Der Ausstieg aus dem Kükentöten bedeutet für die Eierproduzenten einen grossen Wandel. (rho)
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In den letzten Jahren geriet die Geflügelbranche wegen des Kükentötens sowohl gesellschaftlich als auch politisch zunehmend unter Druck. Denn Kükentöten ist ethisch fragwürdig – und das weiss auch die Schweizer Geflügelbranche. Immer stärker wurden in den letzten Jahren deshalb die Rufe, die Praxis einzustellen. Ende 2021 kamen in der Schweiz dann erste konkrete Pläne auf den Tisch, wie der Ausstieg aus dem Kükentöten bewerkstelligt werden soll: Die Vereinigung der Schweizer Eierproduzenten Gallo Suisse legte eine Branchenlösung vor – das absehbare Ende des Kükentötens war beschlossene Sache.
Derweil sieht die Branchenlösung für den Ausstieg aus dem Kükentöten vor, dass in beiden konventionellen Schweizer Brütereien das Geschlecht zukünftig mit der sogenannten In-Ovo-Technologie noch im Brutei bestimmt wird und nur noch weibliche Küken ausgebrütet werden. Der zeitnahe Ausstieg aus dem Kükentöten mit der In-Ovo-Technologie sollte bereits ab Ende 2023 in die Umsetzung gehen.
Was sich allerdings als zu ehrgeizig herausgestellt hat: «Obwohl eine In-Ovo-Maschine im Juli 2022 im Produktionsmodus besichtigt wurde, entspricht die aktuelle Leistungsfähigkeit nicht den Erwartungen und den Versprechen», erklärt Daniel Würgler, Präsident der Branchenorganisation GalloSuisse. «Trotz ersichtlichen Fortschritten und sehr wahrscheinlich weiteren Erfolgen muss festgestellt werden, dass die festgelegten Ziele mit je einer Maschine in einer Brüterei aktuell nicht erreicht werden können», ergänzt er.
Ausserdem verzögere sich die Automatisierung der vor- und nachgelagerten Schritte und die Anforderungen an die Räumlichkeiten für den Einbau der Technologie hätten sich verändert, sodass Anpassungen am Projekt notwendig seien. «Die aktuelle Situation mit den stark gestiegenen Produktionskosten in den letzten zwei Jahren unter anderem für Futter, Energie oder Junghennen zeigt ausserdem, wie schwierig es ist, Mehrkosten am Markt umzusetzen, gerade noch, wenn die Inflation die Konsumentinnen und Konsumenten vor neue Schwierigkeiten stellt», erklärt Daniel Würgler weiter.
Bruderhahn-Aufzucht in Strengelbach
Bereits vor zwei Jahren hat sich die Betriebsleiterfamilie Schütz entschieden, aus dem Kükentöten auszusteigen. «Wir sind der Meinung, dass die Brüder der Legehennen ebenfalls ein Recht auf Leben haben und möchten mit unserem Projekt ‹Güggelglück› als Vorbild vorangehen und andere dazu inspirieren, sich ebenfalls diesem ethischen Problem anzunehmen», erklärt Markus Schütz. Seither werden auf dem Schützhof in Strengelbach nicht nur die Legehennen, sondern auch die Bruderhähne aufgezogen – abwechslungsweise. Für die Nachzucht der gesamthaft 4’000 Legehennen ziehen Barbara und Markus Schütz in regelmässigen Abständen weibliche Küken nach und dazwischen wird der Aufzuchtstall mit der Aufzucht von jeweils 1’500 männlichen Küken ausgelastet.
Mit dem Start des Projekts «Güggelglück» hat der Schützhof auch andere Abläufe angepasst: So legen die Legehennen statt wie üblich ein Jahr, nun 15 bis 16 Monate lang Eier. Die Legeleistung sowie auch die Eierschalenqualität verringert sich nach rund einem Jahr zwar minimal, dafür ist durch die Verlängerung der Lebensdauer der Legehennen weniger Nachwuchs notwendig, was Ressourcen einspart, so Markus Schütz.
«Bei diesem Projekt ist Innovation und Pioniergeist dahinter und wir brauchen solche Erfolge, um andere zu motivieren und mitzumachen», lobt Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli. Denn das Projekt deckt sich mit den Bestrebungen von Bio Suisse, die beim Ausstieg aus dem Kükentöten auf Zweinutzungsrassen und die Bruderhahnmast setzen will.
Viel Aufwand und Engagement nötig
Auch bei der Aufzucht von Bruderhähnen gibt es aber Herausforderungen: «Das Aufziehen der Hähne ist nicht kostengünstig und kann nur durch den Ertrag mit dem Verkauf des Fleisches nicht gedeckt werden», erklärt Markus Schütz. Deshalb wird beim Verkauf der Bioeier ein zusätzlicher Rappen für die Aufzucht der kleinen Hähnchen pro Ei berechnet, um die Rechnung auszugleichen.
Auch das Schlachten der Legehennen und der Bruderhähne ist mit Mehraufwand verbunden, denn die meisten grossen Geflügelmetzgereien haben ihre Abläufe so automatisiert, dass ein Bruderhahn oder eine Legehenne nicht in der Verarbeitungsprozess passt. Die Hennen und Güggel vom Schützhof werden deshalb in rund einer Stunde in die Geflügelmetzgerei «Kopp’s Metzg» in Heimisbach im Emmental transportiert und dort geschlachtet.
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Das Poulet vom Bruderhahn ist etwas weniger vollfleischig verglichen mit jenem von Mastrassen
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Sowohl das Fleisch der Legehennen als auch das der Bruderhähne vermarktet Familie Schütz direkt: Aus den Legehennen werden verschiedene Produkte hergestellt, während die Güggel ganz verkauft werden. Urs Brändli räumt aber ein, dass nicht alle Bioproduzenten von einer so guten Lage in unmittelbarer Nähe zur Agglomeration profitieren können und die Vermarktung durchaus komplex werden könnte. «Wir gehen von rund 700 Tonnen Bruderhahnfleisch aus – für den Detailhandel ist das eine zu kleine Menge und deshalb nicht attraktiv», erklärt er und ergänzt: «Alles über den Direktverkauf abzusetzen wird aber eine grosse Herausforderung.»
So seien die Herausforderungen an den Ausstieg aus dem Kükentöten sehr gross und alle möglichen Lösungsansätze – ob Bruderhahnaufzucht, Zweinutzungshühner oder Geschlechtsbestimmung im Ei – böten Vor- und Nachteile, meint auch Daniel Würgler. Es gebe jedoch eine zentrale Gemeinsamkeit: «Alle Varianten kosten und brauchen die Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten – Lösungen sind nur möglich, wenn die gesamte Wertschöpfungskette die Lösungen mitträgt», plädiert er. Das Ziel der Eierbranche sei es, Lösungen zu erarbeiten, die den gesellschaftlichen Anliegen Rechnung tragen und nachhaltig das Vertrauen in das Schweizer Ei stärke. (Text und erstes Bild: LID)
(gb)