Die aus den Anden stammende Kartoffel war im Mittelalter in Europa willkommen und wurde als Hungerbrecher gefeiert. Aber in Peru und Umgebung wachsen noch mehr nährstoffreiche und wertvolle Grundnahrungsmittel wie Quinoa und Amaranth. Diese erobern erst heute unsere Küchen und Backstuben. Für Veganer und Zöliakie-Betroffene spielen sie eine wichtige Rolle dank ihrer guten Proteinqualität. Bild: Peruanerinnen mit Quinoa-Zweigen.
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Das aus den Anden stammende Quinoa wird häufig als Inka-Reis bezeichnet, ist aber kein Getreide sondern ein Fuchsschwanzgewächs und somit eher mit Spinat oder Rüben verwandt. Quinoa und Amaranth sind seit 7000 Jahren Grundnahrungsmittel im Anden-Hochland. Quinoa wird überwiegend in den Hochebenen der Anden zwischen 25000 und 3800 Meter angebaut, da die Pflanzen geringe Ansprüche an Boden und Wasser stellen: die Pflanze erträgt Kälte und Hitze, Trockenheit und Dauerregen. Aber es gibt sogar Sorten, die im tropischen Küstenklima gedeihen.
Die einjährige Pflanze, die auch als Reismelde, Inkakorn oder Andenhirse bekannt ist, erreicht 0,5 bis 1,5 Meter Höhe. Die senfkorngrossen Samen haben eine getreideähnliche stärkereiche Zusammensetzung, daher wird Quinoa − ebenso wie Amarant −, als glutenfreies Scheingetreide bezeichnet. Der Gehalt an Eiweiss und einigen Mineralstoffen (besonders Magnesium und Eisen) übertrifft sogar den Gehalt im Getreide.
Wie alle glutenfreien Getreide oder Scheingetreide sind weder Quinoa noch Amaranth backfähig: es kann sich bei der Kohlendioxidbildung durch Hefegärung kein Klebernetzwerk mit stabilen Gasporen ausbilden. Ausserdem fehlt der typische Brotgeschmack, der ebenfalls nur bei der Kombination von Gluten und Hefe entsteht. Beim Backen entstehen jedoch wie bei normalen Broten Röstaromen in der Kruste.
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Amaranthbrot der Schaffhauser Bäckerei Köhler
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Man kann für die Brotherstellung 20 bis 30% eines backfähigen Mehls (Weizen, Dinkel) durch Quinoa oder Amaranth ersetzen und erhält ein gesundheitlich aufgewertetes Brot mit immer noch fast normalem Volumen und Geschmack. Glutenfreies Brot dagegen benötigt Backpulver zur Lockerung und allenfalls ein weiteres glutenfreies Mehl wie Reismehl. Weniger Probleme bietet die Herstellung von Biscuits aus reinem Quinoa, die je nach Teigtyp ohnehin nur wenig Lockerung erfahren.
Quinoa-Biobiscuits der Simmentaler Bäckerei Gerber. Deklarierte Zutaten: Rohrohrzucker, Roggenmehl, Quinoaflocken 20%, Sonnenblumenöl, Hirseflocken, Butter, Eier, Meersalz, Orangenschalenöl 0.3%, Backtriebmittel
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Das Aminosäurespektrum umfasst alle essentiellen Aminosäuren, darunter auch Lysin, das in Getreide untervertreten ist. Die Fettsäuren sind zu über 50 Prozent ungesättigt, ein weiterer gesundheitlicher Vorteil. Dagegen enthält Quinoa in den Samen kein Vitamin A oder C. Das Korn sollte kühl sowie licht- und luftgeschützt gelagert werden, da es wegen seines ungesättigten Fettes ranzig werden kann.
Wie andere Fuchsschwanzgewächse sind Quinoablätter reich an Oxalsäure und sollten daher von Patienten mit Nierensteinen gemieden werden. Die Samenschalen enthalten bitter schmeckende Saponine, die der Pflanze zum Schutz vor Schädlingen dienen. Ungeschält und roh ist das Korn daher ungeniessbar. Bei handelüblichem Quinoa wird heute der grösste Teil durch Schälen und Waschen in alkalischer Lösung entfernt. Beim Garen reduziert sich der Saponingehalt weiter. Aufgrund eines möglicherweise verbleibenden Saponingehaltes sollten Kleinkinder auf Quinoa verzichten.
Wolfsbarsch mit Quinoapanade vom peruanischen Spitzenkoch Adolfo Perret
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Quinoa lässt sich gut anstelle von Reis verwenden aber mit einem Korn-Wasser-Verhältnis von 1:4 statt wie beim Reis 1:3. Wie beim Reis wird die Flüssigkeitsmenge beim Kochen vollständig aufgenommen. Man kann es körnig oder cremig (Quinotto) zubereiten. Die Garzeit beträgt 15 bis 18 Minuten. Die schwarzen Sorten sind schmackhafter als die dezenten weissen Sorten. Aufgrund eines möglichen Saponin-Restgehaltes sollte unraffiniertes Quinoa vor dem Garen gut gewaschen werden.
Der hiesige Naturkosthandel führt Quinoa pur oder als Zutat in Müeslimischungen. Für Zöliakie-Diätetiker bildet es einen vollwertigen Getreideersatz. Aufgrund des hochwertigen Proteins von hohem Anteil ist es in der vegetarischen sowie veganen Küche sehr beliebt. Quinoa ist ferner reich an gesunden Nahrungsfasern und besitzt einen tiefen glykämischen Index.
