwierigen Wetterbedingungen im Frühling und Sommer sind die tiefen Obsterntemengen keine Überraschung. Das Tafelobst hat aber zusätzlich mit Qualitätseinbussen zu kämpfen und beim Mostobst müssen noch Übermengenaltlasten mit Rückbehalten abgebaut werden.
Die Obsternten fallen je nach Wetter jedes Jahr anders aus und sind sehr individuell. Anhand von Ernteschätzungen wird jeweils versucht abzuschätzen, mit welchen Mengen zu rechnen ist. Der kalte Frühling mit zahlreichen Frostnächten, der regenreiche Sommer und die Unwetter mit Hagelschäden haben unter anderem bei der Sommerfruchtsaison zu einer ernüchternden Bilanz geführt, liess der Schweizer Obstverband (SOV) Anfang Oktober verlauten. Während die Kirschenernte mit rund 1’500 Tonnen und damit 72 Prozent des Fünfjahresmittel noch ansehnlich gewesen sei, zeigte sich bei den Zwetschgen und Aprikosen ein anderes Bild. Die Erträge für Zwetschgen haben laut SOV mit 1’300 Tonnen nur 40 Prozent und für Aprikosen mit 2’200 Tonnen sogar nur 35 Prozent des Fünfjahresmittel betragen.
Dieses Bild bestätigt sich in der Fenaco-Obsthalle im luzernischen Sursee. Als Lager- und Aufbereitungsstandort für Äpfel, Birnen und Steinobst aus der Nordwest-, Zentral- und Ostschweiz bildet der Standort eine wichtige nationale Drehscheibe für die Agrargenossenschaft Fenaco. «Beim Steinobst war die Ernte wirklich miserabel», erklärt Roger Käslin von der Obsthalle. Obwohl die meisten Anlagen ihrer Produzentinnen und Produzenten mit Regendächern ausgestattet seien und zum Schutz vor der Kirschessigfliege auch eingenetzt seien, musste dieses Jahr durchschnittlich über 10 Prozent der Ware aussortiert werden. Wegen des nassen Wetters sei zu viel Wasser vom Boden durch die Bäume in die Früchte gelangt, sodass diese aufgeplatzt seien oder zum Teil bereits am Baum zu schimmeln begannen.
«Es war wirklich ein ausserordentliches Jahr – bei den Zwetschgen mussten wir 50 Prozent importieren, weil wir schlicht nichts mehr hatten», schildert Roger Käslin die Situation weiter. Immerhin hätten sie die Zwetschgen aus Süddeutschland importieren können, da sei die Akzeptanz bei den Kundinnen und Kunden noch grösser, als wenn die Ware aus Serbien, Bosnien oder von noch weiter herkomme.
Kernobst mit Fehlern
Bei der Kernobsternte präsentiere sich die Lage ähnlich. Wegen der schwierigen Wetterbedingungen gebe es bedeutend weniger Kernobst als letztes Jahr und die Lager seien aktuell entsprechend nicht so voll, wie es sich die Obsthalle um diese Zeit gewöhnt sei. Hinzu komme, dass die Früchte sehr viele Frostschäden aufwiesen und darum nicht so perfekt aussehen würden.
«Wir haben entweder viel zu kleine oder viel zu grosse Ware», erklärt Roger Käslin. Einerseits habe sich der Frost während der Blütezeit im Frühling negativ auf den Behang der Bäume ausgewirkt. Dies habe zu wenig Früchten geführt, die nun zu gross geraten seien. Oder aber, es gab einen guten Behang, das Wetter sei dann im Sommer aber so schlecht gewesen, dass die Äpfel und Birnen nicht gut wachsen konnten, was zu sehr vielen kleinen Früchte führte. Immerhin seien die Äpfel wegen der zuletzt kalten Herbstnächte nun wunderschön ausgefärbt: «Wir haben dieses Jahr selten Probleme mit der Farbe – das war in anderen Jahren anders», meint Roger Käslin.
Schlechte Jahre verzeihen mehr
Und interessanterweise hätten sie dieses Jahr nicht unbedingt mehr Reklamationen und Beanstandung von Kunden als in anderen Jahren, obwohl die Früchte eigentlich schlechter aussehen würden. «Weil gar keine bessere Ware verfügbar ist, verzeihen unsere Kunden offenbar mehr», mutmasst Roger Käslin. Wer die Wahl habe, sei automatisch wählerischer – wer keine Wahl habe, sei weniger wählerisch.
Schlechtere Jahre würden ausserdem die Verkäufe auf dem Land ankurbeln, erzählt Roger Käslin: «Wir beobachten, dass in guten Tafelobstjahren die Verkäufe auf dem Land nicht so gut sind – wenn es ein schlechtes Obstjahr gibt, steigen sie.» Im überaus guten Obstjahr 2018 beispielsweise gab es auf dem Land einfach sonst genug Ware, dass es im Laden deutlich weniger brauchte. Die Verfügbarkeit ist auf dem Land bei voll behangenen Bäumen deutlich und direkter sichtbarer und Nachbarn verschenkten Nachbarn dann auch überschüssiges Obst. In der Stadt sei die Verfügbarkeit weniger ersichtlich, sodass es dort weniger Schwankungen gibt.
Mit Schwankungen haben auch die Mostobstproduzentinnen und -produzenten sowie die Mostobstverarbeiterinnen und -verarbeiter zu kämpfen. Genau wie in der Tafelobsternte fällt die Mostobsternte dieses Jahr buchstäblich ins Wasser: Auch hier ist die Ernte viel tiefer als in anderen Jahren. Der SOV ging Anfang Oktober davon aus, dass gewerbliche Mostereien dieses Jahr rund 60’000 Tonnen Mostäpfel und rund 6’300 Tonnen Mostbirnen zu verarbeiten hätten – rund 20’000 Tonnen weniger als der Durchschnitt der letzten Jahre. (LID)
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