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Wolfgang Herbst, Metzgermeister und stellvertretender Landesinnungsmeister des Baden-Württembergischen Fleischerhandwerks, stellt seine Oberländer nach handwerklicher Metzgermeistertradition her.
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Vor allem im Süden Deutschlands kennt man eine weisse Wurst ohne Darm, die je nach Region unterschiedliche Namen trägt. Man kennt sie als Oberländer, Wollwurst, Nackerte oder Geschwollene. Ihre Besonderheit ist, dass sie traditionell ohne Darm hergestellt wirdund also «nackt» ist. Das Brät wird mit dem Füllrohr auf ein Brettchen aufgebracht. Das erfordert Fingerspitzengefühl, weil das Brett mit der gleichen Geschwindigkeit vom Füllrohr weggezogen werden muss, wie das Brät selbiges verlässt, so dass die Brätmasse auf dem Brett schön gleichmässig ist und gleich lange sowie gleich dicke Würste entstehen.
Das Brät wird direkt auf ein Brett aufgespritzt.
Vom Brett werden die Rohlinge direkt ins Kesselwasser getaucht. Die Gartemperatur startet bei rund 60 Grad. Erst wenn alle Würste im Wasser sind, wird die Temperatur für rund 10 Minuten auf knapp über 70 Grad erhöht. Das Brät dehnt sich dabei aus, daher rührt der zweite Name «Geschwollene» für die Oberländer. Durch das anschliessende Abschrecken in kaltem Wasser entsteht eine weiche, wollige Oberfläche, die den ebenfalls üblichen Namen «Wollwurst» erklärt. Das Brät entspricht dem der Weisswurst, allerdings ohne Zwiebel und Petersilie, und auch dem der weissen Bratwurst.
Die Oberländer garen etwa 10 Minuten bei 70 Grad im Kessel.
In der Herstellung sind die Oberländer kaum günstiger als Bratwürste, spart man zwar den Darm ein, aber die sorgsame Handarbeit des Metzgermeisters ist zeitaufwändiger als bei Würsten im Darm. Damit liegen sowohl Herstellungs- als auch Verkaufspreis auf gleichem Niveau. Ein höherer Garverlust ist nicht messbar, ein Aromaverlust durch das Fehlen des Darms ebenfalls nicht, da dem Kesselwasser etwas Salz zugegeben wird. Damit diffundiert kein Salz heraus und das Aroma bleibt in der Wurst.
In der Industrie werden Oberländer in Schäldärme gefüllt, der Darm wird nach der Herstellung entfernt. Im Schäldarm kann der Prozess des Schwellens nicht stattfinden, das Brät kann sich wegen der Hülle nicht ausdehnen und so bleibt den Schäldarm-Oberländern die Lockerheit in der Struktur vorenthalten, welche handwerklich hergestellte Wollwürste auszeichnet. Der Fachmann erkennt die Industrieware an ihrer festeren Konsistenz und glatten Oberfläche. Vor allem in Süddeutschland schätzt man aber gerade die lockere, fluffige Konsistenz der handwerklichen Produkte und lehnt die festere, industrielle Variante eher ab.
Oberländer auf dem Grill in einer Currywurst-Imbissbude
Durch die niedrige Kesseltemperatur und das Fehlen des Darms ist die Haltbarkeit von Oberländern etwas geringer als die von Bratwurst. Wollwürste können und sollen demnach kesselfrisch verzehrt werden. In Bayern und Schwaben gelten sie vor allem gebraten als Delikatesse. Dazu werden sie zuvor in Milch gewendet und kurz heiss angebraten bis die Oberfläche leicht braun ist. Als Beilage ist Kartoffelsalat gemischt mit Gurkensalat üblich. Deutschlandweit kennt man die Oberländer vor allem als Currywurst. Frisch vom Grillrost wird sie in Scheiben geschnitten und mit einer Sauce aus Ketchup und Currypulver verzehrt.
(Text und erste vier Bilder: Petra Götz)
Kügeli-Pastetli, eine Luzerner Spezialität.
In der Schweiz gibt es keine darmlos hergestellten Würste mit Ausnahme der Kalbsbrätkügeli. Damit die Wurst ohne Darm oder die Brätkügeli nicht Geschmack verlieren durch Auslaugen, werden dem Brühwasser Salz und Würzen wie Maggi oder Aromat zugesetzt. Wichtig ist auch, dass das Wasser nicht zu heiss ist, sonst leidet die Konsistenz.
(Infos der Metzgerei-Fachschule ABZ in Spiez)
(gb)