Fasnachtschüechli der Zürcher Bäckerei Freytag
Die Domäne der Fasnachtschüechli-Herstellung liegt heute vor allem in den Händen der Grossverteiler», sagt man beim Kulinarik-Verlag Betty Bossy. In der Tat hört man von Konsumenten oft, die Fasnachtschüechli der Migros seien die Besten. So liest man auf der Website von Midor, der migroseigenen Backwarenfabrik, welche die Produkt herstellt: «Unsere bekannten Fasnachtschüechli gelten schweizweit als die Besten!».
Die Redaktion der Berner Zeitung testete kürzlich 16 Chüechli und siehe da: Jene der Migros schnitten am besten ab, zusammen mit jenen von Coop. Und die Redaktoren vermuten: «Dass Bäckereien heute meist auf die Herstellung von Fasnachtschüechli verzichten, hat mit Fett zu tun: Die Herstellung der süssen Scheiben ist sehr aufwendig, und das Öl, in dem sie schwimmend gebacken werden, muss zu oft ausgewechselt werden». Deshalb lobten sie die einzige Berner Stadtbäckerei, wo sie fündig wurden.
Im Allgemeinen herrscht bei den Backwaren zwischen Handwerks- und Industriebetrieben ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Aber es gibt Produkte wie das Fasnachtschüechli, für deren Qualität die Industrie bessere Voraussetzungen besitzt dank grossen kontinuierlichen Anlagen, z.B. bei Fasnachtschüechli.
Die Gründe sind technischer Natur: Eine geschlossene Fritieranlage mit 5000 Liter Öl im Kreislauf und aussenliegendem Wärmetauscher sorgt für besseren Wärmeübergang auf den schwimmenden Teig und schont andererseits das Öl. Beides macht sich bei der Produktqualität bemerkbar. Dies gilt übrigens noch mehr für Kartoffelchips, die heutzutage nicht einmal mehr von Spitzengastronomen selbst hergestellt werden, oder wenn dann mit geringerem Erfolg.
Handwerkliche Herstellung
«Dennoch gibt einige Bäckereien, die für ihre selbstgemachten Fasnachtschüechli bekannt sind», so Betty Bossi. «Beispielsweise die Urner Feinbäckerei Hauger in Altdorf. Der Grossvater des heutigen Besitzers hatte 1905 mit der Herstellung von Fasnachtschüechli begonnen und noch heute werden zur Fasnachtszeit rund 3000 Stück von Hand gefertigt». Die Zürcher Bäckerei Freytag und die Churer Bäckerei Merz sind weitere Beispiele.
Fasnachtschüechli der Churer Bäckerei Merz
Wer selbst Fasnachtschüechli herstellen will, benötigt vor allem eine leistungsfähige Friteuse mit guter Temperaturregelung, Gebrauchtölfilter und Ölqualitätskontrolle sowie idealerweise einen Ölkühler, der das Öl nach Betriebsende rasch auf unter 120 Grad kühlt. Je besser man das Öl behandelt, desto öfter kann man es verwenden bevor man es wegen zu starker Oxidation entsorgen muss. Je länger die Produkte haltbar sein sollen, desto stabiler muss das Fritieröl sein.
Eine gute Wahl ist das ölsäurereiche High Oleic-Sonnenblumenöl, da es auch ungehärtet eine hohe Stabilität bietet (gehärtete Öle sind heute verpönt wegen den Transfettsäuren). Auch geschmacklich ist das neutral schmeckende HO-Sonnenblumenöl sinnvoll. Die Website von Dr.Oetker empfiehlt einen Fritiertemperaturbereich von 170 bis 180 °C. Dort ist auch ein Rezept beschrieben sowie die Haltbarkeit: Fasnachtschüechli seien gut verschlossen zwei Wochen haltbar. Schützen muss man sie vor Licht und Luftfeuchtigkeit. Wie alles Fritierte sind sie in den ersten Tagen nach der Herstellung am schmackhaftesten.
