Eine deutsche Studie hat die Ursprünge des ersten Coronaausbruchs im Mai 2020 bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück untersucht, dem grössten Fleischverarbeitungskomplex Deutschlands. Die Ergebnisse rekonstruieren die initialen Übertragungsereignisse im Mai 2020 im Fleischzerlegebetrieb: Ausgehend von einem einzigen Mitarbeiter wurde das Virus auf mehrere Personen in einem Umkreis von mehr als acht Metern übertragen. Die hauptsächliche Übertragung fand im Zerlegebereich statt, in dem Luft fortwährend umgewälzt und auf zehn Grad Celsius gekühlt wird. Demgegenüber spielte die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften während der untersuchten Phase des Ausbruchs keine wesentliche Rolle.
Zudem zeigt eine Auswertung der Virussequenzen, dass sich alle SARS-CoV-2-positiv getesteten Personen aus dem Infektionscluster im Mai 2020 einen Satz von acht Mutationen teilen, der zuvor noch nicht beobachtet worden war. Die gleiche Kombination von Mutationen konnte auch in Proben aus der Zeit zwischen dem anfänglichen Infektionscluster und dem nachfolgenden, sehr viel grösseren Ausbruch im Juni 2020 in derselben Fleischverarbeitungsanlage nachgewiesen werden - eine Beobachtung, die auf ein fortlaufendes Ausbruchsgeschehen hindeutet.
Dazu Prof. Adam Grundhoff, Mitautor der Studie und Forschungsgruppenleiter am HPI: «Unsere Ergebnisse weisen darauf hin, dass die Bedingungen im Zerlegebetrieb – also die niedrige Temperatur, eine niedrige Frischluftzufuhr und eine konstante Luftumwälzung durch die Klimaanlage in der Halle förderten, die Aerosolübertragung von Corona-Partikeln über grössere Entfernungen hinweg förderten. Dies zusammen mit anstrengender körperlicher Arbeit».
Es sei sehr wahrscheinlich, dass diese Faktoren generell eine entscheidende Rolle bei den weltweit auftretenden Ausbrüchen in Fleisch- oder Fischverarbeitungsbetrieben spielen. Unter diesen Bedingungen sei ein Abstand von 1,5 bis 3 Metern alleine ganz offenbar nicht ausreichend, um eine Übertragung zu verhindern.
Und Melanie Brinkmann, Professorin an der Technischen Universität Braunschweig und Forschungsgruppenleiterin am HZI sagt: «Unsere Studie beleuchtet SARS-CoV-2-Infektionen in einem Arbeitsbereich, in dem verschiedene Faktoren aufeinandertreffen, die eine Übertragung über relativ weite Distanzen ermöglichen. Es stellt sich nun die wichtige Frage, unter welchen Bedingungen Übertragungsereignisse über grössere Entfernungen in anderen Lebensbereichen möglich sind». Die Studie erfolgte im Heinrich-Pette-Institut, im Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE) und im Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) wurden. (Text: Heinrich-Pette-Institut)
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