Schweizer Mastbetriebe halten durchschnittlich 130 Schweine, deutsche hingegen
1180 Tiere. (Bild: LID)
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Eine Auswertung des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW knüpft an die Analyse zu Preis- und Konsumunterschieden von
Schweizer und deutschen Verbrauchern an. Im Fokus der vorliegenden Untersuchung steht der
Vergleich auf Produzentenstufe. Dabei werden
einerseits die Produktionsstruktur und andererseits die Produzentenpreise in Deutschland und
in der Schweiz miteinander verglichen.
Die Hintergründe der Analyse sowie deren Ergebnisse dienen somit auch als Erklärungsansätze für die hohen Preisunterschiede auf Konsumentenstufe.
Der Schweizer Fleischmarkt ist naturgemäss
deutlich kleiner als jener in Deutschland: Im Jahr
2018 betrug die gesamte Schweizer Produktion
rund 490 000 Tonnen. Das deutsche Produktionsvolumen erreichte 7'940'000 Tonnen und
war damit um das 16-fache höher. Der Selbstversorgungsgrad (Anteil Inlandproduktion am Inlandkonsum) liegt in der Schweiz bei 82 %, in
Deutschland liegt dieser Wert bei 115.6%. Das
bedeutet, dass Deutschland insgesamt einen
Export- und die Schweiz im Gegensatz dazu einen Importbedarf aufweist.
In beiden Ländern verzeichnet Schweinefleisch
die höchsten Produktionsmengen, allerdings
nicht im gleichen Ausmass. In Deutschland
nimmt die Schweineproduktion mit 61,6 % der
gesamten Fleischproduktion (ohne Innereien)
eine starke Rolle ein. In der Schweiz hat Schweinefleisch mit 47 % eine etwas weniger dominierende Position in der Produktion, bleibt aber
dennoch mit Abstand die wichtigste Fleischart.
Umgekehrt nimmt die Rindfleischproduktion in
der Schweiz eine viel bedeutendere Rolle ein als
in Deutschland. Zusammen mit Kalbfleisch werden damit 30 % der inländischen Fleischproduktion erzeugt, in Deutschland sind es nur rund
14 %.
Kalbfleisch für sich betrachtet besetzt in
Deutschland anteilsmässig mit 0,6% eine kleinere Nische als Lammfleisch in der Schweiz
(1,1%). Der Grund liegt nicht zuletzt an der topografischen Gegebenheit der Schweiz, welche
eine graslandbasierte Landwirtschaft begünstigt, was die Rindviehhaltung begünstigt.
Anteilmässig ähnlich sieht es beim Geflügel aus.
Hier sind die Produktionsanteile mit etwas mehr
als einem Fünftel vergleichbar.
Tierwohl steht in der Schweiz stärker im Fokus
Für die Tierhaltung massgebend sind die gesetzlichen Vorschriften und Richtlinien privater
oder staatlicher Tierhaltungsprogramme.
Die bedeutendsten Haltungsformen in der
Schweiz neben dem QM-Standard (Einhaltung
des gesetzlichen Mindeststandards) sind Bio
und IP (integrierte Produktion) sowie weitere privatrechtlich organisierte Labelvorgaben. Diese
Produktionsformen stützen sich auf Vorgaben,
welche über dem gesetzlichen Mindeststandard
liegen.
Die Mehrkosten, welche bei der Einhaltung der strikteren Vorgaben anfallen, werden
mit höheren Produzentenpreisen oder bundesseitig durch Beiträge aus den staatlichen Tierwohlprogrammen (BTS/RAUS) abgegolten. Der
Anteil dieser Labels ist je Tiergattung unterschiedlich. Bei der Schweineproduktion wurden
2018 rund 34 %, bei Kalb 25 %, Lamm 10 %,
Rindvieh 29 % (Rinder und Kühe) der Tiere in
einem der grossen Labelkanäle geschlachtet.
In Deutschland hingegen existieren aktuell keine
eindeutigen Daten zur Labelproduktion. Deren
Anteil wird aus Expertensicht aber auf einen tiefen einstelligen Wert geschätzt. Wie sich die Situation mit der Umsetzung der staatlichen Initiative für mehr Tierwohl entwickelt, lässt sich zurzeit noch nicht beurteilen.