Industrielle Herstellung
Bei der industriellen Herstellung werden grundsätzlich die gleichen Zutaten verwendet, wie im Haushalt. Zum Fritieren werden heute in der Regel pflanzliche Öle verwendet. Oft werden auch Mischöle, die zum Teil gehärtet und dadurch hitzresistenter sind, verwendet. Zur Optimierung von Textur und Geschmack werden dann je nach Hersteller noch weitere Zutaten, wie modifizierte Kartoffelstärke, Joghurt, Eiweisspulver und Kirschwasser verwendet. Die Auflistung der Zutaten, welche sich auf der Packung jeweils in der Rubrik "Zusammensetzung" befindet, gibt Auskunft über die verwendeten Öle, die weiteren herstellerspezifischen Zutaten sowie gegebenenfalls die Zusatzstoffe.
Pflanzliches Fett, Zucker, Kochsalz und Eier, welche vom Eierlieferanten bereits aufgeschlagen und pasteurisiert in Sterilcontainern angeliefert werden, werden zusammengemischt und kurz geknetet. Der Teig wird anschliessend zu einem dünnen Band gepresst, aus dem man die Rohlinge ausstanzt.
Mini-Fasnachtschüechli von Midor (Migros). Die Zutaten gemäss Deklaration: Weizenmehl, Sonnenblumenöl, Zucker, Eier, Kartoffelstärke Kochsalz, Eiweisspulver, Joghurt, Kirsch, Weizenstärke, Gerstenmalz. Der deklarierte Fettgehalt: 37%
Diese Teigrohlinge kommen in runde, geformte Siebe, und werden darin mit konstanter Geschwindigkeit durch eine Fritierwanne gezogen. Die Verweildauer beträgt nur rund 10 Sekunden. Das im Teig enthaltene Wasser verdampft, lockert den Teig und lässt im Fasnachtschüechli die typischen Blasen entstehen. Die regelmässige, sonnenrad-ähnliche, gewellte Form wird durch die verwendeten Transportsiebe verursacht.
Anschliessend wird das Gebäck mit Puderzucker bestäubt und nach dem Abkühlen in Kartonschachteln verpackt. Die Chüechli müssen danach sofort abgepackt werden, damit sie vor zu hoher Luftfeuchtigkeit geschützt sind.
Damit die Form, die Blasenbildung und die Knusperigkeit immer gleich herauskommen, muss der Fabrikationsprozess sehr genau kontrolliert und entsprechend konstant gehalten werden. Die industriellen Bäcker achten nicht zuletzt aus ureigenem Interesse darauf, dass der Fettverbrauch möglichst tief bleibt, weil diese Komponente die teuerste ist. Durch eine Optimierung der Rezepturen und die kurzen Verweilzeiten im Fritierbad strebt man also einen möglichst tiefen Fettgehalt an.
Fasnachtschüechli von Coop, hergestellt bei Panofina in Wallisellen ZH.
Dieser sparsame Umgang mit dem Öl kommt letztlich auch dem Konsumenten zugute, sind doch die modernen Fasnachtschüechli um einiges bekömmlicher als diejenigen unserer Grossmütter, die ja oft noch im Schweineschmalz gebacken wurden. Mit einem Fettgehalt von gegen 40% gehören diese Backwaren aber trotzdem nicht zu den Schlankmachern. Zusammensetzung pro 100 g: Energie: 2450 kJ (586 kcal) Eiweiss: 7 g, Kohlenhydrate: 52 g, Fett: 32 g.
Fasnachtschüechli-Rezept
Ein traditionelles Rezept steht in www.foodnews.ch:
Zutaten (für 32 bis 35 Stück): 800 - 900 g Mehl, 10 Eier, 1/2 l Rahm (oder 180 g Butter und 1/2 Tasse Rahm oder Milch), 1/2 Löffel feiner Zucker, 1 schwache Handvoll fein geriebenes Salz, Backfett.
