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Smartphones stehen für ein zunehmend personalisiertes und
massgeschneidertes Marketing und den Trend zu umfassender Transparenz bei den
Produkten.
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«Mapsted» heisst eine neue App, die sich derzeit in den USA ausbreitet. Sie ermöglicht die Navigation
innerhalb grosser Gebäude wie Shopping Malls, aber auch von Universitäten oder Verwaltungsgebäuden. In
der Schweiz arbeitet m-electronics mit einer neuen App für das Verkaufspersonal, die die individuelle
Kundenberatung erleichtert. Mit einer Scanfunktion kann das Verkaufspersonal die Einkäufe, Belege und
Garantiescheine direkt aus der Migros-App der Kundschaft auslesen, was eine gezielte und effiziente
Beratung ermöglicht. Spar wiederum experimentiert mit Smart Screens in Schaufenstern und innerhalb der
Ladengeschäfte, die Alter und Geschlecht der Kundschaft erkennen und massgeschneiderte Botschaften
ausspielen.
Alle drei Beispiele stehen für den wichtigsten Trend im Themenbereich Marketing. Mittels Personalisierung
können die Händler die Relevanz der Marketingbotschaft für den einzelnen Kunden markant erhöhen. Dies
betrifft alle Marketingbereiche, von Produktempfehlungen bis hin zu personalisierten Produkten, gezieltes
Ausspielen von Preispromotionen, Modeempfehlungen, von individuellen Newslettern oder gar persönlicher
Kundenansprache im Laden. Bisher standen die relativ hohen Kosten einer feineren Segmentierung der
Zielgruppen im Weg. Die Digitalisierung hat in diesem Bereich zu rasanten Kostensenkungen geführt. Dies
geht einher mit einem wachsenden Kundenbedürfnis nach Individualisierung.
Kundenbedürfnisse verstehen
Future Retail Switzerland identifiziert jährlich die wichtigsten Trends im Schweizer Detailhandel. Die
Resultate basieren auf einer Umfrage bei über 400 Entscheidungsträgerinnen und -träger von Handel,
Industrie und dem Dienstleistungssektor. Die Entwicklungen werden identifiziert und mit
wissenschaftlicher Unterstützung bezüglich Relevanz und Marktreife gewichtet. Die Experten sind sich
einig: Diese Trends werden den Schweizer Detailhandel tiefgreifend verändern.
Eine der zehn wichtigsten Entwicklungen sind umfassende Problemlösungen. Kundenbedürfnisse werden
selten mit einem Produkt alleine befriedigt – meist sind umfassendere Lösungen notwendig, die nicht
zwingend komplex sein müssen. Anschaulich wird dieses Thema etwa im Bereich Do It Yourself und
Wohnen oder bei der Heimelektronik, wo die Kundschaft oft zusätzliche Dienstleistungen wie Transport,
Montage oder Zubehör benötigt. Der Handel muss zunächst verstehen, was die Bedürfnisse seiner
Kundschaft sind und sich danach mit der konkreten Gestaltung von individuell modifizierbaren
Angebotspaketen auseinandersetzen. Hier bietet sich für den physischen Detailhandel auch eine Chance
zur Abgrenzung vom Online-Handel.
Nachhaltigkeit durchdringt alle Bereiche
Die weitere Gruppe wichtiger Trends betrifft das Thema Nachhaltigkeit in den unterschiedlichsten
Facetten. Das gestiegene Umweltbewusstsein der Kundschaft äussert sich in wachsenden Marktanteilen
von Label-Produkten, deren Absatz in der Schweiz auch im Vergleich zum Ausland überdurchschnittlich
hoch ist. Bei Coop liegt der Anteil gelabelter Produkte inzwischen bei mehr als einem Viertel des
Detailhandelsumsatzes. Verschiedene Produzenten investieren massiv in umweltverträgliche
Produktionsprozesse. Der Spielzeughersteller Mattel etwa führt laufend neue Linien aus
Zuckerrohrkunststoff ein und trägt auch einem weiteren wichtigen Trend Rechnung: Der Reduktion von
Verpackungsabfall. Dieses Problem wird auch vom Online-Handel mit Hochdruck bearbeitet.
Hauptauslöser dafür sind entsprechende Rückmeldungen der Kundschaft.
Rasantes Wachstum des Online-Handels
Die Trends sind vor dem Hintergrund eines rasant wachsenden Online-Handels zu sehen, der den
physischen Detailhandel vor gewaltige Herausforderungen stellt. Allein im Covid-Jahr 2020 legte er um
mehr als einen Viertel zu und realisiert im laufenden Jahr einen Umsatz von insgesamt rund 15 Milliarden
Franken, was rund 12% Anteil am Gesamtmarkt ausmacht. Im Nonfood-Bereich erreicht der Online-
Handel bald einen Marktanteil von 20 Prozent. Im Lebensmittelgeschäft beträgt er dagegen erst 3,5
Prozent. Dabei fallen auch nationale Grenzen immer weniger ins Gewicht. «In fast jeder Produktkategorie
ist der Top-Onlineshop in der Schweiz bereits heute sehr oft ein ausländischer Anbieter», stellt der der
diesjährige Future Retail Report fest.
Der Online-Handel verbessert sein Angebot laufend. Viele
ausländische Anbieter verzollen die Produkte inzwischen bereits vorgängig und bewerben ihre Angebote
auf für die Schweiz angepassten Webseiten in Franken. Auch der Online-Handel folgt dem Trend zu
nachhaltigen Produkten und verbessert darüber hinaus mit Hochdruck die Schnelligkeit und die
individuelle Steuerbarkeit seiner Lieferungen.
Wettbewerb beflügelt
Guter und schneller Kundenservice war zwar schon immer ein Anliegen von Händlern. Die Bewegung zu
einem möglichst effizienten und kundenorientierten Service hat aber in den letzten Jahren massiv an
Fahrt aufgenommen. Verantwortlich dafür sind hauptsächlich die Digitalisierung und sich ausbreitende
Technologien wie Künstliche Intelligenz und Machine Learning, die neue Möglichkeiten eröffnen.
Auch Abverkaufsprognosen und optimale Bestellmengen und -prozesse sind schon seit Jahrzehnten ein
wichtiges Thema für Handelsunternehmen. Hier führt die zunehmende Konkurrenz im Online-Handel zu
einem neuen technologischen Schub. Dies weil die Warenverfügbarkeit in Online-Shops für einen
wachsenden Teil der Kundschaft inzwischen wichtiger ist als der Preis.
Kassenlose Läden vorerst vom Tisch
Interessant ist auch ein Blick auf die Entwicklung der Trends gegenüber dem Vorjahr. So hat der Trend
«Kassenlose Läden» beispielsweise sowohl an Relevanz wie auch an Durchsetzung verloren. Gründe sind
unter anderem die enorm hohen Kosten, aber auch der noch fehlende Reifegrad der Technologie,
insbesondere bei grösseren Sortimenten. Nicht zuletzt stellt sich auch die Frage, wie hoch der
Zusatznutzen für den Kunden bei grösseren Warenkörben gegenüber dem Self-Scanning ist, das sich in
den letzten Jahren stark verbreitet hat.
(Swiss Retail Federation)
(gb)