Klimawandel, Umwelt- und Tierschutzpolitik, die Alterung der Landbevölkerung: Die Landwirtschaft Europas steht vor enormen Herausforderungen, die sich je nach Region diametral unterscheiden. Wo wird die Landwirtschaft bald unrentabel?
Wo zwingen Gesetze sie, ihre Praktiken zu ändern? Eine neue Studie hat dies für ganz Europa untersucht.
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Megatrends sind Umwälzungen, die langsam voranschreiten, aber schwerwiegende Auswirkungen haben und sehr viele Menschen betreffen. Im Landwirtschaftssektor, der uns mit Nahrung versorgt, sind sie besonders bedeutsam. Ganze Landstriche entvölkern sich, wenn Böden zu schlecht oder zu trocken werden oder der landwirtschaftliche Nachwuchs fehlt. Der Unmut über intensive Produktionsformen wächst vielerorts, Umweltgesetze werden verschärft. Der Klimawandel wird sich unweigerlich auf die Landwirtschaft auswirken.
Damit die Entwicklungen in eine erwünschte Richtung gelenkt werden können, ist der Blick in die Zukunft hilfreich. Ein Team von Forschenden der WSL, der Agroscope und der Vrije Universiteit Amsterdam (VUA) hat die Methoden der Zukunftsforschung angewandt, vier Megatrends in der Landwirtschaft Europas identifiziert und analysiert und in Kartenform dargestellt. Die Studie ist unlängst im Fachjournal Global Environmental Change erschienen. «Unsere Arbeit zeigt, wo der Druck, Entscheidungen fällen zu müssen, am grössten ist», sagt der Erstautor Niels Debonne von der VUA, der zum Studienzeitpunkt an der WSL forschte.
Abkehr von der industriellen Landwirtschaft
Einer dieser grossen Trends ist die Abkehr von der industriellen Landwirtschaft, die die Herstellung grosser Mengen günstiger Nahrungsmittel in den Vordergrund stellt (Produktivismus), hin zu einer, die gesunde Nahrungsmittel produziert und Umwelt, Tierwohl und Landschaftbild schont. Die neue Studie hat das Vorkommen von Megaställen mit mehr als 500 Kühen, 1500 Schweinen oder 70'000 Hühnern als Indikator für Produktivismus gewertet.
In der Schweiz und in Norwegen sind derart grosse Ställe bereits jetzt verboten, und in Österreich existieren nur sehr wenige. «In der Schweiz werden ländliche Gebiete bereits jetzt für mehr als nur die von ihnen produzierten Lebens- und Futtermittel geschätzt», schlussfolgert Debonne. «Die Massentierhaltungsinitiative, über die wir am 25. September abstimmen, wird zeigen, ob die Schweizer Bevölkerung noch weiter vom Produktivismus abrücken will oder nicht.»
Die drei anderen Megatrends sind:
●Klimawandel,
●Alterung der Landbevölkerung
●strengere Umweltgesetze.
Sie verändern die Rahmenbedingungen, unter denen die Landwirtschaft produzieren muss oder kann.
«Megatrends bauen Druck auf», erklärt Debonne. Die Studie zeigt auf, in welche Richtung dieser Druck tendenziell geht: Führt er zur Aufgabe der Landwirtschaft in bestimmten Regionen, wie in Portugal, oder zwingt er zu grossen Umstellungen, wie in Belgien oder den Niederlanden, weil umweltschädliche Praktiken zunehmend eingeschränkt werden? Stabilisiert er die bisherige Praxis, und hemmt so Veränderungen – auch wünschenswerte? Letzteres sei etwa der Fall in Teilen Grossbritanniens, sagt Debonne.
Die Schweiz scheint mehrheitlich gut für die Strömungen der Zeit gewappnet zu sein. Sie ist Vorreiterin bei der biologischen Landwirtschaft – der Kanton Graubünden weist europaweit einen der höchsten Anteile an Bioproduktion auf. «Wir sehen in Europa einen ideologischen Wandel, eine Landwirtschaft zu wertschätzen, die nicht nur möglichst viel möglichst billig produziert, sondern auch Dinge wie Artenvielfalt oder schöne Landschaften erhält», sagt Debonne.
Bündner Biokäse der Sennerei Sufers
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Die Schweiz hat auch ein überraschend junges Landwirtschaftspersonal – auf fünf ältere Bauern (55+) kommt ein junger (-35). In Portugal oder Spanien ist dieses Verhältnis 15 zu eins. «Das ist gut, denn jüngere Bauern können etwas offener sein, wenn es um nachhaltige Produktionsweisen geht», sagt Debonne.
Die Studie zeigt, dass die europäischen Regionen zwar sehr unterschiedlich sind, aber fast alle mindestens einen, oft sogar mehrere Faktoren aufweisen, die signifikante Reaktionen erfordern. Bei der Planung ihrer zukünftigen landwirtschaftlichen Entwicklungen sollten die betroffenen Interessensgruppen berücksichtigen, dass diese Belastungen bereits jetzt wirken und die Ausgangslage verändern. «Unsere Ergebnisse helfen ihnen dabei und zeigen auf, welche Herausforderungen auf regionaler Ebene am dringlichsten sein könnten», sagt Debonne. «Wir hoffen, dass die Studie die Diskussion anregen wird, wie man mit dem Druck durch diese Megatrends umgehen soll.» (Agroscope)
(gb)