Capuns, Maluns, Pizokel, Tatsch und Plain in Pigna – klingende Namen, die verraten, dass es die eigenständige Bündner Küche wirklich gibt. Dabei ist auch, dank unterschiedlicher Klimazonen, die Produktevielfalt äusserst gross. Ob spezielle Kartoffelsorten, die in höheren und rauen Lagen gedeihen, ob in der würzigen Luft des Engadins getrocknetes Rindfleisch oder Kastanien, die die Wärme der sonnenverwöhnten Südtäler speichern: Mit ihnen wurde seit je mit Leidenschaft gekocht. Meisterköche haben die Bündner Küche indes weiterentwickelt und weitherum bekannt gemacht. (Text: Jacky Donatz, einer dieser Meisterköche)
Wochenmarkt mit Frischprodukten in der hübschen Altstadt von Chur: in der Oberen und Unteren Gasse sowie am Ochsenplatz.
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Chur macht Tourismuswerbung als «Alpenstadt und die älteste Stadt der Schweiz». In der Tat: Ausgrabungsfunde beweisen, dass Chur bereits in der Jungsteinzeit (etwa 3000 v. Chr.) besiedelt war. Aber auch die Zürcher könnten diesen Superlativ beanspruchen: Die frühesten Siedlungsspuren in Zürich sind Reste von Feuchtboden-Siedlungen der Egolzwiler Kultur (4430–4230 v. Chr.). Doch Zürich hat sich für eine Standortwerbung als «World Class und Swiss made» entschieden.
Auch Graubünden als Kanton hat Superlative zu bieten: die grösste Fläche aller Kantone, drei Sprachen sowie der höchste Anteil von Bio-Bauernhöfen (54%).
Der Churer Wochenmarkt findet von Mai bis Oktober jeden Samstag 07.30-12.00 Uhr statt. Von Gemüse, Salat, Kräutern, Berg- und Alpkäse, über Trockenfleisch, Salsiz bis Honig, Bienenwachskerzen und frischem Brot - die grösste Auswahl und die schönsten Farben findet man frühmorgens. Alles sind Hofprodukte – Händler sind nicht zugelassen. Nicht überraschend: Mehr als die Hälfte der Produkte sind «bio». Einige Impressionen:
Susi Blöchlinger vom Bauernhof Margarethenberg Buura-Beizli verkauft alle Arten von Hofprodukten, sogar Frischfleisch in Kühlboxen (Bild: vorne rechts). Sie ist Köchin und produziert auf dem Hof Wurstwaren, ihr Mann ist Bäcker und stellt die Backwaren her.
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Romana und Paul Nicca-Stoffel vom gleichnamigen Biohof in Donat mit Webshop: biowurst.ch. Im Angebot stehen Fleisch- und Wurstwaren aus eigener Fleischproduktion, welche die Genossenschaftsmetzgerei Andeer produziert wie Salsiz, Bauernwürste und Schamser Trockenfleisch. Ausserdem: Natura-Beef, Bienenhonig, Eier und Käse von der mehrfach (inter)national prämierten Käserei Andeer.
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Der Biohof der Familie Nicca liegt auf der sonnigen Terrasse im Val Schons. Diese bewirtschaftet 30 ha Land zwischen 1000 und 2200 m.ü.M. Auf dem Hof leben 30 Mutterkühe mit ihren Kälbern: Limousin, Braunvieh sowie Schottische Hochlandrinder. Auch Schafe, Hühner sowie einige Bienenvölker gehören dazu.
Von der Käserei Sufers, ebenfalls im Angebot bei Biowurst.ch: halbharter würziger Crestawald-Biobergkäse aus thermisierter Milch, ein Jahr im Felsenkeller gereift.
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Auch innovative Raritäten findet man am Markt wie diese Cherry-Gurken.
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Salsiz und Andutgel mit modernen dekorativen Banderolen von der Mazlaria Vrin bzw der Metzgerei Tomaschett in Vrin GB
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Nur Bündner Metzger verstehen den Unterschied zwischen Salisz und Andutgel. Hier ein Erklärungsversuch für Unterländer: Andutgel ist eine nicht geräucherte, luftgetrocknete Wurstspezialität aus dem Bündnerland. Das Wort Andutgel ist Räto-Romanisch und bedeutet Sonntagswurst. Nach dem uralten Rezept wurde diese Wurst aus auserwähltem Rindfleisch hergestellt mit möglichst wenig Salz.
Und zum Salsiz sagt das Kulinarische Erbe: Es ist eine luftgetrocknete Rohwurst aus Schweins- und Rindfleisch, die in der Regel dünn aufgeschnitten und roh gegessen wird. Im Gegensatz zur Salami wird der Salsiz gepresst. Er hat also eine viereckige Form, was ihn dem Landjäger oder dem Appenzeller Pantli ähnlich macht. Diese beiden typischen Metzgerwürste werden jedoch im Kaltrauch geräuchert, der Salsiz hingegen wird in der Regel nur getrocknet. Der Name Salsiz leitet sich vom italienischen Begriff „salsiccia“ ab, dem Begriff für Wurst.
