Der Fleischabsatz via Gastronomie ist weitgehend eingebrochen aber im Detailhandelkanal werden dafür enorme Zunahmen verzeichnet
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Der Verwaltungsrat von Proviande hat diverse Massnahmen beschlossen, um die Stabilität im Fleischmarkt zu erhalten und die Versorgung der Bevölkerung mit Fleisch aus Schweizer Produktion sicherzustellen. Die Produzenten sind aufgerufen, sich mit dem Angebot zurückzuhalten, Verarbeiter und der Handel sind aufgerufen, die Importe für die nächsten Wochen auszusetzen und Proviande beantragt beim Bundesrat die Unterstützung von Massnahmen zur Marktentlastung während dieser ausserordentlichen Marktlage.
Der Verwaltungsrat von Proviande hat deshalb in seiner ausserordentlichen Videokonferenz vom 25. März 2020 beschlossen:
●die Importeure anzuhalten ab sofort den Import von noch nicht beschafftem Fleisch auszusetzen. Die bereits verzollte Ware soll besonnen zur Versorgung des Fleischmarktes eingesetzt werden.
●dem BLW zu beantragen, die Importperioden für Rindfleisch (Nierstücke, Kühe in Hälften, Verarbeitungsfleisch) um vier Wochen zu verlängern. Das bedeutet, dass bis zum 10. Mai 2020 keine weiteren Importmengen mehr freigegeben werden können und kein zusätzliches Rindfleisch importiert wird.
●dem BLW zu beantragen, die Importperiode für Geflügel-, Lamm- und Pferdefleisch vom 01.01.2020 – 31.03.2020 um einen Monat bis Ende April 2020 zu verlängern. Importe aus der Freigabe für das 2. Quartal 2020 sind von dieser Periodenverlängerung nicht betroffen.
●die per 1. April 2020 vorgesehenen Änderungen bei den Gewichtszuschlägen/-abzügen für Bankvieh bis auf weiteres auszusetzen. Erwartet wird dadurch eine temporäre Angebotsreduktion bei den Banktieren.
●beim Bundesamt für Landwirtschaft eine Prüfung zu beantragen, ob per Notrecht ein Importstopp verfügt werden kann und wenn ja unter welchen Bedingungen.
●beim Bundesrat eine Kostenbeteiligung an Marktentlastungsmassnahmen zu beantragen, um Preiszusammenbrüche zu vermeiden und Überschüsse auf dem Bankvieh-, Kuh- und Kälbermarkt durch Einfrieren des Fleisches vorübergehend vom Markt nehmen zu können.
Gemäss Artikel 13 des Landwirtschaftsgesetzes kann sich der Bund in ausserordentlichen Lagen an den Kosten befristeter Massnahmen zur Marktentlastung beteiligen. Eine befristete Beteiligung des Bundes an den Kosten der Marktentlastungsmassnahmen setzt angemessene Leistungen der Fleischwirtschaft voraus. Bereits vor einer Woche beantragt wurde die Prüfung einer ausserordentlichen Einlagerungsaktion für Gitzifleisch. Die Beteiligung des Bundes an diesen Massnahmen müssten vom Bundesrat beschlossen werden.
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Der Wegfall des Einkaufstourismus erhöht die Inlandnachfrage
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Lagebeurteilung der Branche
Momentan herrscht eine grosse Verunsicherung und es ergibt sich (noch) kein einheitliches Bild. Je nachdem, auf welchen Absatzkanal Unternehmen ausgerichtet sind, fallen die Einschätzungen zur Marktentwicklung sehr unterschiedlich aus. Auf dem Schlachtviehmarkt herrscht zurzeit eine grosse Verunsicherung, was teilweise zu einem Druck auf die Schlachtviehpreise führt. Durch das Verbot zur Durchführung öffentlicher Schlachtviehmärkte wurde ein bedeutender Absatzkanal für Rindvieh und Schafe bis mindestens am 19. April 2020 geschlossen, womit ein gewichtiges Instrument zur Beurteilung der Angebots- und Nachfragesituation nicht mehr zur Verfügung steht und der Lieferverkehr von Schlachttieren auf andere Kanäle verlagert werden muss.
Die Marktlage bei den Schweinen und Schafen ist momentan (noch) ausgeglichen und die Preise stabil. Bei den Schweinen gibt es allerdings Unterschiede zwischen den einzelnen Produktionsrichtungen (Label/QM). Die Preise für Banktiere, Verarbeitungstiere und Kälber sind unter Druck. Die Angebote nehmen zu und die Nachfrage ist unterschiedlich. Bei den Kälbern ist noch schwer abzuschätzen, ob die Marktentlastungsmassnahme den Markt stabilisieren kann. Bei den Gitzi wird mit dem Bundesamt für Landwirtschaft eine ausserordentliche Einlagerungsaktion geprüft, da die für dieses Segment besonders bedeutende Nachfrage der Gastronomie fast vollständig wegfällt.
Handel und Verarbeitung
Die Verlagerung von Handelswegen führt in der Logistikkette (vorübergehend) zu Reibungsverlusten. Mit Lieferverzögerungen und Marktstörungen ist daher zu rechnen. Bei den Importen, insbesondere aus Übersee, treten durch Probleme in der Logistikkette zum Teil erhebliche Lieferverzögerungen auf. Die Belieferungen aus dem europäischen Raum sind momentan (noch) mehr oder weniger gewährleistet. Obwohl der Warenverkehr frei ist, kommt es an den Grenzen wegen Personenkontrollen zu Staus und Wartezeiten. Ausserdem sind die LKW-Fahrer knapp. Müssten grössere Schlacht- und Verarbeitungsbetriebe sowie Transport-/Logistikunternehmen ihren Betrieb herunterfahren oder gar einstellen, sind Engpässe und eine Angebotsverknappung zu erwarten.
Nachfrage und Absatz von Fleisch über den Gastronomiekanal sind weitgehend eingebrochen, im Detailhandelkanal werden dafür enorme Zunahmen verzeichnet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Vorräte in den Haushalten irgendwann aufgefüllt sein werden und dass diese besondere Nachfrage dann nachlassen wird. Sicher ist, dass sich die Leute ernähren müssen und auch weiterhin Fleisch essen werden. Ausserdem erhöht der Wegfall des Einkaufstourismus die Inlandnachfrage. In der Summe sollte eigentlich nicht weniger Fleisch nachgefragt werden. (Proviande 26.3.2020)
(gb)