Nach aktueller Einschätzung der Agridea (Studie zum Vergleich von Tierschutz und Tier-
wohl) wird der stärkere Fokus auf das Tierwohl
in der Schweiz auch auf gesetzlicher Ebene gestützt. Allerdings steigen die Bestrebungen im
Ausland in Richtung einer tierwohlgerechteren
Haltung. In wesentlichen Aspekten wie etwa
Mindestplatzbedarf oder Tiertransport weist die
Schweizer Tierproduktion striktere Vorschriften
aus.
Grosse Unterschiede in der Betriebsgrösse
Neben den geografischen Restriktionen der
Schweiz wirkt sich auch die Höchstbestandsverordnung massgeblich auf die Betriebsstruktur
aus. Mit der Höchstbestandsverordnung legt der
Bund für jede Tiergattung die maximal Anzahl
Tiere fest, die pro Betrieb gehalten werden dürfen. Eine äquivalente Gesetzgebung gibt es in
Deutschland nicht. Entsprechend gibt es hier
grosse Unterschiede in der Betriebsgrösse.
Die markanteste Differenz zeigt sich in der
durchschnittlichen Betriebsgrösse bei Mastschweinen. Während 2018 in der Schweiz
durchschnittlich knapp 130 Mastschweine je Betrieb gehalten wurden, waren es in Deutschland
rund 1180 Tiere oder 9-mal mehr. In der Schaf/Lamm-Haltung handelt es sich um einen Faktor
4 (42 vs. 165 Tiere) und beim Rindvieh
(Kuh/Rind/Kalb inkl. Milchwirtschaft) um einen
Faktor 2 (44 vs. 86 Tiere).
Höchste Preisdifferenz beim Schwein
Bei der Betrachtung der Preisunterschiede zwischen der Schweiz und Deutschland spielen die
aufgeführten Aspekte eine wichtige Rolle bei der
Interpretation der Auswertung. Zur besseren
Vergleichbarkeit der Produzentenpreise wurde
bei den verschiedenen Tiergattungen eine vergleichbare Taxierung betrachtet (Schweiz: Taxierung nach CHTAX und Deutschland: Taxierung nach (S)EUROP). Die Anteile der bedeutendsten Produktionsformen/Label fliessen als
Gewichtungsfaktoren in den Preisvergleich ein.
Die Preise für Deutschland enthalten der Bedeutung entsprechend ebenfalls Tiere aus Bio- und
Labelproduktion.
Die Preisunterschiede sind über alle beobachteten Tiergattungen hoch. Die grössten Unterschiede wurden bei Kalb (138 %) und Schwein
(149 %) beobachtet. Dies ist nicht überraschend. Einerseits hat Kalbfleisch eine tiefere
Bedeutung für den Verbraucher in Deutschland
als in der Schweiz. Andererseits fällt Kalbfleisch
aufgrund der Verknüpfung mit dem Milchmarkt
zwingend an und muss ebenfalls verwertet werden, was sich auf den Preis auswirkt. Das betrifft
sowohl den deutschen wie auch den Schweizer
Kälbermarkt.
Beim Schwein steht Deutschland im Gegensatz
zur Schweiz im internationalen Wettbewerb. Als
Netto-Exporteur besteht eine Abhängigkeit von
der Marktsituation in anderen Produzentenländern und in den Importländern, wodurch der exogene Preisdruck deutlich grösser ist. Zudem
sind durch die Grössenunterschiede in Deutschland Skaleneffekte sichtbar, welche in der
Schweizer Landwirtschaft nicht umsetzbar sind
(rechtlich als auch praktisch).
Die Analyse zeigt, dass ein reiner Preisvergleich
zwischen der Schweiz und den umliegenden
Ländern ohne begleitenden Informationen ein
unvollständiges Bild zeigt. Weitere Einflussfaktoren zu den oben genannten wie
die eingesetzten Rassen, die Lohnkosten, die Kosten für Betriebsmittel (Futter, Medikamente, Infrastruktur etc.), die Absatzkanäle, Konsumtrends etc liefern zusätzliche Erklärungsansätze für Preisunterschiede und müssen in einer sauberen Interpretation eines Preisvergleichs beachtet werden. (Text: BLW)
(gb)