delikatessenschweiz.ch
Report  15.08.2015
Alles über den Cervelat
Der Cervelat ist unsere Nationalwurst. Er wird überall in der Schweiz produziert und konsumiert. Kürzlich ist ein Buch darüber erschienen mit Geschichten, Rezepten und Spannendem von der Entstehung des Namens, der Cervelathaut-Krise bis zur Cervelatpromin


Der Cervelat (oder Cervelas) ist metzgereitechnisch gesprochen eine kurze, dicke, geräucherte Brühwurst zum warm oder kalt essen, leicht gekrümmt und paarweise zu je 100 Gramm verkauft.

Er besteht aus Rindfleisch, eventuell Schweinefleisch, Wurstspeck, Schwarte und Eiswasser. Schwarte verleiht die währschafte Note. Die typischen Gewürze sind Frischzwiebeln, Pfeffer, Koriander, Muskatnuss, Knoblauch und Nelken.


Dem Cervelat, Schweizer Volkswurst par excellence, ist die Ehre eines Buchthemas zuteil geworden: Im AS Verlag erschien kürzlich «Cervelat. Die Schweizer Nationalwurst». Das Buch enthält 25 Cervelat-Rezepte von Gault-Millau-Koch Beat Caduff - unkonventionell fotografiert und zum Nachkochen geeignet. Die Rezeptsammlung zeigt, wie vielseitig der Cervelat in der Küche verwendbar ist: Cervelat Jägersuppe, Kesselgulasch mit Cervelats, Bergindianerbohnen mit Cervelats, Cervelat Cordon-Bleu, Cervelat Rösti, Spargel Cervelats Saltimbocca, Cervelat Bärlauchrisotto, Cervelat-Stroganoff, Cervelat Kartoffelsalat, Cervelat Fondue, Arbeiter-Kotelettes, Cervelat Curry und vieles mehr.

Ferner: Metzgermeister aus unterschiedlichen Regionen unseres Landes porträtiert, darunter auch Grillweltmeister Grill Ueli Bernold. Der Cervelat wandelte sich in seiner langen Geschichte seit dem 16.Jh von der Festtagswurst zum Lebensmittel für den Alltag. Cervelat-Prominenz und Cervelat-Kunst: Mit Grill-Champion Grill-Ueli, Spitzenkoch Beat Caduff, Komiker Peach Weber, Madame Tricot, Ex-Miss Schweiz Anita Burri, Slam-Poet Gabriel Vetter und vielen mehr. Künstler sind schon lange fasziniert von der Wurst.

Die Visitenkarte der Metzger

«Delikatessenschweiz» präsentiert eine Leseprobe und ein Rezept des Buches: So simpel der Cervelat aussieht: Man sollte ihn nicht unterschätzen. Vor dem Zeitalter der Grossverteiler galt er als Visitenkarte der Metzgermeister. Für einfache Leute, die sich kein teures Fleisch leisten konnten, war der Cervelat ein tägliches Grundnahrungsmittel. In vielen Metzgereien in den städtischen Arbeiterquartieren war er der meistverkaufte Artikel. Er diente sowohl der Zwischenverpflegung oder als ganze Mahlzeit, indem man ihn zum Beispiel mit russischem Salat füllte.


Das Traditionsprodukt, das jede Metzgerei herstellt, ist sehr vielseitig in der Verwendung. Von der Grillwurst über den Wurstsalat bis zu Hauptgerichten.


In die Wurstmasse gehören Rindfleisch (meist ist es Kuhfleisch), Wurstspeck, Schwartenblock und Eiswasser. Heute kommt zudem oft Schweinefleisch dazu. Der Schweizerische Fleischfachverband SFF macht genaue Mengenangaben (27 Prozent mageres Rindfleisch, 10 Prozent Schweinefleisch, 20 Prozent Wurstspeck, 15 Prozent Schwartenblock und 23 Prozent Eiswasser).

Sie sind jedoch nicht verbindlich und variieren je nach Anbieter stark. Immerhin schreibt die Lebensmittelverordnung einen minimalen Anteil von 30 Prozent Muskelfleisch vor. Ein hoher Fleischanteil gilt als Qualitätsmerkmal. Für den Geschmack sind zudem die Gewürze wichtig. Meistens werden Frischzwiebeln, Pfeffer, Koriander, Muskatnuss, Nelken und manchmal Knoblauch dazugegeben. Um der Wurst einen eigenen Geschmack zu verleihen, fügen manche Metzger weitere Gewürze bei, die sie geheim halten.



