Insekten werden als Superfood der Zukunft und billige Rohstofflieferanten angepriesen, die noch dazu alle erdenklichen Reststoffe verwerten. Heuschrecken und Grillen haben das Potential, die wachsende Weltbevölkerung mit ausreichend Proteinen zu versorgen. Allerdings war bisher unbekannt, welche Futtermittel für eine umweltfreundliche Massentierhaltung von Insekten geeignet wären. Das will die technische Universität (TU) München ändern. Gemeinsam mit dem International Centre of Insect Physiology and Ecology (ICIPE) in Nairobi wurden dazu Forschungen getätigt. Diese zeigen unter anderem, dass Heuschrecken nur schnell wachsen, wenn sie Eiweiss erhalten und Grillen vor allem auf Stärke angewiesen sind. (LID)
Weil Insekten angeblich kaum Klimagase erzeugen, genügsam und nahrhaft sind und schnell wachsen, ist in den letzten Jahren ein regerechter Hype um sie entstanden: Sie werden als Superfood der Zukunft angepriesen, als billige Proteinlieferanten, die noch dazu alle erdenklichen Reststoffe verwerten. „Das klingt alles sehr verheissungsvoll, hat aber mit der Realität wenig zu tun", sagt Wilhelm Windisch, Professor für Tierernährung der TU München. „Wer Tiere professionell und im grossen Massstab halten will, muss exakt wissen, welche Nährstoffe sie brauchen und verwerten können. Und bei Insekten müssen wir das erst herausfinden."
Zusammen mit einem deutsch-kenianischen Forscherteam hat der Agrarwissenschaftler erstmals systematisch untersucht, wie verschiedene Futtersubstrate Wachstum und Entwicklung von Grillen (Gryllus bimaculatus) und Heuschrecken (Schistocerca gregaria) beeinflussen. In der freien Natur ernähren sich beide Gattungen von Blättern. „Doch die ganzjährige Versorgung grosser Insektenfarmen mit frischem Grün ist praktisch nicht zu realisieren", so Windisch. „Man braucht Futtermittel von nachprüfbarer Qualität und Sicherheit, die sich trocknen, lagern und transportieren lassen."
Kommerzielle Tiernahrung würde diese Kriterien erfüllen. Aber deckt sie den Nährstoffbedarf von Insekten? Im renommierten International Centre of Insect Physiology and Ecology (ICIPE) in Nairobi untersuchte das Team, wie die beiden Arten auf unterschiedliche Nahrungsangebote reagierten. Verfüttert wurden verschiedenen Trockenfutter-Varianten, die Maisstärke, eiweiss- und faserreiche Augenbohnenblätter, eiweissreiches Sojaextrakt und mit Vitaminen angereichertes Karottenpulver enthielten. Die Forscher protokollierten täglich die Menge des zur Verfügung gestellten Futters, wogen die Masse der Exkremente und bestimmten am Ende das durchschnittliche Gewicht der ausgewachsenen Insekten. Über drei Monate hinweg wurden zwei Versuchsrunden durchgeführt und am Ende ausgewertet.
„Das Ergebnis hat uns überrascht", erinnert sich Windisch: „Uns war bewusst, dass der Stoffwechsel und die Verdauung bei Insekten etwas anders ablaufen als bei den bisher gängigen Nutztieren wie Rind, Schwein und Huhn. Womit wir nicht gerechnet hatten, sind enorme gattungsspezifische Unterschiede." Heuschrecken beispielsweise können Pflanzenfasern verwerten, die für uns unverdaulich sind. Grillen hingegen scheiden faserreiche Nahrung wieder aus. Heuschrecken wachsen nur schnell, wenn sie Eiweiss bekommen, Grillen brauchen vor allem Stärke.
Woher die Unterschiede kommen, ist derzeit noch ungeklärt: In ihrem nächsten Projekt wollen die Forscher untersuchen, welche Enzyme im Darm verschiedener Insekten aktiv sind und welche von ihnen beispielsweise Pflanzenfaser in Glucose verwandeln können. „Noch steht die Forschung ganz am Anfang: Aber mit jedem Ergebnis verstehen wir den Stoffwechsel und den Nährstoffbedarf einzelner Gattungen besser und können diese Ergebnisse nutzen: beispielsweise um in professionellen Insektenfarmen Biomasse zu verwerten, die bisher nicht genutzt wird, weil sie für Menschen nicht essbar ist und auch andere Nutztieren sie allenfalls schlecht verwerten können", resümiert Windisch. (TU München)
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