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Report  15.03.2008
Jamón Ibérico: Spanischer Rohschinken der Edelklasse
Der edelste Spanische Rohschinken Jamón Ibérico de Bellota stammt von Schwarzfuss-Freiland-Schweinen, die Eicheln und Kräuter fressen. Schweizer Metzger durften die Produktion besichtigen

Die Ibérico-Schweine, die einer Kreuzung zwischen Wild- und Hausschwein entstammen, wachsen nur sehr langsam. Ihre Hinterschinken sind zudem wesentlich weniger stark ausgebildet als diejenigen von konventionellen Schweinerassen. Weil Ibérico-Schweine meist schwarze Klauen aufweisen, werden ihre Schinken oft auch als Jamón de pata negra (Schinken vom schwarzen Bein) bezeichnet. Im Gegensatz dazu stammt der bei uns vielfach bekanntere Jamón Serrano von weisshäutigen Schweinen.

Damit ein Rohschinken als Jamón Ibérico bezeichnet werden darf, muss das Muttertier reinrassig sein; der Vater hingegen kann auch eine Duroc-Jersey-Abstammung aufweisen. Die Sauen werden im Natursprung gedeckt und die mit wenigen Ausnahmen braun gefärbten Ferkel in einfachen Hütten aufgezogen (2.3 bis 2.4 Würfe pro Jahr). Anschliessend erfolgt die erste Phase der Mast mit Getreide bis zu einem Alter von rund 12 Monaten.


Die letzten sechs Monate verbringen die Tiere frei in den Eichenhainen (2 Tiere pro ha). Auf diesen kommen meist drei unterschiedliche Eichenarten (zB Korkeiche oder Steineiche) mit unterschiedlichen Blütezeiten vor, was insgesamt ein längeres Eichel-Angebot ermöglicht.

Je nach Dauer der Eichelmast wird zwischen drei Qualitätsstufen unterschieden:

Bellota (auch Montanera): von Ibérico-Schweinen, die mind. 40% ihres Lebendgewichtes freilaufend und nur durch Eicheln und Kräuter zugelegt haben (höchste Qualitätsstufe): nur erreichbar, wenn der Geburtszeitpunkt der Tiere mit der Eichelsaison abgestimmt werden kann.

Recebo: von Ibérico-Schweinen, die während der Endmast zusätzlich mit max. 30% Eicheln gefüttert wurden . Dies ist oft der Fall bei zu leichten Tieren oder wenn die Endmast nicht optimal auf die Eichelsaison ausgerichtet werden kann.

Pienso (auch Cebo oder Campo): von Ibérico-Schweinen, die nur mit Getreide gemästet wurden.

Ibéricoschweine kosten das Vierfache

Die Ibérico-Schweine werden im Alter von rund 1½ Jahren im Bereich von 160 kg Lebendgewicht (LG) geschlachtet. Diejenigen Tiere, deren Schinken die Bellota-Qualität erreichen, fressen bis zum Schlachtzeitpunkt zwischen 450 und 500 kg Eicheln. Bedingt durch das langsamere Wachstum der Tiere wird das Fleisch vergleichsweise dunkler, würziger und weitaus fettiger, wobei gerade letzteres in Spanien als besondere Delikatesse gilt. Im Vergleich zu den konventionellen Rassen (0.8 Euro pro kg Lebendgewicht) löst der Produzent von Ibérico-Schweinen mit rund 3 Euro pro kg Lebendgewicht einen fast viermal höheren Preis.

Der Konsum von Rohschinken nimmt in Spanien einen hohen Stellenwert ein; so sind Preise von bis zu 250 Euro pro kg (inkl. Knochen und Schwarten) durchaus üblich. Im Vergleich zum Parmaschinken wird der Jamón Ibérico als nussiger und kräftiger im Geschmack beurteilt. Beim Endverbraucher angelangt lässt sich je nach Rahmenbedingungen z.T. auch ein recht ranziges Aroma feststellen.

Vielfach wird auch aus den Schultern in analoger Weise ein rohgepökeltes Fleischerzeugnis (Paleta Ibérica) hergestellt. Da dieses wesentlich billiger als der Jamón Ibérico ist, findet es vielfach Verwendung als Firmengeschenk oder bei den Konsumentinnen und Konsumenten mit einem geringeren Budget. Die übrigen Teilstücke der Ibérico-Schlachtkörper werden meist in Form von Frischfleisch vermarktet und zeichnen sich durch eine starke Marmorierung aus. Bekannt sind das Nierstück (Lomo), das Filet (Solomillo) wie auch der Speck (Rücken- oder Bauchspeck, als Lomo de Tocino bezeichnet).