Capuns am Stand von Gourmet Serail's, einer Delikatessen-Boutique, welche Hofprodukte von mehreren Bauern verkauft. Der Laden ist wie der Wochenmarkt an der Oberen Gasse.
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Noch ein Bündner Rätsel: Was sind Capuns? Dies ist eines der bekanntesten Gerichte, die heute der Surselva, dem Bündner Gebiet «ob dem Wald», zugeordnet werden, also eigentlich die Capuns sursilvans. Wenn Jacky Donatz sie einfach Silvaner Capuns nennt, so zeigt auch er - vielleicht unfreiwillig, da es überall im Kanton Wald (silva) gibt -, wie das Gericht in ganz Graubünden verbreitet war und immer noch ist. Voraussetzung für die «richtigen» Capuns ist, dass man im eigenen Garten Schnittmangold pflanzt (in Graubünden gibt es Setzlinge). Er wird im Handel nur selten angeboten und unterscheidet sich vom geläufigen Stielmangold, den man jedoch auch verwenden kann.
Der darin eingerollte Teig gibt den Klösschen die Form kleiner gefüllter Hähnchen, romanisch Capuns genannt, was dem deutschen Kapaun entspricht. Die Zubereitungsarten sind so zahlreich, wie es Köchinnen und Köche gibt, wobei die Familientradition meistens ausschlaggebend ist. Man kennt weit über 100 Rezepte. Eine besonders originelle Art sind die Capuns cun olma (Capuns mit Seele). Hier wird in den Teigkloss ein Stückchen Butter gelegt, das beim Garen schmilzt und ein Loch hinterlässt, die «Seele».
Der Text über Capuns stammt aus dem Buch: Bündner Küche/La Cuschina dal Grischun/La Cucina dei Grigioni
Autor: Jacky Donatz, Chasper Pult
Foodfotos: Dave Brüllmann
dreisprachig d/r/i
160 x 215 cm, 96 Seiten, 50 Farbbilder
Hardcover, glänzend
978-3-03780-330-1
Preis: CHF 19.90
http://www.fona.ch/index.php?page=shop.product_details&flypage=flypage_fona.tpl&category_id=22&product_id=130&vmcchk=1&option=com_virtuemart&Itemid=103
Rezept für Capuns: Silvaner Krautwickel
150 g Weissmehl
1 Prise Salz
½ dl/50 ml Milch
2 Eier
15 g Butter
je 25 g Magerspeck, Salsiz und Bündnerfleisch, klein gewürfelt
15 g Lauch, klein gewürfelt
25 g Zwiebeln, fein gewürfelt
fein gehackte frische Kräuter, z. B. Rosinarinnadeln, Petersilie und Basilikum
40 junge Stielmangoldblätter
1 EL Butter
2 dl/200 ml Gemüsebrühe
1 dl/100 ml Rahm/Sahne
40 g Rohschinken, in breiten Streifen
Käsespäne von Alpkäse
- Für den Teig Mehl und Prise Salz (nicht mehr, weil das Fleisch ziemlich salzig ist) in eine Schüssel geben. Milch und Eier verquirlen, nach und nach unter das Mehl rühren. Den Teig schlagen, bis er Blasen wirft. 30 Minuten zugedeckt ruhen lassen.
- Fleisch, Lauch und Zwiebeln in der Butter andünsten, Kräuter kurz mitdünsten, abkühlen lassen. Unter den Teig rühren.
- Mangoldblätter in einem grossen Kochtopf in 4 Portionen in reichlich Wasser blanchieren, mit einem Schaumlöffel herausnehmen, in ein Sieb geben und mit kaltem Wasser abschrecken, Blätter auf ein Küchentuch legen, leicht trocken tupfen.
- Einen Kaffeelöffel der Teigmasse auf jedes Blatt geben, zu einem Päckchen einschlagen.
- Krautwickel in einer weiten Bratpfanne in der Butter auf beiden Seiten anbraten, mit Gemüsebrühe und Rahm ablöschen, bei schwacher Hitze zugedeckt 5 Minuten köcheln lassen.
- Rohschinken in einer Bratpfanne kurz braten.
- Krautwickel in vorgewärmten tiefen Tellern anrichten. Mit Rohschinken und Käsespänen garnieren.
Der Arcas-Platz zwischen der Oberen Gasse und der Plessur: gross, hübsch und ruhig. Im Hintergrund die Martinskirche.
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Buchtipp: Alpechuchi
Ein Genussbuch mit stimmungsvollen Fotos und Texten aus dem Alpleben. Die vielen alpinen Rezepte sind eine Hommage an die Berge, die Tiere und die Menschen auf der Alp. Alpechuchi bietet spannende Geschichten, Tagebucheinträge und Beobachtungen aus dem Alpalltag. Ende April 2011 hat die Historia Gastronomica Helvetia dem Buch des Fona-Verlags die Goldmedaille für das beste Regionen-Kochbuch verliehen.
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Martin Bienerth, Weltklasse-Käseaffineur der Käserei Andeer |