Raclette steht in der Käse-Hitparade der Schweizer weit oben. Nur Mozzarella und Gruyère sind noch beliebter.
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Nach urtümlicher, hauptsächlich im Wallis bekannter Art, wird ein halber Käselaib vor einem Feuer erhitzt und der so geschmolzene Käse mit einem Messer abgeschabt ("racler" bedeutet "schaben"). Der Käse schmilzt durch das Feuer nicht nur, sondern wird auch geräuchert, was ihm einen einzigartigen Geschmack verleiht.
Die zweite Methode, bei der einzelne Käsescheiben in einem Racletteofen erhitzt werden, ist um einiges einfacher und wohl auch deshalb – zumindest ausserhalb des Wallis – beliebter. Ausserdem sind bei dieser Zubereitungsart der Fantasie keine Grenzen gesetzt und der Käse kann zusammen mit Gurken, Silberzwiebeln, Speck und vielen weiteren Zutaten im Pfännchen geschmolzen werden.
Neben der Art der Zubereitung gibt es zwischen Wallis und dem Rest der Schweiz noch einen weiteren Raclette-Graben: So wird Walliser Raclette ausschliesslich aus Rohmilch hergestellt, während beim «Raclette Suisse» auf pasteurisierte Milch zurückgegriffen wird.
Der Käse wird nach der Walliser Methode «raclettiert», d.h. mit einem Spachtel (Rakel) direkt auf einen Teller geschabt.
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Beim Take-away oder dem Partyservice bietet der Käsehälften-Ofen sowohl einen Frische- wie auch einen Showeffekt: Eine Raclettekäsehälfte wird in die Halterung des Ofens eingespannt und unter die Heizspirale geführt. Dann wartet man, bis die oberste Schicht zu schmelzen beginnt. Idealerweise sollte sie leicht bräunen. Durch eine nach oben und unten verstellbare Schiene lässt sich die Schnittfläche je nach Bedarf näher oder weiter an die oben angebrachten Grillstäbe schieben. Beheizt wird dieser Ofen entweder durch elektrisch, mit Gas oder Holzkohle.
Der Käse wird von der Heizquelle entfernt, gekippt und «raclettiert», das heisst mit einem Spachtel (Rakel), dem Raclettemesser, direkt auf einen Teller geschabt. Nach altem Brauch fängt jeder sofort mit dem Essen an, solange der Käse warm ist, und wartet nicht, bis der nächste serviert ist.
Für den elektrischen Racletteofen eignet sich «Raclette Suisse» besser, da Rohmilch-Raclette dabei Fett verliert (ausölt) und Geschmack einbüsst.
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Diverse weitere Komponenten lassen sich zusammen mit dem Käse wärmen wie Pilze und Schinken, Birnen, Feigen, Zuchetti, Tomaten, Gurken, Maiskölbchen, Senffrüchte und Peperoncini. Liebhaber kombinieren auch mit Speckscheiben und Würstchen, obwohl diese ebenfalls fettreich sind. Klassische Begleiter sind kleine Kartoffeln, Silberzwiebeln und Mixed Pickels. Als Dessert ist Fruchtsalat zu empfehlen dank den nahrungsfasernreichen Früchten, welche die geballte Ladung an Protein und Fett etwas abfedern.
Als Getränk passen vorwiegend gehaltvolle (Walliser-) Weissweine, Rosé und eher selten leichte Rotweine. Jugendlicher, leichter bis mittelschwerer Rotwein ist nicht zu verachten. Er wird weniger kalt getrunken und enthält Gerbstoffe, die zum Käse einen angenehmen Kontrast bilden. Eine Weisswein-Alternative ist Federweisser (z.B. Dôle Blanche).
Als alkoholfreies Getränk eignet sich Schwarztee, ebenfalls dank seinen Gerbstoffen. Diese unterstützen die Verstoffwechselung des in grossen Mengen schwer verdaulichen Käses, indem sie das Protein gerben. Auch die Wärme des Tees wirkt unterstützend. Aber dass Schnaps die Verdauung unterstützt, ist ein Märchen. Forscher des Unispitals Zürich haben gemäss Swissmilk im 2010 nachgewiesen, dass Käse länger im Magen liegen bleibt, wenn man ihn mit Alkohol kombiniert (Wein oder Schnaps). Teetrinker verdauen demnach ihr Fondue schneller.
Gute Noten für Pastmilch-Raclettekäse
Bei der traditionellen Zubereitung im Racletteofen können selbst Fachleute Rohmilchkäse nicht von Pastmilchkäse unterscheiden. Dies gemäss einem Bericht des landwirtschaftlichen Informationsdienstes LID, basierend auf Tests der Sendungen "Kassensturz" des Schweizer Fernsehens DRS und "A bon entendeur" des Westschweizer Fernsehens TSR. Eine Expertengruppe an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Milchwirtschaft testete 15 Raclettekäse auf hygienische Anforderungen, Schmelzverhalten und Geschmack. Ein Rohmilchraclette aus dem Wallis wurde aufgrund der hohen Zahl an Staphylokokken ausgeschlossen. Von den restlichen Käsen wurden Produkte von Coop, Migros, Cremo und Emmi am besten beurteilt.
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Walliser Raclette AOC wird aus Rohmilch hergestellt, «Raclette Suisse» aus pasteurisierter Milch.
