„Wir können gesunde Lebensmittel für 10 Milliarden Menschen
erzeugen und gleichzeitig die Grenzen der Erde wahren“, sagte Brent Loken
auf der Nachhaltigkeitskonferenz des Bundesministeriums für Ernährung und
Landwirtschaft (BMEL) Anfang Oktober in Berlin. Loken ist Direktor für
Wissenstransfer bei EAT, ein Thinktank, der sich zur Aufgabe gemacht hat,
die Planetary Diet bekannt zu machen. Die nämlich zeigt was wir tun
können, um auch beim Essen unsere Lebensgrundlagen langfristig zu
erhalten.
Das Konzept der planetarischen Ernährung wurde erstmals Anfang
2019 der Öffentlichkeit vorgestellt. Es ist Ergebnis eines zweijährigen
Forschungsprozesses von 37 Wissenschaftlern aus 16 Ländern. Es ist mehr
als dringlich, dass wir jetzt handeln, machte Loken klar. Wir haben nur
noch 12 Jahre Zeit unser Ernährungssystem umzubauen. „Das bedeutet, die
Politik muss in den nächsten zwölf bis achtzehn Monaten die Weichen
stellen, um unsere Erde vor dem Kollaps zu bewahren.“
„Unsere Lebensmittel und die Landnutzung sind für 24 % aller
klimarelevanten Gase weltweit verantwortlich“, sagte Loken. Daher sei es
ein Skandal, dass Ernährung auf dem letzten Klimagipfel kein Thema war.
Anders als bei Verkehr, Energieerzeugung oder Gebäuden können wir die
lebensmittelbedingten Emissionen aber nicht auf Null herunterschrauben. Wir
werden auch in Zukunft weltweit fünf Gigatonnen CO2-Äquivalente pro Jahr
emittieren, selbst wenn wir in höchstem Mass nachhaltig produzieren,
schätzt die EAT Lancet Kommission. Derzeit sind wir aber auf dem besten
Wege die sichere Grenze der ernährungsbedingten CO2-Emissionen um 100 % zu
überschreiten bis zum Jahr 2050.
Die wichtigste Strategie, um die Klimabelastung im verträglichen Mass zu
halten, sind Veränderungen auf unserem Teller. Die Planetary Diet setzt
auf viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse, dazu gelegentlich
ein Stück Fleisch und Fisch. Ein Ernährungskonzept, das kulinarisch
durchaus Abwechslung garantiert, das konnten Spitzenköche bereits zeigen.
Landen mehr Hülsenfrüchte auf unseren Tellern und weniger Fleisch, dann
brauchen wir auch weniger Fläche, um unser Essen zu erzeugen.
Die
zweitwichtigste Massnahme betrifft die landwirtschaftliche Produktion. Sie
muss CO2-Emissionen absorbieren statt sie zu emittieren, sagte Loken. An
dritter Stelle der wirksamen Massnahmen steht die Halbierung des
Lebensmittelabfalls. Mit allen drei Strategien zusammen könnten wir unsere
ernährungsbedingten CO2-Emissionen so reduzieren, dass wir wieder in den
„grünen Bereich“ kommen so der Nachhaltigkeitswissenschaftler.
Unser globales Ernährungssystem überlastet aber nicht nur das Klima. Auch
die Landnutzung, die biologische Vielfalt, die Phosphor- und
Stickstoffkreisläufe sind aus dem Ruder gelaufen. Eine
Ernährungsumstellung auf dem Teller allein reicht bei Weitem nicht aus, um
uns zukunftstauglich zu machen. Entscheidend sind hier eine ökologische
Intensivierung der Landwirtschaft und ebenfalls die Verringerung der
Lebensmittelverschwendung, das heisst, alle Akteure müssen ihren Beitrag
leisten. Nicht umsonst sprachen die Editoren bei der Veröffentlichung der
Planetary Diet vom Jahrhundert der grossen Lebensmitteltransformation.
Ernährungsexperten stimmen Planetary Diet zu - teilweise
Der Klimawandel kennt keine Grenzen. Deshalb muss ein
Speiseplan, der gleichermassen gut für die Gesundheit des Menschen und des
Planeten ist, weltweit abgestimmt und umgesetzt werden. Prof. Bernhard
Watzl, Vize-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e.V.
(DGE) begrüsste daher den Bericht der EAT Lancet-Kommission, denn er
formuliert Eckpunkte für eine gesunde und klimaschützende Ernährung und
gibt einen wichtigen politischen Impuls.
Seit 1956 formuliert die DGE ihre 10 Regeln, nach denen eine ausgewogene
und genussvolle Ernährung im Alltag gelingt. In Stein gemeisselt sind
diese Empfehlungen jedoch keineswegs. Sie wurden immer wieder an den
aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand angepasst. Eine ökologisch
verträgliche – nachhaltige – Ernährung ist bereits seit 2011 ein
wichtiges Thema für die DGE, wie Bernhard Watzl in seinem Vortrag betonte.
Vergleicht er die DGE-Empfehlung mit der von EAT Lancet entwickelten
Planetary Diet erkennt er weitreichende Übereinstimmungen: Beide setzen
auf viel Obst und Gemüse und einen relativ geringen Anteil tierischer
Lebensmittel.
Unterschiede zeigen sich auf den ersten Blick bei den Hülsenfrüchten:
Rund 75 Gramm sollen es täglich sein nach der Planetary Diet. In den
DGE-Empfehlungen sind Erbsen, Bohnen und andere Vertreter der
Hülsenfrüchte nicht sichtbar. „Die Hülsenfrüchte sind aktuell noch in
die Warengruppe Gemüse integriert. Das wollen wir in Kürze ändern, weil
das nicht mehr zeitgemäss ist,“ sagte Watzl.
Ähnlich verhält es sich
mit den Nüssen: Die Empfehlungen der Planetary Diet sehen 50 Gramm Nüsse
pro Tag vor. In den DGE-Regeln finden sich derzeit keine eigenen
Empfehlungen zum Verzehr von Nüssen, weil sie dem Obst zugeordnet sind.
„Auch hier stehen Änderungen an“, so Watzl. Der Wissenschaftler
begründet die geplante Überarbeitung mit dem Ziel, mit den
DGE-Empfehlungen noch deutlicher die Gesunderhaltung der Menschen und der
Erde unterstützen zu wollen.
Und wie gesund und nachhaltig essen die Deutschen nun aktuell mit Blick auf
die jeweiligen Empfehlungen? Zum Abgleich zog Watzl die Daten aus der
Nationalen Verzehrstudie II heran. Es gibt noch viel Potenzial das eigene
Essverhalten klimafreundlicher und auch gesünder zu gestalten: Im
Durchschnitt landet viel zu viel Fleisch und zu wenig Obst und Gemüse auf
unseren Tellern. Die durchschnittlichen Verzehrsmengen von Hülsenfrüchten
und Nüssen gehen derzeit gegen Null. (BZfE)
(gb) |