Das Jahr 2020 war für den gesamten Lebensmittelbereich im Detailhandel aussergewöhnlich. Die Folgen der Corona-Pandemie haben das Einkaufsverhalten der Schweizer Bevölkerung massiv beeinflusst und reichen bis ins aktuelle Jahr. Im Sonderbericht zu den Agrarmärkten wurde der gesamte Lebensmittelbereich im Detailhandel in den Fokus gestellt. Dabei wurden Rekordumsätze über fast alle Lebensmittelkategorien beobachtet, mit einem totalen Umsatzplus von 11,3 % im stationären Detailhandel.
Im vorliegenden Marktbericht wird die Entwicklung im Fleischbereich weiter vertieft.
Über alle bedeutenden Fleischkategorien wurde
eine grössere Nachfrage beobachtet. Insgesamt
stiegen die Absätze um 12,1 %. Den grössten Absatzanstieg hat frisches Schweinefleisch verzeichnet. Im 2020 wurden rund 28’600 Tonnen
frisches Schweinefleisch abgesetzt. Das ist ein
Plus von 14,5 % gegenüber 2019. Das gute Grillwetter im Frühjahr 2020, insbesondere während
des ersten Lockdowns, hat die Nachfrage erhöht. Während im Januar 2020 noch 5 % weniger
Schweinefrischfleisch eingekauft wurde als ein
Jahr zuvor, stieg der Absatz in den Monaten April
und Mai um 38 % bzw. 40 % gegenüber den Vorjahresmonaten. Über den Sommer lagen die Absätze noch 7 bis 12 % über dem Vorjahresniveau,
stiegen aber zum Jahresende hin mit den erneuten Restaurantschliessungen um über 21 % im
Dezember. Grossen Zuwachs erzielten Produkte
von der Huft (+17 %), Koteletts (+16 %) und Nierstücke (+15 %).
Frisches Rindfleisch hat sich vergleichbar wie
Schweinefleisch entwickelt und erfuhr in der
gleichen Zeit des Lockdowns einen starken Absatzschub (+40 % im April). Besonders gefragt
waren Fleisch vom Stotzen (+20 %), Entrecôte/Filet (+16 %) und Hack (+14 %), wovon
besonders Burger stark nachgefragt wurden
(+36 %).
Geflügelfleisch als bedeutendstes Produkt im
Frischfleischbereich erreichte mit 62’200 Tonnen einen absoluten Rekordwert. Noch nie hat
der Schweizer Detailhandel so viel Brust, Schenkel, Flügeli von Poulet, Truthahn, Strauss und
Ente abgesetzt wie im vergangenen Jahr. Das
sind 14,1 % mehr als noch 2019.
Charcuterie-Produkte wie Schinken, Würste und
Trockenfleisch verzeichneten ebenfalls einen
Absatzanstieg von 9,6 %, welcher insbesondere
durch Speck (+17 %), Bratwürste (+13 %) und
Schinken (+10 %) getrieben war.
Keinen bedeutenden Absatzzuwachs hingegen
verzeichnete frisches Kalbfleisch mit +0,7 %. Der
Kalbfleischmarkt war am stärksten von der
Schliessung der Gastronomie betroffen, da frisches Kalbfleisch bevorzugt ausser Haus konsumiert wird. Die Entwicklung hat entsprechend gezeigt, dass Restaurantbesucher ihr Konsumverhalten ausser Haus nicht 1 zu 1 in den Haushaltskonsum integriert haben. Neben dem Konsumverhalten spielte das tiefere Angebot in der
Produktion eine bedeutende Rolle. Kälbermäster
stehen bei der Einstallung von hochwertigen
Tränkekälbern vermehrt in Konkurrenz mit Rindermästern, welche die Masttiere insgesamt bevorzugt beziehen können. Die Kalbfleischproduktion im vergangenen Jahr sank entsprechend um 4,3 %.
Geflügelumsätze kratzen an der Milliarden-Grenze
Die höheren Absätze wirkten sich entsprechend
in steigenden Umsätzen aus. Diese erreichten im
gesamten Fleischbereich mit einem Plus von
13,7 % im vergangenen Jahr einen neuen Rekordwert von über 5 Mrd. CHF
Alle bedeutenden Fleischkategorien haben einen
Umsatzanstieg verzeichnet.
