Gulasch genug lang schmoren, damit auch die inneren Bindegewebsschichten gelatinieren.
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Zähes oder faseriges Fleisch ist nur ein halber Genuss und viele Senioren haben Zahn- und Kauprobleme. Beliebt sind bei ihnen bindegewebsarme ausgebeinte Fleischstücke im Gegensatz zu Stücken mit Fettdecken oder Knochen. Und Zartheit ist ein Muss. Massgebend hierfür sind nebst Muskelart und stressfreier Behandlung der Tiere vor dem Schlachten vor allem Züchtungziele und Fleischreifung. Gemäss Werner Wirth, Metzgermeister und Fleischkochbuch-Autor ist dies aber in erster Linie eine Frage der Garmethode: «Es gibt kein schlechtes Fleisch - nur schlecht behandeltes». Er propagiert sanftes Garen.
Ein zartes (und meistens teures) Edelstück ist gut gereiftes Fleisch, das zudem meistens wenig Bindegewebe enthält. Preiswerte währschafte Schmorstücke dagegen wie Hals oder Vorderviertel enthalten mehr Bindegewebe. Dieses ist bei einer alten Kuh zudem zäh und löst sich bei Hitze kaum auf. Nur in saurem Milieu wie bei der Zubereitung von Sauerbraten geht es in Lösung.
Zart oder weich-gekocht?
Der deutsche Fleischexperte Professor Karl O. Honikel slg. erklärte die unterschiedlichen Vorgänge beim sanften Garen und beim «rabiaten» Schmoren: «Wird ein Edelstück schonend gegart, d.h. bei langsamer Temperaturerhöhung, spalten die muskeleigenen Enzyme sowohl die Myofibrillenstruktur wie auch das Bindegewebe und machen dadurch das Fleisch zart. Aber beim Weichschmoren werden die Enzyme durch zu raschen Anstieg auf Temperaturen über 55 Grad frühzeitig inaktiviert».
Dabei entsteht eine andere Art von Zartheit, die sich vor allem auf die Auflösung äusserer Bindegewebsschichten (Gelatinisierung) beschränkt. Die inneren Schichten dagegen, das Epi- und Endomysium ebenso wie ein Teil der Myobrillenstruktur, bleiben intakt und lassen separierbare Fasern entstehen. Dies kennt man vom Sauerbraten aus Kuhfleisch oder bindegewebsreichen Halsstücken. Oder noch ausgeprägter erscheinen sie bei zu kurz gekochtem Gulasch aus dem bindegewebsreichen Halsbereich des Rindes, das daher gern in den Zähnen hängen bleibt. «Fleisch in Zahnlücken hat seine Ursache fast immer in zu wenig gelöstem Bindegewebe», so Honikel. Dies kommt auch bei salamiartigen Rohwürsten vor und ist dort sogar meistens als solches zu erkennen, weil es in der Rohwurst kaum abgebaut wird.
Das oft praktizierte Weichkochen bei Siedetemperatur schadet aber dem Nährwert – temperaturempfindliche Vitamine werden abgebaut. Die Ofentemperatur beträgt 200 Grad, die Kerntemperatur steigt schneller an, und die äussere Fleischschicht erfährt eine forcierte Hitzeeinwirkung: Dies führt beim Braten oder Grillieren einerseits zur erwünschten Krustenbildung, andererseits aber zu hohem Garverlust durch Saftaustritt und Wasserverdampfung, allenfalls gar zu ausgetrocknetem Fleisch.
Nachtgaren oder Pochieren
Die Alternative ist schonendes Niedertemperatur-Garen in stiller Wärme, z.Bsp im gradgenauen Hold-o-mat von «Hugentobler Schweizer Kochsysteme» - mit oder ohne Vakuumbeutel. Niedergaren von Fleisch beruht auf höchstens kurzem Anbraten und sehr langsamem Garen bei maximal 120 Grad Ofentemperatur oder sogar unter 100 Grad. Wenn die gewünschte Kerntemperatur erreicht ist – gemessen mit einer Einstech-Kernsonde, kann das Fleisch stundenlang ohne Qualitätsverlust essbereit gehalten werden. Es wird zarter und verliert weniger Saft, dadurch bleibt es nicht nur saftiger, sondern ergibt auch mehr Tranchen.