Bis 38 Monate gereift

Beim typischen Zuschnitt wird die Schwarte jeweils oberhalb des Schenkels in V-Form dressiert und ein Teil der Speckschicht entfernt. Anschliessend gelangen die Schinken in den Verarbeitungsbetrieb, so etwa Navidul in Trujillo (im Bezirk Caceres). Aufgrund des vergleichsweise schmierigen Fettes der Ibérico-Schweine werden die Schinken zuerst leicht angetrocknet und frühestens zwei Tage nach der Schlachtung weiterverarbeitet.

Im Betrieb angelangt erfolgt die Einteilung der Schinken in verschiedene Klassen (40% Ibérico: nach Gewicht; 60% Serrano: nach Gewicht und Fettanteil). Danach wird maschinell weiteres Restblut ausgepresst, bevor die Einsalzung durch das maschinelle Auftragen und das leichte Anpressen (über Rollen) des Kochsalzes erfolgt (enthält Nitrit und Nitrat im Verhältnis 2:1; bei Parmaschinken nur Meersalz).

Im nächsten Prozessschritt werden die Schinken schichtweise in Standen gelegt und ausreichend mit Meersalz zugedeckt. Anschliessend erfolgt die Pökelung der Schinken in den aufgeschichteten Standen (bis zu acht Stück übereinander) bei rund 2°C. Diese dauert je nach Klassierung 7 bis 30 Tage, wobei die Schinken nicht umgelagert werden. Sie werden als nächstes gewaschen und auf rund 8 m hohen, an Rollbahnen hängenden Gestellen beidseitig aufgehängt (pro Seite 4 Doppelreihen mit je einmal drei bzw. 4 Schinken, wobei die Dichte mit zunehmender Höhe abnimmt).

Das verbleibende Meersalz wird für die erneute Verwendung rezykliert. Zum Schluss gelangen die Schinken in den Reiferaum, wo sie je nach Güte zwischen 12 und 38 Monaten verbleiben. Dabei wird bei der Trocknung der jahreszeitliche Ablauf simuliert, indem in den ersten drei Monaten Temperaturen von 2 bis 8°C gefahren, diese danach bis auf 25°C erhöht werden und sich dann wieder im Bereich von 8 bis 10°C bewegen. Die Schinken erfahren dabei einen Gewichtsverlust von rund 35%, der sich v.a. auf den Fleisch- und kaum auf den Fett- bzw. Schwartenanteil bezieht. Vor der Auslieferung werden die Schinken bezüglich Aroma und Festigkeit taxiert, wobei sich der Ausschuss angesichts des hohen Herstellungsaufwandes üblicherweise auf weniger als 0.2% beläuft.

Die Firma Navidul in Trujillo pökelt jährlich rund 2.5 Mio Schinken, von denen 1.5 Mio selber und 1 Mio in einem anderen Betrieb gereift werden. Mit steigender Tendenz werden rund 40% der Rohschinken in geschnittener Form angeboten, während ca. 60% auf der traditionellen Jamonera, einem speziellen, traditionellen Holz-Metall-Gestell, den Konsumentinnen und Konsumenten angepriesen werden.

Bei der Besichtigung ist aufgefallen, dass viele Einrichtungen aus Italien mit Schwerpunkt Parma stammen, was angesichts der Ähnlichkeiten in der Produktionsweise nicht weiter erstaunlich ist. Als ungewohnt erschienen hingegen die z.T. starke Schimmelbildung in den Reifungsräumen sowie die Verpackung der Endprodukte in grossen Kartonschachteln, deren Transport auf Holzpaletten erfolgt.

Text: Ruedi Hadorn, Forschungsanstalt Agroscope-Liebefeld ALP. Bericht nach einer Reise des Schweizerischen Arbeitskreises Fleisch (S.A.F.) anfangs November 2007 in die Extremadura mit Besichtigung Dehesa, einem Eichenhain, der von Ibérico-Schweinen beweidet wird. Bilder: ALP und foodaktuell.ch
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