Mit einem Plus von
10,7 % auf 2.26 Mrd. CHF behalten CharcuterieProdukte eine massgebliche Bedeutung und machen über 40 % des gesamten Fleischumsatzes
aus. Frischfleisch als wichtigstes Segment im
Fleischmarkt erreichte mit 2.9 Mia. und einem
Plus von 13,7 % ebenfalls einen neuen Rekordwert.
An Umsatzbedeutung gewonnen hat weiter frisches Geflügel. Der Umsatz stieg um 13,5 % auf
993 Mio. CHF und verpasste nur knapp die Milliarden-Grenze. Den grössten relativen Umsatzzuwachs erzielten indes frisches Rindfleisch mit
19,5 % auf 791 Mio. CHF und Schweinefleisch
mit 17,6 % auf 581 Mio. CHF. Bei Kalbfleisch
stiegen die Umsätze immerhin um 7,8 % und bei
Lammfleisch um 14,0 %.
Die Konserven-Umsätze stiegen ebenfalls um
16 % gegenüber dem Vorjahr. Das Einkaufsverhalten bei Konserven unterschied sich allerdings
deutlich zu den anderen Fleischkategorien. Konservenumsätze erlebten einen Rekordzuwachs
im März mit +97 % gegenüber dem Vorjahresmonat, als die Pandemie die Bevölkerung zu
Hamsterkäufen insbesondere bei haltbaren Produkten (Reis, Konserven, WC-Papier etc.) verleitete. Über den Sommer sanken die Umsätze teilweise unter das Niveau des Vorjahres, bevor im
Oktober mit der erneuten Verschärfung der Pandemiemassnahmen wieder ein zeitweiser Anstieg um 46 % beobachtet wurde.
Die Umsatzsteigerungen waren nicht ausschliesslich auf höhere Absätze zurückzuführen.
Der Verkaufswert je Kilogramm stieg über den
gesamten Fleischbereich um 1,4 % an.
Bei frischem Schweinefleisch hat die zeitweise
optimale Abstimmung der Produktionsmengen
auf die Nachfrage zu höheren Preisen entlang
der ganzen Wertschöpfungskette geführt (geschätzt +2,3 %). Das Gleichgewicht wurde erst
gegen Jahresende gestört, als das Produktionsvolumen die Nachfrage wieder überstiegen hat.
Den grössten Anstieg in den Verkaufswerten verzeichnete Kalbfleisch. Ein Teil der teuren Fleischstücke, welche klassischerweise im Gastronomiekanal abgesetzt werden, konnte im
Detailhandel vermarktet werden. Entsprechend
stiegen die Absätze für Filet, Nierstück, Stotzen
und Kotelett überproportional zum gesamten
Kalbfleisch um 8,1 % bzw. 11,7 %. Mit gleichzeitigen Preisanstiegen um durchschnittlich ca.
4,3 % nahm der totale Verkaufswert für Kalbfleisch um 7,8 % zu. Das zeigt, dass das erhöhte
Kalbfleischangebot durch das zeitweise Wegfallen des Gastronomie-Kanals nicht automatisch
einen Preisdruck im Detailhandel ausgelöst hat.
Bei Rindfleisch ist der Anstieg des Verkaufswerts in erster Linie auf Preissteigerungen zurückzuführen. Geflügelfleisch wurde insgesamt
günstiger, der Verkaufswert sank um 0,5 %. Das
hat primär damit zu tun, dass die Absatzanteile
von günstigeren Produkten wie Schenkel, Flügeli
oder ganzem Poulet gegenüber edlem Brustfleisch gestiegen und deren Preise gesunken
sind.
Bei Charcuterie war die Preisentwicklung heterogen. Während die Preise für (Roh-)Schinken und
Terrinen insgesamt gesunken sind, wurden Cervelats, Bratwürste und Saucisson tendenziell
teurer. Insgesamt resultierte ein steigender Verkaufswert um 1,1 %.
Corona bricht langjährige Entwicklungs-Trends
Der Fleischverkauf im Detailhandel im Jahr 2020
unterschied sich in vermarktungstechnischer
Hinsicht diametral von den vorangegangenen
Jahren. Der Fleischverbrauch pro Kopf ist seit
Jahren tendenziell rückläufig. Die Absätze
im Schweizer Detail sind von 2016 bis 2019 jährlich um 1,3 % gesunken. Der Absatz von Frischfleisch und Konserven war stärker rückläufig als
jener von Charcuterie.
