Sowohl Hersteller wie auch Konsumtenten sind sich bewusst, dass Süsswaren nicht zu den «gesunden» Produkten gehören, die von Ernährungsexperten empfohlen werden. Diese sprechen sich generell gegen zucker- und fettreiche Produkte mit «leeren Kalorien» aus. Aber die Lust auf Süsses ist angeboren, und Gezuckertes stimuliert die Produktion des Glückshormons Serotonin. Dennoch haben die Konsumtenten beim Süsswarenkonsum ein schlechtes Gewissen, vor allem heute im Zug des starken Gesundheitstrends.
Keine Predigt kann kleine Sünden ausrotten, vor allem nicht, wenn der Sündigkeitsgrad wie bei Süsswaren gering und umstritten ist, aber der Wohlfühleffekt sofort eintritt. Süsswaren sind und bleiben beliebte Genussprodukte. Was sich jedoch ändert, sind die Zusatznutzen und Marketingkonzepte. Der seit langem bestehende Megatrend, Süsswaren mit funktionellen Zutaten gesünder zu machen, ist weiterhin ungebrochen, wie ein Augenschein an mehreren Fach- und Publikumsmessen ergab, so etwa an der. Süsswarenmesse ISM 2024 in Köln
Von Vitaminen zu Antioxidantien
Für die Gesund-Positionierung gibt es viele Möglichkeiten. Die älteste ist der Zusatz von Vitaminen und deren Auslobung, etwa bei Bonbons. Neuerdings entdeckt man nun gesunde Inhaltsstoffe bei einigen traditionellen Zutaten. Oder man verwendet Zutaten mit Gesund-Image anstelle von solchen mit Ungesund-Image. Beispiele für gesunde Inhaltsstoffe sind die Antioxidantien des Kakaos.
Die belgische Schokoladebranche wirbt mit dem Argument der Antioxidantien, da dunkle Schokoladen mit hohem Kakaoanteil typisch sind für Belgien.
Harte Gesundheitsaussagen sind nur in wenigen Fällen erlaubt, «Soft Claims» sind jedoch zulässig, erfordern keinen Forschungsaufwand und verleihen den Produkt nicht ein Medizin-Image. Ist es wirklich sinnvoll, wenn eine Schokoladedeklaration informiert, dass «der hohe Flavanolgehalt helfen kann, die endothelabhängige Vasodilatation aufrechtzuerhalten, die zu einem normalen Blutfluss beiträgt»? Im 2012 erhielt Barry Callebaut die Bewilligung für diese Aussage seiner mit einem Anreicherungsverfahren hergestellten Acticoa und hatte sechs Studien vorgelegt zum Effekt der Kakao-Flavonole beim Menschen.
Ein Beispiel für ein Trendprodukt, das seinen Erfolg dem Gesundimage einer Zutat mitverdankt, ist Frozen Joghurt (Bild). Vor allem da bei der ansonsten normalen Softeis-Herstellung hier Rahm durch Joghurt ersetzt wird, entsteht ein Produkt mit geringerem Fettgehalt und weicherer Konsistenz.
Weitere Beispiele sind Produkte mit Grüntee oder Kräuterbonbons wie jene von Ricola, welche dank des Gesundheitswertes der Kräuter eine hohe Wertschätzung erhalten. Nicht zu vernachlässigen ist das indirekte Gesundimage der Stevioside, meistens einfach Stevia genannt, dem einzigen natürlichen Intensivsüssstoff, der Zucker kalorienfrei und zahnschonend ersetzen kann.
Abwesenheit als Argument
Ebenfalls ins Kapitel der Gesundheit geht der Trend, Zusatzstoffe und allergene Zutaten wegzulassen und damit zu werben. In Süsswaren betrifft dies vor allem künstliche Farbstoffe sowie Milchzucker und Gluten, die eine wachsende Konsumentengruppe als unverträglich befindet. Seit einigen Jahren sprechen die Marketingstrategen auch die noch kleine Gruppe der Veganer an, wenn Produkte frei sind von tierischen Zutaten wie Milch- und Ei-Bestandteilen.
Pflanzenbasierte, vegane Produkte und Zutaten sind weiterhin auf dem Vormarsch wie an der ISM 2024 zu erkennen war. Ein Beispel sind Gummibärchen - rein pflanzlich, ballaststoffreich und stark zuckerreduziert.
Auch die Dauerbackwarenbranche konstatiert den Gesundheitstrend und vermeidet beispielsweise die unerwünschten Transfettsäuren in gehärteten Fetten.
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Nicht wenige Konsumenten betrachten vegane Produkte als gesund, ebenso wie Bioprodukten notabene. Die ökologischen Kaufmotive kommen erst an zweiter Stelle.
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Harte und weiche Functional Foods
Gesundprodukte gehören oft in die Kategorie von Functional Food, einem seit Jahren starken Megatrend.
Nebst den harten gibt es auch hier weiche, quasi emotionale Produktarten, zu welchen die meisten Anti-Aging-Produkte, Beautyfoods und Aphrodisiaka gehören. Sie enthalten Zutaten, die entsprechende Wirkungen versprechen, ohne dass diese direkt mess- und beweisbar sein müssen.
Ein schlechtes Gewissen auf einer andern Ebene haben die Konsumten bei Produkten mit sozial und umwelt-schädlichen Zutaten. Nachhaltig erzeugte Rohstoffe in Süsswaren und Snacks mit einem Fairtrade-Label gewinnen zunehmend an Bedeutung, insbesondere bei Kakao und Palmöl. Mehrere Firmen verwenden heute nachhaltiges Palmöl oder ersetzen diese Fettsorte durch eine andere.
Auch Bioprodukte finden im Süsswarenregal ihren Platz, längst nicht mehr in Nischen sondern als Produktgruppe mit eigenem Profil. Die frühere Meinung der Marketingstrategen, Biokonsumenten würden sich kaum für Süsswaren interessieren und umgekehrt, ist offenbar widerlegt. (GB)
(gb)