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Publireportage  23.02.2016
Kulinarisches Erbe der Schweiz, Band 4
Buchtipp: Köstlichkeiten aus Glarus, Graubünden, Ticino und Uri.

Netzbraten der Glarner Metzgerei Hösli mit SFF-Goldmedaille (Bild zvg)


Der Verein «Kulinarisches Erbe der Schweiz» hat im 2008 eine Datenbank mit 400 traditionellen Schweizer Produkten in deutsch, französisch und italienisch öffentlich zugänglich gemacht: www.kulinarischeserbe.ch. Das kostenlose Portal enthält rund 90 Metzgereiprodukte mit Herstell- und historischem Beschrieb. Das kulinarische Erbe der Schweiz gibt es auch als Buchreihe. Kürzlich erschien Band 4 mit über neunzig Köstlichkeiten aus den Kantonen Glarus, Graubünden, Ticino und Uri.

Das kulinarische Erbe der Schweiz von Paul Imhof. Band 4. Leineneinband, 292 Seiten, bebildert. Preis: SFr. 29.00, Echtzeit-Verlag, www.echtzeit.ch

«delikatessenschweiz» präsentiert eine Leseprobe zum Glarner Netzbraten: Eine kompakte Masse feinst geblitzten Bräts muss nicht zwingend in Natur- oder Kunstdärme gestossen werden, man kann sie auch wie Fleischkäse in eine Form oder wie den Glarner Netzbraten in eine Hülle packen, dann im Ofen schmoren lassen oder in der Pfanne braten. Im Allgemeinen versteht man unter einem Braten freilich Fleisch am Stück, etwa Rôti de marcassin, Suure Mocke oder Capretto al forno, also etwas Faserig-Festes. Aber Brät, eine zähflüssige Emulsion? Wie die Chalberwurscht, tritt auch der Netzbraten als Glarner Extrawurst auf, eine Art Hybrid aus Kalbsbratwurst und Fleischkäse.

Der Netzbraten gehört zur riesigen Familie der Pasteten und Terrinen; sein besonderes Merkmal ist die Verpackung, beim Veterinär Omentum majus genannt, beim Metzger Fettnetz. Das Geflecht aus zarten Fettadern sowie flächigen Fettstücken kann die Ausdehnung eines Quadratmeters erreichen; es liegt als Membran über den Innereien. «Eigentlich sieht es mehr wie ein Spitzengewebe als nach etwas Essbarem aus», schreibt Jennifer McLagan in Fett-Loblied auf eine verrufene Ingredienz, und erklärt: «Schweinenetz haftet, also braucht es weder Küchengarn noch Zahnstocher, und beim Braten nimmt es eine schöne goldbraune Farbe an.»



Brät aus Kalb- und Schweinefleisch, in Schweinsnetz gewickelt und mit Schnur gebunden. (Bild: A.Rossetti)


In der Schweiz braucht man es für den kommunen Hackbraten, der in Buchhofer’s Schweizer Kochlehrbuch (1934) als «Netzbraten -Hachis de boeuf en crépinettes» tituliert und aus Rinds- und Kalbfleisch gemischt wird, fein gehackt wie «ebenso [...] aus den Häuten gebrochenes Kalbsfett und [...] fetter, nicht ranzig riechender Speck»; Atriaux, die Tätschli aus gehacktem Schweinefleisch beim traditionellen jurassischen Wintergelage La St-Martin, werden darin eingepackt, ebenso wie die gleichförmigen Deutschschweizer Adrios aus Kalbsbrät; in Oberösterreich schätzt man «Leberschädel», eine Spezialität aus Hackfleisch, Schweinsleber und Semmeln, die in Schweinsnetz gewickelt und gebraten wird.

In der heutigen Form dürfte der Glarner Netzbraten erst seit etwa den 1920er-Jahren produziert werden, denn vorher war der Cutter, ohne den sich emulsionsartiges Brät nicht herstellen lässt, technisch noch nicht ausgereift. Der Netzbraten in einem Kochbuch von 1908 wird wohl einem Hackbraten ähnlich gewesen sein.

Zwei Teile Kalb- und ein Teil Schweinefleisch werden mit Speck, Kalbskopfblock (von Fett und Knorpeln befreiter Kalbskopf) oder Schwarte mit Kochsalz zu einem feinen, zähflüssigen Brät geblitzt; damit die Reibungswärme die Proteine nicht zerstört, gibt man Schüttung dazu, also Eis, Eiswasser oder eiskalte Milch. In die Masse werden Phosphat und Glutamat gegeben, Zwiebeln, Pfeffer und Macis, die geriebene Samenhaut der Muskatnuss. Das Brät wird in Portionen von einem halben bis ganzen, selten bis zwei Kilogramm in Schweinsnetze gewickelt und mit Schnur in lockerer Knotentechnik nach einem bestimmten Muster gebunden.



Netzbraten mit Kartoffelstock, der traditionellen Beilage in einem Glarner Restaurant


Den Netzbraten sollte man nach dem Kauf rasch konsumieren. Man brät ihn in der Pfanne an und lässt ihn weiter brutzeln oder im Ofen schmoren. In der Rezeptsammlung Kochen im Glarnerland lässt Köchin Käthy Knobel den Netzbraten in der Braisière mit Bratensatz, Tomatenpüree, Weiss- oder Rotwein sowie Malaga im Ofen bei 180 Grad ohne Deckel (sonst platzt das Netz) 40 bis 50 Minuten garen.

Anrichten mit Gemüse, Kartoffelstock oder Nudeln; der Netzbraten hat eine weissliche Farbe, weil er mit Kochsalz gewürzt wird und nicht mit Nitritpökelsalz, das eine Umrötung in Gang setzt (wie beim Fleischkäse). Bratenreste in Scheiben schneiden und kalt als Sandwichfüllung verwenden.
(gb)
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