Die Umsätze waren insgesamt ebenfalls rückläufig mit -0,5 %, wobei der Charcutiere-Bereich
im Gegensatz zu Frischfleisch und Konserven einen leicht positiven Trend von +0,4 % pro Jahr
verzeichnete.
Mit dem Ausbruch der Pandemie veränderten
sich die jährlichen Wachstumsraten jedoch
stark. Von 2016 bis 2020 wurden sowohl bei
Frischfleisch, Charcuterie als auch Konserven
positive Wachstumsraten für Absatz und Umsatz festgestellt. Insgesamt stiegen Absätze
jährlich um 1,9 %. Die Umsätze verzeichneten ein
Wachstum von 2,8 %. Damit wurden mit dem
Jahr 2020 langjährige Trends im Fleischbereich
gebrochen.
Discounter auf dem Vormarsch
Die Wachstumsraten haben sich nicht nur in Bezug auf die Produktbereiche geändert. Die Einkaufskanäle im Schweizer Detailhandel waren
von der Entwicklung ebenfalls stark betroffen.
Der klassische Detailhandel (Migros, Coop, Manor, Volg etc.) verzeichnete vor 2020 eine negative Absatz- und Umsatzentwicklung. Mit Einbezug von 2020 hingegen ist die jährliche Wachstumsrate in den positiven Bereich gestiegen. Die
Fleischabsätze stiegen von 2016 bis 2020 jährlich im Durchschnitt um 0,5 %, der Umsatz um
1,8 %.
Der Fachhandel und übrige Handel (Metzgereien,
Naturkostläden, Tankstellen, Online-Handel
etc.), welcher in den vergangenen Jahren insgesamt stark rückläufig war, verzeichnete mit dem
Einbezug von 2020 einen noch grösseren jährlichen Umsatzzuwachs als der klassische
Detailhandel, nämlich +1,7 % bzw. +3.0 %.
Die grösste Entwicklung wurde jedoch bei den
Discountern (Denner, Aldi und Lidl) beobachtet.
Bereits vor 2020 ist der Fleischab- und Umsatz
jährlich um über 5 % gestiegen. Mit dem Ausbruch der Pandemie und den damit verbundenen
Massnahmen des Bundes hat sich diese Entwicklung weiter akzentuiert. Von 2016 bis 2020
ist der Fleischabsatz in den Discountern jährlich
um 7,4 % gewachsen, der Umsatz stieg jährlich
gar um 8,0 %.
Bio erreicht ein beachtliches Umsatzwachstum
Ebenfalls deutlich zugelegt hat die Vermarktung
von Bio-Fleisch. Von 2016 bis 2020 stiegen die
Absätze durchschnittlich um 4,8 % pro Jahr, die
Umsätze um 6,4 %. Damit konnte Bio-Fleisch mit
dem Jahr 2020 stärker zulegen als noch in den
Vorjahren. Nicht-Bio-Fleisch verzeichnete hingegen bis 2019 einen Negativ-Trend, sowohl absatz- als auch umsatzseitig. Im Jahr 2020 allerdings ist der Nicht-Bio-Markt im Fleischbereich
überproportional gegenüber dem Bio-Markt gewachsen. Entsprechend hat Bio-Fleisch im vergangenen Jahr keine zusätzlichen Marktanteile
gewinnen können: Der Absatzanteil betrug im
2020 rund 3,7 %, der Umsatzanteil immerhin
rund 5,5 %.
Diese Entwicklung hat mehrere
Gründe. Die schwierige wirtschaftliche Situation
bewegt die Bevölkerung bei der Nachfrage nach
Fleisch eher zum Kauf von günstigeren Nicht-
Bio-Produkten. Zudem sind Restaurantbesucher,
welche aufgrund der Schliessungen der Gastronomie Fleischprodukte vermehrt zu Hause konsumiert haben, mehrheitlich keine klassischen
Bio-Fleisch-Käufer. Ein deutlicher Anstieg des
Bio-Fleisch-Absatzes ist darum auch im laufenden Jahr 2021 nicht zu erwarten.
(Quelle: BLW)
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