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Report  08.09.2024
Schokoladeimitationen ohne Kakao im Trend
Imitationen gibt es schon lange, man denke an Margarine oder Zichorienkaffee. Auch Kakao wird heute imitiert.

Auf Platz 1 der Innovationen der ISM 2024 landete Planet A Foods GmbH aus Deutschland mit einem neuartigen Schokoladenerlebnis auf Basis einer Kakaoalternative.


Die Motive für die Suche nach Ersatz sind heute vielschichtiger. Nebst früheren Problemen mit hohen Kosten oder Verknappung kommen bei Imitationen heute gesundheitliche, ökologische und Tierwohlargumente dazu wie der Trend zu veganem Fleischersatz zeigt. Aber auch Kakao als pflanzlicher Rohstoff wird heute imitiert – auch dies wieder aus Kosten- und Umweltmotiven: sein Preis stieg wegen Missernten als Folge des Klimawandels massiv.

WNWN Food Labs, ein britisches Food-Tech-Startup, war nach eigenen Angaben das erste Unternehmen, das 2023 kakaofreie Schokolade lancierte, hergestellt durch Fermentation von Gerste und Carob. Diese getrockneten Früchten des Johannisbrotbaums haben einen fruchtig-süssen Caramelgeschmack, sind weniger bitter als Kakao und gelten als gesund.

Dann folgte Planet A Foods GmbH mit Nocoa (Markenname Choviva). Die deutsche Firma stellte fest, dass der typische Schokoladegeschmack nicht allein aus der Kakaobohne stammt. Vielmehr werden bis zu 80% der Aromen bei Prozessen wie Fermentation und Röstung gebildet. ChoViva schmeckt gemäss der Werbung schokoladig. Es enthält mindestens 20% Hafer und Sonnenblumenkerne, nachhaltige, pflanzliche Fette, Zucker und Milchpulver oder bei den veganen Sorten Hafermehl.

ChoViva wird ähnlich wie traditionelle Schokolade hergestellt. Hafer und Sonnenblumenkerne werden ähnlich wie Kakaobohnen geröstet und vermahlen bis ein aromatisches Konzentrat entsteht, das Kakaopulver entspricht. Im Anschluss wird dieses mit weiteren Zutaten conchiert. Das Ergebnis sei eine zartschmelzende Masse, die wie Schokolade aussieht, so schmeckt und auch so verwendet werden kann. Die Neuheit wurde an der ISM 2024 als innovativstes neues Produkt prämiert.

Ein anderes Konzept für die Kakaoalternative verfolgen die Hochschule ZHAW sowie das Start-up Food Brewer in Horgen: Kakao aus dem Labor bzw Bioreaktor. Dazu extrahiert die Firma aus Kakaobohnen jene Zellen, die für das Wachstum verantwortlich sind. Diese Zelllinien werden dann mit Nährstofflösung kultiviert – analog zum Laborfleisch. Die ZHAW untersucht, welche Auswirkungen der Bioreaktortyp auf den Geschmack der Laborschokolade hat. Konsistenz und Geschmack seien wie bei herkömmlicher Schokolade, aber sie habe ein beeriges Aroma.

Sensorik und Preis sind die Hauptkriterien für die Konsumentenakzeptanz. Dass ein schokoladeähnliches Aroma auf Getreidebasis machbar ist, erstaunt. Aber Fermentation und Röstung (Bild) sind die zwei Prozesse, welche die grösste Aromakomplexität ermöglichen. Und das Beispiel des Zichorienkaffees zeigt, dass völlig andere Rohstoffe bei der richtigen Verarbeitung akzeptable Imitationen ermöglichen.

Allerdings gilt generell die Erfahrung, dass Imitationen zwar besser oder schlechter als das Original herauskommen können aber selten genau gleich. In der Tat: Der Geschmack von kakaofreier Imitation variiert je nach den verwendeten Zutaten. Einige Produkte punkten mit einem milden, cremigen Geschmack. Andere sind eher intensiv, zB durch Zugabe von Nüssen.

«Laborkakao» wäre kontraproduktiv.

Ebenfalls ein wichtiges Kriterium für die Akzeptanz ist das Image der Zutaten und der Machart. Hier haben pflanzliche Alternativen den Vorteil, dass sie bekannt und im Fall des Hafers sogar gesund. Und Fermentieren sowie Rösten sind bekannt im Gegensatz zur Zellkultivierung. Die Food Brewer nennen ihr Produkt sinnvollerweise nicht Labor-Schokolade sondern gebraute Schokolade.

Neuartige Macharten den mehrheitlich konservativen Konsumenten zu erklären ist die grössere Herausforderung. Kultivierter Kakao ist ausserdem als Novelfood bewilligungspflichtig. Ob die Basis pflanzlich oder kultiviert ist – daraus hergestellte Produkte dürfen nicht die Sachbezeichnung Schokolade tragen, welche per Gesetz traditionell gewonnene Kakaobestandteile enthalten muss. Aber das Beispiel der Margarine zeigt, dass eine neuartige Bezeichnung kein unüberwindbares Hindernis darstellt. (GB)
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