Cervelat mit SFF-Goldmedaille der Schwyzer Metzgerei Felder (SwissTell)


Viel früher mal sollen die Wurster auch Schweinehirn verwendet haben. Laut einer verbreiteten Theorie hat der Name des Cervelats mit dieser Praxis zu tun (Hirn heisst auf Französisch la cervelle, auf Italienisch il cervello). Die Herkunft des Namens ist allerdings umstritten.

Cervelathistoriker weisen darauf hin, dass keines der bekannten alten Rezepte Hirn als Zutat erwähnt. Hingegen nannte man das Rankett, ein kurzes, dickes Renaissance-Blasinstrument, in Frankreich «cervelas». Auf Deutsch war es unter dem Namen «Wurstfagott» bekannt. Heisst die Nationalwurst Cervelat, weil sie einem alten Holzblasinstrument gleicht? oder hat umgekehrt die Wurst in ihrer Frühform diesem Instrument den Namen geliehen?

Rezept
Arbeiter-Koteletts

4 Cervelats der Länge nach geviertelt
2 Eier verquirlt
etwas Mehl
200g Paniermehl
30g Bratbutter
30 g Butter

Cervelats schälen und der Länge nach vierteln. Im Mehl kurz wenden. Danach durch das verquirlte Ei ziehen und im Paniermehl wenden. In Butter goldbraun auf allen Seiten braten.


Buchtipp
"Cervelat – Die Schweizer Nationalwurst"

Peter Krebs, Roth + Schmid, Beat Caduff, Heinz von Arx
Cervelat – Die Schweizer Nationalwurst
176 Seiten, 200 Abb. Vierfarbig, 21 x 27 cm, Hardcover
ISBN 978-3-906055-38-1
CHF 48.00
http://www.as-verlag.ch/

Wissenswertes und Spannendes

Die genaue Zusammensetzung des Cervelats ist auch heute nicht reglementiert. Die Schweizerische Lebensmittelverordnung sieht jedoch einen Mindestfleischanteil von 30 Prozent vor. Ein guter Cervelat hat aber sicher einen Fleischanteil von 45 Prozent. Mit „Fleischanteil“ ist Muskelfleisch gemeint – man findet also weder Lunge noch Herz im Cervelat.

Grundsätzlich gehört in einen Cervelat Rindfleisch, Speck von der Schulter, dem Stotzen oder vom Hals, Schwartenblock und Eiswasser. Einige Produzenten geben aber dem Cervelat auch Schweinefleisch bei. Hinzu kommen als Gewürze, Pfeffer, Muskatnuss, Koriander, Knoblauch, Nelken und Frischzwiebeln. Damit das Fleisch gut umgerötet wird, fügt man heute in der Regel Nitritpökelsalz hinzu. Wichtig für die Herstellung eines guten Cervelats ist mageres, trockenes Rindfleisch.

Bei der Herstellung gibt der Metzger Rindfleisch, Speck, Schwartenblock, Salz und Gewürze in den Blitz (Kutter) und verarbeitet es unter Zugabe von Eis oder Wasser. Der Cervelat wird bei eher niedriger Tourenzahl geblitzt. Es entsteht ein feines, aber nicht allzu feines Brät. Bei etwa 13 Grad Celsius nimmt man das Brät aus der Maschine und füllt es mit der Wurstspritze in einen Rindskranzdarm.

Die fertigen Würste hängt man an den Rauchwagen. Anschliessend werden sie drei Mal 20 Minuten bei 50 bis 80 Grad Celsius heiss geräuchert. Danach muss man sie während 25 bis 30 Minuten bei 75 Grad Celsius brühen. Zum Schluss muss man die Cervelats im Wasserbad oder unter der Wurstdusche kühlen, damit sie sich nicht zusammen ziehen und schrumplig werden. Der Prozess vom Fleisch zur fertigen Wurst dauert ungefähr zwei Stunden.