Quinoa besitzt einen leicht nussigen Geschmack. Um ihn zu verstärken, kann Quinoa vor dem Garen kurz in einer heissen Pfanne geröstet werden. Abschmecken kann man mit Muskatnuss, Curry, Pfeffer, Koriander oder wie die Peruaner mit Krauseminz (hierba buena). Quinoa eignet sich als Beilage, Einlage in Suppen oder als Flocken in Müesli. Auch Quinoablätter lassen sich zubereiten: ähnlich wie Spinat oder Mangold.
Ein Tipp der auf peruanische Rohstoffe spezialisierte Luzerner Firma Sembrador: Aus Quinoa Flocken, Salz und Gewürzen lässt sich ein wohlschmeckendes glutenfreies Paniermehl herstellen. Für Convenienceprodukte werden die Körner gemahlen, gepoppt oder zu Flocken verarbeitet.
Tipps vom Quinoa-Botschafter und Spitzenkoch
Der Peruanische Spitzenkoch (mit Schweizer Wurzeln) Adolfo Perret (Bild) gab kürzlich im Zürcher Hotel St.Gotthard eine Kochdemonstration für den Schweizer Peruanerinnen-Verein, veranstaltet vom Peruanischen Konsulat. Er zeigte und erklärte diverse Anwendungenformen von Quinotto (Bild) über Fischpanade bis zum Fruchtmüesli. Im Rahmen des anschliessenden Perufestivals, das dieses Jahr zum zweitenmal stattfand, konnte sich auch das Schweizer Publikum vom kulinarischen Wert des Korns überzeugen.
Perret wünscht sich dass «Quinoa als hochwertiges Lebensmittel dazu beitragen kann, die Mangelernährung bei Kindern zu bekämpfen und in der Ernährungsberatung eine Rolle zu spielen. Und dass auch in andern Ländern Spitzenköche eigene Quinoagerichte kreieren, um das Korn auf der ganzen Welt bekannt zu machen». Den Schweizer Konsumenten gibt es Tipps: «Quinoa kann in einem Hamburger die Hälfte des Fleisches ersetzen. Für einen veganen Burger ersetzt man die andere Hälfte durch Linsenpüree».
Fotosession nach der Kochdemo: alle Peruanerinnen wollen mit dem berühmten Koch aufs Bild. In ihren Gläsern ist Pisco Sour, der bekannteste peruanische Cocktail. Basis ist Pisco, ein Traubenschnaps, benannt nach der Stadt Pisco in Peru,
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Heute wird in der Tat der Quinoa-Anbau im Rahmen von Entwicklungsprojekten in Peru und Bolivien gefördert, da die Pflanzen geringe Ansprüche an Boden und Wasser stellen und als ein gesundes alternatives Nahrungsmittel erkannt sind.
Vom Verbot zum Superfood
Quinoa ist seit 6000 Jahren gemeinsam mit Amarant (ebenfalls ein Scheingetreide) ein Hauptnahrungsmittel in Südamerika. Es wurde besonders in den Hochebenen der Anden oberhalb von 4000 M.ü.M. angebaut. Dort waren beiden Pflanzen unentbehrlich, da Mais als einzige Alternative in diesen Höhen nicht mehr angebaut werden konnte. Während der spanischen Eroberungszüge gegen die Inkas und Azteken im 16. Jahrhundert durch Francisco Pizarro und Hernán Cortés wurde der Anbau von Quinoa und Amarant verboten, um die indigenen Völker zu schwächen.
Das als „unchristlich“ eingestufte Nahrungsmittel blieb dadurch in Europa bis ins 20. Jahrhundert hinein nahezu unbekannt – im Gegensatz zur ebenfalls aus den Anden stammende Kartoffel, die sich in Europa durchsetzen konnte und im Mittelalter sogar winterliche Hungersnöte verhinderte.
1993 machte ein Bericht der NASA Quinoa international bekannt als „neues“ Getreide, das sich durch seinen hohen Eiweissgehalt und sein ausgewogenes Aminosäurespektrum besonders für die Astronauten-Ernährung eignen würde. Die Nachfrage stieg in den kommenden Jahren in Europa und Nordamerika sprunghaft an. Dies und ein Superfood-Image führte zu einem erhöhten Weltmarktpreis und steigenden Einkünften der Quinoa-Bauern.
Quinoasalat analog zu unserem Reissalat, am Büffet im Hotel St.Gotthard
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Andererseits konnten sich nun immer weniger Andenbewohner das stark verteuerte Lebensmittel leisten. Dennoch ist es in den Anden immer noch ein wichtiges Grundnahrungsmittel. Bei uns findet man es heute nicht nur in Reformhäusern sondern auch in Supermärkten. Es spielt eine wichtige Rolle bei der glutenfreien oder veganen Ernährung.
Laut FAO wurden 2013 weltweit 103.418 t Quinoa geerntet. Hauptanbauländer sind Peru, Bolivien und Ecuador. Peru exportiert mehrere Sorten (weiss, rot und schwarz). Quinoa ist dort noch heute ein Grundnahrungsmittel und wird auch verarbeitet verkauft als Mehl. Man stellt daraus Quinotto, Brei, Teigwaren, Biscuits, Chips, Riegel und sogar Getränke her.
Quinoa wird heute auch in Mitteleuropa angebaut: die Aussaat erfolgt im April und die Ernte ab Mitte September mit Mähdreschern. Da die Körner in den grossen Fruchtständen ungleichmässig reifen, müssen sie nach der Ernte zwecks Haltbarkeit getrocknet werden.
(gb)