|
|
Brot bringt eine bislang unerforschte Aromenpalette hervor. Schliesslich sind im Brot über 300 beziehungsweise je nach Sorte, Zutaten und Herstellungsprozess bis zu 500 verschiedene Aromastoffe zu finden.
|
Die Herstellung von geschmackvollem Brot ist gar nicht so einfach. Durch die sorgfältige Auswahl des Getreides sowie die Wahl der Zutaten, der Hefemenge, der Teigruhe, von Backzeit und Backtemperatur bestimmt die Bäckerin oder der Bäcker das Endprodukt wesentlich.
Eine gemeinsame Sprache für den Genuss von Käse, Schokolade und Wein gibt es längst: Hier hilft seit Jahren ein Aromarad, das jeweilige Geschmackserlebnis in Worte zu fassen. Für das Brot gibt es ein solches erst seit Ende 2008. Es soll helfen, der «Sprachlosigkeit» bei der Beschreibung des Brotgeschmacks ein Ende zu bereiten.
Die Begriffe mild, sauer oder ausgewogen werden in Zukunft nicht mehr ausreichen, um den Geschmack eines Brots dezidiert zu beschreiben. Künftig werden auch Begriffe wie blumig, fruchtig, würzig oder erdig zum Zug kommen. Nicht zuletzt soll das Brotaromarad auch als Hilfsmittel dienen, wenn es darum geht, Kundinnen und Kunden in der Bäckerei besser beraten zu können.
Von Lebkuchen bis Pfeffer
Die Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) bewältigte unter der Leitung von Professor Michael Kleinert die Aufgabe, die Vielfalt der Brotaromen zu identifizieren. Das Schwierigste war, ein Referenzsystem zu entwickeln, um die Brotaromen zweifelsfrei vergleichbaren Aromen zuordnen zu können. Die Palette reicht von Vanille über Gewürznelke bis hin zu Lebkuchen oder Pfeffer. Gesamthaft konnten pro Brotsorte bis zu 500 verschiedene Aromastoffe ermittelt werden.
Ob Normalbrot oder Spezialbrot, hell oder dunkel gebacken, mit oder ohne Vollkornmehl, Ölsaaten oder weiteren Zutaten, die Schweiz ist mit über 300 verschiedenen Brotsorten ein Brotparadies par excellence und bietet jedem Konsumenten und jeder Konsumentin sein bzw. ihr Lieblingsbrot. Doch zur Herstellung eines aromatischen Brots sind gute Rohstoffe, viel Zeit, Sorgfalt und das Know-how der Bäcker erforderlich.
Gutes Brot muss Weile haben
Heute sind beim Brot, wie auch bei vielen anderen Lebensmitteln, klar zwei Entwicklungstendenzen auszumachen. Ein günstiger Preis steht dem Bedürfnis nach mehr Geschmack, mehr Qualität und mehr Natürlichkeit gegenüber. Der Forderung der Kunden nach schmackhaftem Brot kommt der handwerkliche Bäckereibetrieb von jeher nach, und dies macht auch den unaufhaltsamen Erfolg der handwerklichen Bäckereien am Markt aus. Entsprechend den Entwicklungstendenzen haben nun aber verschiedene Bäckereibetriebe damit begonnen, die handwerkliche Fertigung der Brote wieder vermehrt in den Vordergrund zu stellen.
Statt «gefühlsloser» Maschinen steht der Mensch wieder im Mittelpunkt, denn nur er ist in der Lage, sehr weiche oder leicht zähe Teige mit mehr oder weniger Druck zu Brotlaiben zu formen. Die im Nachbarland Deutschland entstandene Philosophie des «slow baking» war und ist in der Schweiz seit je Standard und gemäss den Experten ein Trend, der weiter anhalten wird. Doch was bedeutet der Begriff genau? Wörtlich übersetzt bedeutet er «langsames Backen».
Nun heisst dies aber nicht, dass das Brot im Backofen langsam gebacken wird. Es bedeutet, dem Teig- und den Brotlaiben bei der Herstellung mehr Zeit zum Gären zu lassen, damit sie ihren optimalen Geschmack entfalten können. Die Grundlage dieser Qualitätsoffensive ist also eine Rückbesinnung auf die traditionelle Backkultur.