Wurstbrät im Blitz


In der Schweiz werden jährlich 160 Millionen Cervelats produziert. Die kurze, dicke Brühwurst hat in der Schweiz einige nahe Verwandte. Vor allem der St. Galler Stumpen sieht dem Cervelat zum Verwechseln ähnlich; allein, er ist meist ein wenig grösser und schwerer als dieser. Die Schützenwurst, in der Region Basel auch Aussteller genannt, ist aufgrund ihres Kalbfleischanteils feiner, sowohl in Bezug auf die Konsistenz als auch im Geschmack. Zudem ist die Schützenwurst nicht gekrümmt wie der Cervelat sondern schnurgerade. Den Cervelat kennt man übrigens auch im Elsass. Er sieht gleich aus wie sein Schweizer Verwandter ist aber eine reine Schweinswurst.

In der Schweiz stellen sowohl industrielle Fleischverarbeitungsbetriebe als auch kleine Metzgereien Cervelats her. Dabei unterscheidet sich der Produktionsablauf kaum. Auch in den grossen Betrieben liegt die Brätherstellung in den Händen von gelernten Metzgern. Das Abfüllen wird dort jedoch häufig von Frauen übernommen, die für diese Tätigkeit angelernt worden sind.

Meister spricht eine weitere Veränderung des Cervelats in den letzten 30 Jahren an: Das Brät wird immer feiner. Seit der Einführung des Blitzes in den 1950er Jahren gibt es die Möglichkeit, extrem feines Wurstbrät herzustellen. Damit werden auch die Unterschiede zur Schützenwurst und zum Stumpen immer kleiner und schwieriger wahrnehmbar.

Der Cervelat fehlt an keinem Schweizer Volksfest. Er ist eine beliebte Wurst beim Grillieren und wird auch gerne roh mit einem Stück Brot zum Znüni gegessen.

Mit Käse gefüllt und Speck umwickelt heisst er Arbeiter-Cordon-bleu, an beiden Enden kreuzförmig eingeschnitten und auf einen Haselzweig gespiesst wird er über dem Feuer grilliert, in Stücke geschnitten in Tomatensauce gleicht er dem Gulasch. Auch im Wurst-Käsesalat ist er sehr beliebt, in dieser Variante aber fast nur in der Deutschschweiz.

Der Cervelat erreicht beinahe den Status eines helvetischen Grundnahrungsmittels und wird dementsprechend auch in allen drei Landesteilen mit grossem Appetit verzehrt. Im Jahr 2006 assen Herr und Frau Schweizer durchschnittlich 14 Stück. (Text: www.kulinarischeserbe.ch)



In der Schweiz nennt man die Schönen und Reichen Cervelat-Prominenz. Ex-Miss Schweiz Melanie Winiger soll einst gesagt haben: «Ich bin kein Star, sondern ein Cervelat-Promi.»



Die Haut gerettet

Der Cervelas wird traditionell seit jeher in einen engen Rinderdarm gefüllt. Stammte dieser Naturdarm am Anfang noch aus eigener Schlachtung, so zeichnete sich mit steigendem Wohlstand und Konsum sehr schnell auch eine Darmknappheit ab. Wegen des enormen Bestandes an Rindern fiel die Wahl rasch auf Brasilien. Die dortigen Zebu-Rinder lieferten nicht nur die Menge an verlangten Kalibern (Durchmessern), sondern die Därme dieser Rinderrasse war und ist praktisch fettfrei und sehr stabil.

Nur der Darm (Bild: Aufziehen auf das Wurstfüllrohr) des brasilianischen Zebu-Rindes gibt dem Cervelat ferner die ideale Krümmung und die richtige Farbe. Daher war es ein Super-GAU für die hiesige Metzgerschaft, als die EU im April 2006 aus Angst vor BSE ein Importverbot für Rindfleisch aus Brasilien verhängte.

In der Folge gründete die Schweiz eine «Task-Force Cervelat», die Alternativen suchte – und auch fand: Rinderdärme aus Uruguay, Schweinsdärme aus China und Kunstdärme aus Rinderhaut. Im Oktober 2012 hob der Bund das Importverbot für Rinderdärme aus Brasilien auf. Damit wurde ein Schlussstrich unter die nationale «Cervelat-Krise» von 2008 gezogen. Die EU-Kommission hatte entschieden, Brasilien den Status eines Staates mit vernachlässigbarem BSE-Risiko zu gewähren. Gemäss einer Weisung des Bundesamtes für Veterinärwesen passte daraufhin der Bund seine Risikobewertung ebenfalls an. (GB)
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