Forciertes Auftauen verursacht hohen Saftverlust, ausserdem wird das Fleisch zäh. Der Grund liegt in molekularen Veränderungen: Wenn man das Fleisch frostet, scheidet der Saft knapp unter Null Grad zuerst reine Eiskristalle aus, und das gelöste Protein konzentriert sich auf.
Bei tieferer Temperatur (und besonders bei schnellem Frosten) gefriert es als Ganzes. Aber beim Auftauen müssen die konzentrierten Proteine das Wasser wieder aufnehmen können - dies braucht Zeit. Noch schlimmer als Saftverlust beim Auftauen ist die Vermehrung der Bakterien, wenn man über fünf Grad auftaut und die Produkte lange stehen lässt.
Vor dem Braten sollte man aufgetautes Fleisch chambrieren und trocken tupfen. Aber Daniel Horisberger, Metzger und Kochinstruktor bei «FCC Food Equipment» würde ein aufgetautes Gros-Pièce eher bei Niedertemperatur garen als braten: «Es trocknet dadurch an der Oberfläche weniger aus».
Oft legen die Gastro-Köche TK-Hamburger direkt vom Tiefkühler auf den Grill – dies ist nur hygienisch sinnvoll und für dünne Stücke akzeptabel. Aber sehr dicke haben auch ihre Tücken:
Eine «ganze TK-Gans sollte man aber nicht ohne aufzutauen langzeitgaren», rät Horisberger. «In der langen lauwarmen Temperaturphase vermehren sich sonst Bakterien ungehemmt».
Spezielle TK-Fleischsorten kann man dennoch unaufgetaut garen: Lose gefrorene «individually quick frozen IQF»-Produkte
(Bild). Solche werden in der Gastronomie beliebter, da sie hohe Convenience bieten. Hergestellt wird IQF zB von Gattiker oder Fredag. Bei Fisch und Meeresfrüchten ist IQF schon längere Zeit Stand der Technik. Auf den Verpackungen empfiehlt Gattiker «das Geschnetztelte nicht aufzutauen vor dem Anbraten».
Allerdings tritt dann umso mehr Saft beim Braten aus, je langsamer die Kerntemperatur auf Brattemperatur steigt. Die Pouletbrüstli hingegen soll man «im Kühlschrank antauen», und das Kalbsragout «gefroren anbraten und bei 68 Grad niedergaren». Genau genommen müsste man von «anschmoren» sprechen, da der austretende Saft kein echtes (trockenes) Braten erlaubt. Wenn der Wassergehalt hoch ist, findet fast keine Maillard-Bräunung statt (so genannte nicht enzymatische Bräunung, an welcher Proteine und reduzierende Zucker beteiligt sind).
Vorbehalt bei Bratstücken
IQF-Produkte sind zwar praktisch, trotzdem setzten sich nicht alle Arten in der Gastronomie durch. Die Köche sind skeptisch bei TK-Fleisch, vor allem bei Kalbfleisch. Als Grund geben sie mangelhafte Zartheit an, aber oft halten sie die Empfehlungen nicht ein und garen zu kurz. In der Tat ist IQF-Rinds- oder -Kalbsgeschnetzeltes zwar zum Schmoren geeignet, aber nicht für die à la minute-Zubereitung. Ähnlich bei Fisch: beim Fisch-Importeur Stutzer & Co rät man Fisch «sogar zum Pochieren aufzutauen, da er sonst trocken wird».
Bei Fisch kann man aufs Chambrieren nach dem Auftauen verzichten, wenn man ihn pochiert. Wenn man ihn aber tiefgekühlt in den Sud legt, scheidet er Protein aus. Eher kann man kleine Meeresfrüchte tiefgekühlt unter die heisse Paella mischen und ziehen lassen. Gut akzeptiert ist IQF-Poulet, eine gutmütige Fleischsorte: Sie duldet mehr Schwankungen beim Zubereiten, ohne zäh zu werden. Vorgängig auftauen ist auch für den ultra-schnellen Induktionsgrill von Hugentobler ratsam.
Daniel Haldimann von Hugentobler AG rät generell ab, tiefgekühltes Fleisch direkt auf den Grill zu legen: «Im Einzelfall mag die Qualität gut herauskommen, aber vorgängig aufgetaut wird sie noch besser». Ausnahmen sind die Friteuse, wo bei einem TK-Stück sehr schnell und von allen Seiten gleichzeitig geballte Hitze eindringt. Ebenfalls ein Spezialfall ist der Heissluftofen mit Mikrowellenunterstützung: Rohe TK-Pouletflügel, -Ragoutfleisch oder -Lachstranchen kann man im «Rapid Cook» von Haari AG direkt braten. (GB)
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