Die Kernsonde ist ein Muss beim Niedergaren
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Der Braten kann zeitunabhängig vorproduziert und warmgehalten werden, sogar über Nacht. Wenn man eine Kruste wünscht, muss man das Fleischstück nach dem Garen anbraten. Ein Bratenjus hingegen steht für die Sauce nicht zur Verfügung - er bleibt im Fleisch. Auch die Sanft-Gar-Methode von Wirth entspricht dem Niedergaren aber ohne das hierzulande oft praktizierte vorherige Anbraten. «Nur bei Stücken mit Auflagefett ist vorheriges Anbraten sinnvoll», erklärt der Experte. Für die Zubereitung von Geschnetzeltem an Sauce würde er das rohe Fleisch in die fertige kochend-heisse Sauce geben und nur kurz bei max. 62 Grad ziehen lassen.
Dies ist allerdings eine Gratwanderung, vor allem in Care-GV-Küchen, wo höhere Anforderungen der Hygienesicherheit bestehen: Um bei 65 Grad eine vollständige Pasteurisierung zu erreichen, ist eine Haltezeit von 30 Minuten nötig. Bei 70 Grad verkürzt sie sich auf zehn Minuten und bei 75 Grad auf fünf. Wichtig ist dabei auch, durch Rühren Klumpen zu vermeiden, damit die Wärme gleichmässig einwirkt. Je nach Herkunft ist Fleisch in der Regel frei von Krankheitserregern wie Salmonellen, aber dies ist nicht garantiert, vor allem nicht beim Geflügel. Wenn man an die unterste Grenze der guten Herstellpraxis geht, die bei 65 Grad liegt, muss man Temperatur und Haltezeit unbedingt genau steuern, messen und protokollieren.
Schmoren und zupfen
Eine moderne Variante der Schmormethode bzw. eine Weiterverarbeitung ist zupfen («Pulled Meat»). Diese uramerikanische Barbecue-Spezialität findet auch hierzulande immer mehr Freunde. Genügend lang geschmortes Fleisch wird so zart und fast breiiartig, dass man es mit zwei Gabeln leicht auseinanderzupfen kann. Das Fleisch kann vor dieser «low-&-slow»-Garung leicht eingeölt werden zur besseren Haftung der Gewürzmischung und wird dann mit einer Trockengewürzmischung (Dry-Rub) eingerieben. Man lässt die Marinade in der Regel 24 Stunden im Kühlschrank einziehen. Während der Garzeit von 10 bis 15 Stunden bei 100 und 130 Grad werden nach manchen Rezepten Würzsaucen aufgetragen. Säurehaltige Marinaden unterstützen die Spaltung der Fleischproteine und erhöhen die Hygienesicherheit.
Pulled Meat gewinnt keinen Schönheitspreis, ist aber sehr zart und dank Innenaromatisierung besonders schmackhaft
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Pulled Meat kann man im Smoker aber auch im Backofen herstellen, die Vorbereitung ist die gleiche. Man legt das Fleisch auf den Rost der mittleren Schiene und darunter eine Fettauffangpfanne. Bei 110 Grad Ober-/Unterhitze ohne Luftumwälzung dauert der Garprozess 10-15 Stunden. Danach sollte man dem Fleisch noch eine Stunde Ruhe gönnen zum Temperaturausgleich innen-aussen, bevor man es zerzupft.
Barbecue-Profis mischen das gezupfte Fleisch mit Barbecuesauce, wodurch eine attraktive Innenwürzung entsteht wie bei Wurstwaren. Serviert wird es oft auf einem Hamburgerbrötchen zusammen mit Barbecuesauce und Coleslaw. Die Gewürzfirma Frutarom offeriert sogar eine Paketlösung für Pulled Meat mit Würzungen, Saucen sowie Spritzmittel. Damit lässt es sich traditionell aus Schweinefleisch aber auch aus Rindfleisch herstellen. Das Spritzmittel verleiht dem Fleischsaft eine sämige und leicht gebundene Konsistenz. Geflügel eignet sich zwar auch für diese Zubereitungsart, aber der Vorteil der Zartheitsverbesserung ist geringer als bei Schwein oder Rind. Pulled Pork und -Beef gibt es bereits als Tiefkühl-Convenience bei Grossmetzgereien. (GB)
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