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Functional Food: einige sinnvolle - viele mit emotionalem Nutzen. Bild: probiotische MIlchprodukte
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Am deutlichsten zeigt sich die Bedeutung des Megatrends Functional Food (FF) an den Plänen von Nestlé: Der Foodkonzern verfolgt den Umbau zum Gesundheitskonzern und strebt Marktführung an bei Nutrition, Gesundheit und Wellness. Ein Viertel des Forschungsbudgets geht in die Ernährung obwohl diese Sparte heute nur einige Prozent zum Umsatz beiträgt. Auch Unilever forscht in diese Richtung und erwartet, dass Gesundheitsnahrung rund 25 Prozent des gesamten Lebensmittel-Markts ausmachen wird.
FF ist nicht nur für Wissenschafter interessant sondern auch oder vor allem für Marketingstrategen. FF werden oft mit Mikronährstoffen angereichert, aber der sinnvolle bzw bedenkliche Grad der Anreicherung ist umstritten. Damit die Gesundheitsanpreisungen nicht in unlautere Werbung abdriften, regelt die EU nun die Claims wie „schlankmachend", "light", "fettarm" oder "cholesterinsenkend" sowie die Deklaration bei Vitamin- oder Mineralstoffzusätzen.
Das EU-Parlament nahm zwei Verordnungen an, um Aussagen zur Gesundheit und Nährwert wie "schlank machend", "light", "fettarm" oder "cholesterinsenkend" einheitlich und strenger zu regeln. So soll etwa für die Bezeichnung "fettarm" eine Obergrenze von drei Gramm Fett pro 100 Gramm oder 1,5 Gramm pro 100 Milliliter gelten, für "zuckerarm" fünf Gramm Zucker pro 100 Gramm bzw 100 Milliliter.
Entsprechende Claims dürfen nur noch erfolgen, wenn die Produkte die Grenzwerte bei Zucker, Fett und Salz einhalten oder nicht mehr als einen dieser drei Inhaltsstoffe überschreiten.
Die zweite vom EU-Parlament verabschiedete Verordnung betrifft angereicherte Lebensmittel. Der Vorschlag der Kommission enthält eine Positivliste für Vitamine und Mineralstoffe. Und für 16 Vitamine und Mineralstoffe legte die EFSA Höchstmengen für die Produkt-Anreicherung festgelegt. Diese sind so festgelegt, dass sie bei langfristiger täglicher Aufnahme keine Gesundheitsrisiken bergen.
Nestlé, Unilever sowie Emmi setzen systematisch auf FF. Emmi lancierte mehrere milchbasierte Produkte: Aktifit, Benecol (zur günstigen Beeinflussung des Cholesterinspiegels) und Evolus (zur günstigen Beeinflussung des Blutdrucks).
Allerdings: solche Produkte mit harten Claims sind nah beim Medikament-Image. Harte FF wie Evolus oder Becel proactiv (das Benecol-Pendant von Unilever) sprechen eher eine kleine Zielgruppe mit besonderen Ernährungsbedürfnissen an.
Massgeschneiderte, personalisierte Diätprodukte?
Nestlé forscht auch an personalisierten bzw stoffwechsel-spezifischen FF. Vor allem das Marktsegment der stoffwechselbedingten Volkskrankheiten wie Adipositas (Fettsucht) und Diabetes Typ 2 besitzt ein grosses Potenzial. In der Publikumspresse wurde ferner über Stoffwechsel-Diäten berichtet, welche Nahrungsmittel in erlaubte und verbotene einteilt je nach individuellem Stoffwechseltyp.
Dieses «Metabolic Typing» geht davon aus, dass verschiedene Genotypen auf Nahrungsmittel unterschiedlich ansprechen. Aber Marketingversprechungen sind noch verfrüht.
«Nutrigenomik», die Wissenschaft der molekularen Einflüsse von Genen und Nährstoffen auf Stoffwechsel und Gesundheit, ist noch sehr jung. Sie basiert auf der Erkenntnis, dass die Menschen unterschiedlichen Stoffwechseltypen angehören, die genetisch festgelegt sind. Die Gene bestimmen, wie Nährstoffe verstoffwechselt werden, und auch umgekehrt verändern Nährstoffe die Aktivität der Gene. Ein Anwendungsziel ist die Entwicklung von FF für Prävention und Therapie.
Ein Teilbereich der Nutrigenomik ist die Nutrigenetik, d.h. der Einfluss der Gene auf Stoffwechsel und Gesundheit. Die Anwendungsziele sind: Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten und Mangelerscheinungen sowie personalisierte Ernährung auf der Basis individueller genetischer Varianten (Genotyping).
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Nutrigenomik bei Übergewicht? das steht noch in den Sternen
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Dass es genetisch bedingte Stoffwechselkrankheiten gibt, die eine dauernde Anpassung der Ernährung erfordern wie Phenylketonurie und Galaktosämie, ist seit langem bekannt. Auch für Diabetes Typ 1, bei welcher der Körper zuwenig Insulin produziert, existiert eine genetische Veranlagung. Bei den multifaktoriellen Volkskrankheiten äussern sich Experten vorsichtig optimistisch.
So ist bei der Schweizerischen Gesellschaft für Ernährung SGE zu hören: «Bei solchen Stoffwechsel-Krankheiten können jeweils mehrere Gene defekt sein. Dies kann zu Störungen bei den entsprechenden Enzymen und somit zu Teilausfällen im Stoffwechsel führen. Hier liefert die Nutrigenomik-Forschung laufend neue Resultate, die dann zu individuellen Diäten führen können».
Ob Nutrigenomik bei Übergewicht oder Diabetes helfen kann, weiss man heute noch nicht. Die angewandte Ernährungsforschung wie bei Nestlé bringt zwar heute schon massgeschneiderte FF hervor, etwa für Schwangere, Kinder, Sportler oder Personen mit leicht erhöhtem Cholesterin. Aber Stoffwechsel-Diätprodukte setzen Stoffwechselanalysen voraus (Metabolic Typing) um herauszufinden, zu welchem der zahlreichen Typen eine Person gehört. Man ermittelt die Typen anhand einer aufwändigen, teuren Blut-, Urin- oder Speichelanalyse.
(GB)
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