Zuerst verklopfe man die Eier eins nach dem andern gut in einer Schüssel, sodann Zucker, Salz, Rahm und die gerührte Butter zugefügt, zuletzt so viel Mehl nach und nach daruntergerührt, bis man nicht mehr rühren kann, sodann vom Rest des Mehls noch so viel mit der Hand hineingewirkt, bis der Teig gut ist.
Hierauf wirke man ihn auf einem mit Mehl bestreuten Brett ziemlich lange, d.h. bis er schön glatt ist, und schlage ihn mitunter auf das Wirkbrett, dass er mürbe und weich wird.
Nun teile den Teig in 3 Stücke und wirke jedes unter 3 Malen und jedesmal einige Minuten und lasse sie inzwischen ruhen. Hierauf wickle man die Teiglinge in ein feuchtes Tuch und stelle sie über Nacht kühl.
Anderntags teile man sie in eigrosse Stücke, walle sie rund und so dünn als möglich aus, ziehe die Kuchen noch sorgfälltig mit den Händen (oder auf dem Knie) auseinander, jedoch ohne sie zu zerreissen, lege sie zum Antrocknen auf ein reines Tuch.
Man backe die Küchlein im heissen, schwimmenden Backfett nur blassgelb.
Während dem Backen werden sie mit 2 Schindeln immer ins Fett hinuntergetaucht, damit sie recht faltig und nicht glatt werden. Auch das Wenden geschehe mit den Schindeln und sorgfälltig, damit sie nicht brechen.
Schon im Mittelalter bekannt
Früher hiessen die Fasnachtschüechli vielerorts "Knieplätze". Die Teigstücke wurden nämlich über dem Knie sorgfältig in ihre dünne Form gezogen.
Der Brauch der Fasnachtschüechli ist schon alt und mit dem Brauchtum der Fasnacht sowie der nachfolgenden Fastenzeit verknüpft. Fasnachtschüechli sind letztendlich das Resultat einer Verschmelzung von christlichen und heidnischen Traditionen. Schon seit Menschengedenken wurden im christlichen Kulturraum also zwischen Weihnachten und dem Ende der Fasnacht im Fett gebackene Süssigkeiten verzehrt. Neben den Fasnachtschüechli gehören zu diesen sogenannten Fettgebäcken natürlich auch die bekannten Schenkeli und die Berliner.
Schon im 15. Jahrhundert schenkte man sich in der Zeit vor der Fasnacht gegenseitig derartiges Gebäck. Junge Männer holten sich die Backwaren offenbar in der Nacht bei den Frauen ab, wobei es wahrscheinlich eben nicht nur um die Fasnachtschüechli ging. Offenbar führte das in der Folge zu solchen Auswüchsen, dass die Tradition des "Chüechlischenkens" von der Obrigkeit manchenorts sogar untersagt wurde.
Die Hauptsaison der Fasnachtschüechli dauerte ursprünglich von Anfang Januar bis zum Aschermittwoch, dem offiziellen Beginn der Fastenzeit. Lokal gibt es davon Abweichungen, wie zum Beispiel in Basel, weil dort die Fasnacht zu einem späteren Zeitpunkt stattfindet.
Die Industrie ist natürlich bestrebt, die Saison zu verlängern, damit sich die teuren Investitionen für die Produktionslinien rechnen. Da an gewissen Orten, wie z.B. im Rheinland, der Fasnachtsbeginn bereits auf den 11.11. um 11 Uhr 11 angesetzt ist, hat das Marketing natürlich kein Problem damit, die Fasnachtschüechli auch schon wesentlich früher als im Januar anzubieten. Entsprechend wird die erste Produktion auch in der Schweiz auf diesen frühen Zeitpunkt angesetzt.
(Auszug aus dem Bericht in www.foodnews.ch)
(gb)