Maschinen müssen sich dem Teig anpassen
Eine Herausforderung bedeutet diese Art des Backens für die Maschinenhersteller, denn Teige die lange ruhen dürfen, sind in der Regel eher weich. Nicht alle Bäckereimaschinen werden solchen Teigen gerecht. Künftig muss sich also die Bäckereitechnologie vermehrt wieder den Anforderungen der Teige anpassen und nicht umgekehrt. Bereits stehen erste Maschinen zur Verfügung, welche die Teige schonen und sie möglichst wenig «stressen». Auch bei den Öfen werden vor allem jene Exemplare eine Zukunft haben, die «sanft» mit dem Produkt umgehen.
|
|
Luxusbrote der Churer Bäckerei Merz, präsentiert vom Innovationspreis-Gewinner Roni Merz
|
Trotz schonungsvollen Verfahren darf in den Backstuben aber der wirtschaftliche Aspekt nicht aus den Augen verloren werden. So sind die Hersteller von Maschinen und Anlagen auch gefordert, Lösungen zu finden, die «schonungsvoll» mit der Ressource Energie umgehen. Die Bäckerbranche muss den verschiedensten Anforderungen der Zukunft Rechnung tragen und den Brotherstellungsprozess ganzheitlich betrachten. Trotzdem wird der «Brotgeschmack» auch in Zukunft ein bedeutendes Kaufkriterium bleiben.
Slow Food – genussvolle Produkte aus der Region
Auf genussvolle, bewusst produzierte Nahrungsmittel aus der Region setzt seit 1986 die internationale Non-Profit-Organisation Slow Food. Sie sieht sich als Gegenbewegung zum uniformierten Fast Food. «Ich möchte die Geschichte einer Speise kennen. Ich möchte wissen, woher die Nahrung kommt. Ich stelle mir gerne die Hände derer vor, die das, was ich esse, angebaut, verarbeitet und gekocht haben», so der Gründer der Organisation, Carlo Petrini. Um als Slow-Food-Produkt bezeichnet werden zu dürfen, muss ein Nahrungsmittel den Anforderungen von Qualität, Sauberkeit und Fairness, verbunden mit ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit genügen. Bei der Organisation geht man davon aus, dass sorgfältig und aus besten Rohstoffen Hergestelltes auch qualitativ und geschmacklich gut ist.
Zwei Brote mit Auszeichnung
So setzte sich Slow Food zum Beispiel für die Herstellung des Münstertaler Roggenbrots (Paun sejel Val Müstair) ein. Dieses von Hand gefertigte, flache Bündner Roggenbrot war beinahe ausgestorben, lediglich ein Bäcker kannte noch das Originalrezept. Heute ist die Nachfrage so stark angestiegen, dass die alte Steinmühle im Tal ihren Betrieb wieder aufnehmen konnte. Neuerdings wird im Münstertal auch wieder Roggen angepflanzt.
|
|
Slow Food-Brot von Meierbeck in Sta. Maria bei Coop
|
Auch das sehr dunkle Walliser Ur-Roggenbrot trägt das Slow-Food-Label. Es besteht ausschliesslich aus reinem Roggenschrot und Salz. Als Triebmittel dient einzig eine gewisse Menge Teig vom Vortag, denn Backhefe hat im Walliser Ur-Roggenbrot nichts verloren. Die Verarbeitung dieses speziellen Brots ist denn auch wirklich «slow». Zwölf Stunden muss der Teig ruhen, bevor er verarbeitet wird, zwei Stunden dauert allein der Backprozess. Nach all der Arbeit spricht der Geschmack dann allerdings für sich.
Es lohnt sich also, Brot neu zu entdecken und mit allen Sinnen zu geniessen. Wie Johann Wolfgang von Goethe bereits sagte: «Kein Genuss ist vorübergehend, denn der Eindruck, den er zurücklässt, ist bleibend.»
|
|
Brotaromarad, präsentiert vom Zürcher Brotexperten Michael Kleinert
|
Das Aromarad ist in drei Ebenen unterteilt. Gelesen wird es vom mittleren (farblich betonten), schmalen Kreis nach innen und dann nach aussen. Die oberste Ebene (mittlerer Kreis) ordnet die im Brot gefundenen Aromen in die sieben Obergruppen «fruchtig», «gärig», «röstig», «pflanzlich», «würzig», «Geschmack» und «Sonstige». Die mittlere Ebene (im Aromarad innen zu finden) beschreibt die Unterfamilien.
Dabei wird beispielsweise die Obergruppe «pflanzlich» in die Unterfamilien «grün», «erdig» und «holzig» eingeteilt. In der dritten Ebene (Detaillierung, äusserster Kreis im Aromarad) findet man die Einteilung der Aromen in unverwechselbare Produkte wie «Vanille» oder «Pfeffer», aber auch «Laub» oder «gekochte Kartoffeln». Bilder illustrieren als äusserer Abschluss des Rades die Produktefamilien. (Text: Schweizerische Brotinformation SBI, www.schweizerbrot.ch)