Extensiver Handel mit Wildtieren stellt nicht nur eine Bedrohung für viele Arten weltweit dar, er kann auch zur Übertragung von Krankheiten vom Tier auf den Menschen führen. Davon betroffen sind Hunderte von Tierarten, die sich hinsichtlich ihres Schutzstatus' und potentiell übertragbarer Krankheiten teils beträchtlich unterscheiden. Doch diese Unterschiede werden von Strategien zur Eindämmung des Wildtierhandels selten berücksichtigt. Ein internationales Forscherteam zeigt, weshalb Menschen verschiedene Wildtierarten jagen, konsumieren oder Handel treiben.
Corona und die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen, gesundheitlichen und gesellschaftlichen Verzerrungen haben deutlich gemacht, wie alarmierend die zunehmende Bedrohung durch Infektionskrankheiten ist. Rund 60 Prozent der auftretenden Infektionskrankheiten haben ihren Ursprung in Tieren; zu den bekanntesten gehören SARS, MERS, Ebola, HIV und COVID-19. Mehr als zwei Drittel dieser Krankheiten kommen ursprünglich bei Wildtieren vor. Entsprechend laut sind die Rufe nach einer stärkeren Beschränkung oder gar nach einem Verbot des Wildtierhandels. Diese Forderungen werden noch bestärkt durch die verheerenden Folgen nicht nachhaltigen Jagens, wodurch Hunderte Arten bedroht sind.
Buschfleisch als Lebensgrundlage
Doch für Millionen von Menschen, insbesondere im globalen Süden, stellt das sogenannte Buschfleisch eine Lebensgrundlage dar (Nagetiere, Antilopen, Menschenaffen, Elefanten etc). Die Jagd und der Verzehr von Wildfleisch ist ein fester Bestandteil ihrer Kultur. Entsprechend zielen aktuelle Strategien oftmals auf eine Regulierung dieses Handels ab und weniger auf strikte Verbote. Tatsächlich weiss man jedoch recht wenig darüber, weshalb Menschen bestimmte Tiere jagen. „Für einen nachhaltigeren Wildtierhandel und die Vermeidung von unkontrollierten Krankheitsübertragungen und Artenrückgängen ist es essentiell, dass wir diese Gründe kennen und verstehen. Ich war überrascht, wie wenig Informationen es dazu gibt”, erklärt Mona Bachmann, Doktorandin bei iDiv und MPI-EVA.
Ein internationales Forscherteam unter der Leitung von Mona Bachmann und Hjalmar Kühl vom MPI-EVA und iDiv untersuchte daher das Wildtierhandelsnetzwerk an der westafrikanischen Elfenbeinküste. Da Wildtierhandel grösstenteils illegal ist, wollen sich die entsprechenden Akteure dazu nur selten offen äussern. Doch mit der Hilfe lokaler, vertrauenswürdiger Informanten, oft selbst Jäger oder Händler, konnten die Wissenschaftler das Eis brechen. Etwa 350 Jäger, 200 Buschfleisch-Händler und 1000 Konsumenten gaben Einblicke in den Wildtierhandel.
Allein in Subsahara-Afrika sind mehr als 500 Arten vom Handel mit Buschfleisch betroffen – von Ratten bis hin zu Elefanten. Etwa 80 Prozent der regional erzeugten Buschfleisch-Biomasse stammt von sogenannten Generalisten, die sich schnell vermehren, wie Nagetiere, Ducker (eine kleine Antilopenart) oder Antilopen. Diese Arten vertragen eine intensivere Bejagung und bilden in ländlichen Gebieten einen wichtigen Teil der Lebensgrundlage. Würde man diese Arten durch andere tierische Proteine ersetzen, könnte dies wiederum zur Überfischung oder zur grossflächigen Umwandlung von Landschaften in Weideflächen beitragen.
Arten, die weniger Nachkommen zeugen, wie viele Primaten, sind hingegen bereits durch eine geringe Bejagung gefährdet. Da diese vergleichsweise selten sind, machen sie einen eher geringen Teil der Beute aus. Auch kann generell eine grössere Nähe zum Menschen – sei es aus phylogenetischer Sicht wie bei den Primaten oder aus räumlicher Sicht wie bei den Nagetieren – das Risiko einer Krankheitsübertragung erhöhen.
Die meisten Strategien zielen darauf ab, die Jagd auf Wildtiere generell zu reduzieren – egal, wie häufig eine Art ist oder ob es sich um potentielle Krankheitsüberträger handelt. Doch die Menschen jagen verschiedene Tierarten aus verschiedenen Gründen. Bleibt diese Tatsache unberücksichtigt, werden seltenere Arten mit einer höheren Schutzbedürftigkeit möglicherweise übersehen, weil sie nur einen geringen Anteil der erlegten Biomasse ausmachen – wie viele Primaten oder andere krankheitsanfälligere Arten.
Primaten als Luxusfleisch
Menschen jagen aus finanziellen, kulturellen oder bildungsbezogenen Gründen, oder einfach um ihre Ernährung abzusichern. So sind Primaten beispielsweise meist das Ziel kommerzieller Jäger, weil es sich bei ihrem Fleisch um ein Luxusgut handelt und sich damit mehr Profit machen lässt. Nagetiere hingegen werden vor allem dann gejagt und verzehrt, wenn es an alternativen Proteinquellen wie Fisch oder anderem Fleisch mangelt. Und: Waren sich die Jäger oder Konsumenten über die negativen ökologischen Konsequenzen des nicht nachhaltigen Buschfleisches bewusst, jagten oder konsumierten sie weniger Primaten. Im Gegensatz dazu änderten die Händler ihr Verhalten nicht.
„Bis zu 60 Prozent des konsumierten Fleisches stammt von Nagetieren und nur sieben Prozent von Primaten“, so Bachmann. „Würden wir Buschfleisch als Ganzes betrachten, würden wir als Hauptgrund für den Konsum einen Mangel an Protein identifizieren und somit entwicklungsbezogene Projekte empfehlen. Aber Primaten werden unabhängig davon konsumiert, ob alternative Proteinquellen zur Verfügung stehen. Eine wirtschaftliche Entwicklung könnte daher dazu führen, dass sich noch mehr Menschen dieses Luxusprodukt leisten können. Um Primaten zu schützen, müssen entwicklungsbezogene Strategien daher durch bildungsbezogene ergänzt werden.“
Die Wissenschaftler drängen daher darauf, dass politische Entscheidungsträger eine Priorität auf Planungsprozesse legen: Klare Ziele, wie Artenschutz, Entwicklung oder die Vermeidung von Krankheiten, müssen gesetzt werden. Hjalmar Kühl: „Wenn wir das Problem des Raubbaus an Wildtieren wirklich lösen und die damit einhergehenden Risiken vermeiden wollen, um Arten zu erhalten und das Wohl der Menschen zu gewährleisten, dann müssen wir es an seinen Wurzeln packen. Wir können das Problem nicht einfach weiter ignorieren, sondern müssen Ressourcen investieren und Strategien entwickeln, die wirklich zu einem nachhaltigen Zusammenleben von Menschen und Wildtieren beitragen.“
(Text: Deutsches Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) Halle-Jena-Leipzig)
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