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Die Rohmilchkäse aus dem Wallis schnitten schlechter ab, weil sie fetthaltiger waren und sich das Fett leichter löste, was den Käse gummiger macht. Urs Guntern vom Walliser Milchverband zeigte sich nicht überrascht: Raclette aus Rohmilch gelinge im Pfännchen nur bei tieferen Temperaturen und kurzer Bratzeit, sagte er. In einem zweiten Test beurteilte eine Gruppe von Spitzenköchen verschiedene Raclettekäse, die im traditionellen Ofen geschmolzen wurden. Die Köche gaben zu, den Rohmilchraclette nicht vom Raclette aus pasteurisierter Milch unterscheiden zu können.
Fettgehalt, Aroma und (nicht) essbare Rinde
Wichtig ist, dass Käse für Raclette einen gewissen Fettgehalt
haben, damit sie gut schmelzen. Walliser Raclettekäse hat
mindestens 50 % Fett i. Tr. (Fettgehalt in der Trockenmasse).
Fettärmere Varianten darunter schmelzen nicht besonders gut und sind daher nicht
zu empfehlen. Bevor Raclettekäse in den Verkauf gelangt, wird die Rinde gewaschen, um dem starken Eigengeschmack am Rand des Käses entgegenzuwirken, der beim Schmelzen entsteht.
Alle natürlich gereiften unbehandelten Käserinden sind
essbar. Künstliche Käserinden aus Wachs oder Paraffin sind nicht
für den Verzehr bestimmt und werden abgeschnitten. Auch wenn die
Verpackung den Hinweis trägt „Oberfläche mit Natamycin
behandelt“, sollte die Rinde abgeschnitten werden. Natamycin ist ein in der EU
verwendeter Zusatzstoff zur Schimmelverhütung (Konservierungsmittel). Schweizer Käse jedoch enthält ausschliesslich natürliche Zutaten. Die Schweizer Käsebranche verzichtet freiwillig auf gesetzlich eigentlich erlaubte Konservierungsmittel (und auch auf Farbstoffe). Dies regelt die freiwillige Verzichtserklärung der Branche, eine Art Reinheitsgebot oder Ehrenkodex der Schweizer Käser.
Bratkäse, die kaum bekannte Unterwaldner Variante
Was den Wallisern ihr Raclette ist den Innerschweizern ihr Bratkäse. Hüben wie drüben schmilzt man Käse, aber ansonsten ist die Zubereitung verschieden. Und auch der Käsegeschmack ist ein anderer: Bratkäse ist ein mild-säuerlicher vollfetter Halbhartkäse aus pasteurisierter Milch oder Rohmilch. Die Laibe sind zwischen 750 und 1,1 Kilogramm schwer bei einem Durchmesser von 13 bis 15 cm. Bratkäse ist etwas milder im Geschmack als
Walliser Raclettekäse.
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Bratkäse wird mit oder ohne Rinde geschmolzen. Statt über einer Feuerstelle, wie das noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Fall war, heute meist geraffelt in einer Bratpfanne mit einem Schuss Weisswein oder Apfelwein, ähnlich wie beim Fondue.
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Verbreitet ist Bratkäse in den Kantonen Obwalden und Nidwalden, wo er als einheimische Spezialität gilt. Er wird dort fast ausschliesslich in Talkäsereien aus pasteurisierter Milch produziert. Auf den Unterwaldner Alpen hingegen verwenden die Käser Rohmilch. Über das Produktionsgebiet hinaus kennt man den Bratkäse kaum.
Serviert wird der Bratkäse zu Kartoffeln oder Brot, auf welche die cremige Masse direkt aus der Pfanne gegossen wird. Es ist auch möglich, den Käse auf ein „eher dunkles Brot“ zu legen, wie der Käser empfiehlt, und so im Backofen zu schmelzen oder ihn als Gratinzutat zu verwenden. Bratkäse muss nicht zwingend „gebraten“ werden, er macht auch als Tafel- oder Dessertkäse zu einem Glas Wein eine gute Figur.
Man kann Bratkäse als kleinen Bruder des Raclette-Käses bezeichnen. Das gilt nicht nur im wirtschaftlichen Sinne. Mit einem Gewicht von etwa einem Kilogramm ist der Bratkäselaib viel leichter als ein Raclettelaib mit seinen rund fünf bis sieben Kilogrammen.
Bratkäse der Seiler Käserei AG in Sarnen OW. Diese Käserei stellt auch rechteckigen «Swiss Premium Raclettekäse» her und gewann bei den “SWISS CHEESE AWARDS 2008“ in der Kategorie “Raclette Suisse“ den ersten Preis! Dies aber überraschenderweise mit dem Bratkäse.
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Während im Tal pasteurisierte Milch grösstenteils maschinell zu Bratkäse verarbeitet wird, ist auf der Alp viel Handarbeit beim Verkäsen der Rohmilch gefragt. Die Verwendung von pasteurisierter Milch hat zwei Gründe. Einerseits verbessert sie die Schmelzfähigkeit des Bratkäses, andererseits ist die kurzzeitig auf 76 Grad erhitzte Milch bakteriologisch unproblematischer als Rohmilch. So kann man eine gleichbleibende Qualität garantieren. Das ist auf einer Alp kaum möglich. Der Rohmilch-Bratkäse von den Alpen gilt dafür als etwas vollmundiger. (Text: Kulinarisches Erbe, LID, BZfE)
(gb)